Alles klar, no worries - wie gesagt ich find solche Debatten ja interessant!
Ich finds sehr gut wie du drüber nachdenkst und die optimale Patientenversorgung im Blick hast. Außerdem hat der Patientenwille unbedingt Vorrang!
Und wir sind uns offensichtlich eh einig, dass psychische Nebenwirkungen (bzw das ein Patient das mal hatte) keine Kontraindikation für Esketamin sind.
Grundsätzlich gibts natürlich eine Lösung (auch für Sanis mit Midazolam), wenn man ganz frei ist würde man wahrscheinlich noch eher zu einem Opioid greifen (gerade Fenta hier gut vom Nebenwirkungsprofil)
Ich glaube, dass man in so einer Situation auch an den Nocebo-Effekt denken muss.
Wenn man als Patient schon einmal schlechte Erfahrungen mit Ketamin gemacht hat, wird das sicher nicht zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen und dementsprechend mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Nebenwirkungen führen.
Lässt sich natürlich genauso mit entsprechender Patientenführung und frühzeitiger und entsprechend dosierter Midazolamgabe managen, aber man sollte es im Hinterkopf behalten.
Rechtlich übrigens gar nicht so unproblematisch glaube ich
Ist aber in Wien auch etabliert. Entweder es wird ein RTW mit NKV versendet oder der SEG-SR Single Responder kommt und macht das.
Stimmt! Wir machen es in NÖ auch regelhaft aber wie gesagt streng genommen eigentlich nicht sauber
Darf ich dich um deinen Blickwinkel und deine Argumentation bitten?
Diese Diskussion ist nicht uninteressant und wird auch auf den Dienststellen geführt.
Hat da ja letztens mal eine Klarstellung gegeben die besagt hat, dass zu einem kritischen Patienten kein ACN oder RTW-C nachgeholt werden darf, weil kritisch und da muss ein Notarzt hin.
Beim nicht-kritischen Schmerzpatienten den RTW-C nachzuholen der dann seine Notfallkompetenzen anwendet sehe ich rechtlich als okay, aber ja, nicht sauber.
Denn wenn man den RTW-C nachfordern kann, kann man auch den NA nachfordern was die spätere Anwendung der Notfallkompetenzen in eine schiefe Lage bringt, weil es möglich gewesen wäre ohne Notfallkompetenzen.
Vor allem wenn Eintreffzeit von NA und RTW-C ziemlich gleich sind.
Das ist dann aber dem NFS am RTW nicht vorzuwerfen, da er ja nicht dafür verantwortlich ist, dass er statt dem NA zufährt.
Also rechtlich finde ich wie gesagt okay, aber nicht perfekt
Im Grunde genau dieses.
Es ist ja sozusagen eine geplante Anwendung einer Notkompetenz.
Hab da selber eigentlich nie drüber nachgedacht, aber eine Diskussion auf der Dienststelle hat das Thema aufgebracht. Und ja, streng genommen steht nirgendwo dass die Anwendung einer Notkompetenz nicht geplant werden darf. Aber abgesehn vom Wortlaut eines Gesetzes gibt es ja schon auch die Betrachtung was die Intention des jeweiligen Gesetzes ist oder? Da gibts doch auch einen Begriff dafür? Was sagen die Juristen hier?
Ich wäre dafür dass wir Penthrop wieder als Schmerzflöte bezeichnen (I.H…)
Das wurde im RD Info schon beantwortet:
Darf ich jetzt als Rettungssanitäter:in zur Schmerztherapie einen RTW-C nachfordern?
Ja, das ist zulässig.
Du bist aber dafür verantwortlich, dass es tatsächlich “nur” um die Schmerztherapie geht und bei sorgfältigem Handeln keine Notwendigkeit für eine notärztliche Intervention erkennbar ist. Führt die sorgfaltswidrige Unterlassung der Notarztanforderung zu einem Schaden, bist du dafür haftbar – das gilt aber bei jedem Einsatz und nicht nur in diesem speziellen Fall, weil wir immer für alle getätigten und unterlassenen Handlungen haften.
Wobei ich eine Nachforderung eines NKVs explizit zur Anwendung der Notfallkompetenz um Schäden von Notfallpatienten abzuwehren durchaus im Sinne des Gesetzes sehe (abgesehen davon das Penthrop z.B. auf der AML1 ist).
Ein geplanter Einsatz wäre für mich eher wenn ich als NKV elektive Patienten, z.B. im OP behandle.
Ja und Nein.
Sauber wärs wohl erst wenn ich ein NA Mittel zuerst abfrage. Sollte das nicht verfügbar (oder eventuell der Zeitvorteil des NKVs relevant) sein, dann vermutlich schon.
Aber nur ums klarzustellen: Ich habe das früher selber gemacht, weise unsere Frischlinge aktiv darauf hin, dass das eine Möglichkeit ist die sie auch nutzen können, und halte es auch für sehr sinnvoll!
Ich finde diese Diskussionen immer so lustig und teils wie aus einer anderen Welt. Unser Chefarzt vertritt immer noch felsenfest die Meinung: Die Notkompetenzen sind dazu dazu, um die Zeit zu überbrücken bis der Notarzt kommt. Punkt aus. Und keine weitere Diskussion darüber. ;(
Ist denke ich wieder Auslegungssache. Ansich sind die Notfallkompetenzen ja gedacht um Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Notfallpatienten abzuwehren. Laut Gesetzestext sind Notfallpatienten: „[…] Patienten, bei denen im Rahmen einer akuten Erkrankung, einer Vergiftung oder eines Traumas eine lebensbedrohliche Störung einer vitalen Funktion eingetreten ist, einzutreten droht oder nicht sicher auszuschließen ist.“ (SanG. §10 Abs. 2)
Die Pflicht zur Nachforderung eines Notarztes ist aber aber enger gefasst, nämlich: „Lebensrettende Sofortmaßnahmen im Sinne des Abs. 1 Z 4 sind insbesondere […] solange und soweit ein zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt nicht zur Verfügung steht. Eine unverzügliche Anforderung des Notarztes ist zu veranlassen.“ (SanG. §9 Abs. 2)
Wenn wir jetzt z.B. einen nicht kritischen Patienten mit starken Rückenschmerzen Infolge eines Sturzes haben, sind zwar einerseits keine Lebensrettenden Sofortmaßnahmen und damit auch keine NA-Nachforderung indiziert, andererseits können wir aber aufgrund des Verletzungsmusters eine lebensbedrohliche Störung der Vitalfunktionen nicht sicher ausschließen (z.B. durch eine innere Blutung). Dementsprechend wäre es mMn. nicht Sorgfaltswiedrig in so einem Fall ein NKV-besetztes Rettungsmittel anstelle eines Notarztes zur Schmerztherapie nachzufordern.
Und selbst wenn wir eine Störung der Vitalfunktion sicher ausschließen können, würde nichts gegen eine Schmerzbehandlung mit Penthrop sprechen, da dieses (zumindest in NÖ) auf der AML1 zu finden ist.
[CAVE: bin juristisch kompletter Laie]
Nun, „kompletter juristischer Laie“ bin ich nicht, da ich Notfallsanitäter bin und daher natürlich eine fundierte berufsrechtliche Ausbildung genossen habe.
Es geht auch immer um die Interpretation des Gesetzes. Und diese Interpretation findet durch die Rechtsprechung (=Justiz) statt und nicht durch durch die Exekutive (=das Ministerium). Das hat ein Jurist auf einem Vortrag sehr eindringlich gesagt. Also in Wirklichkeit kannst du dir als Rettungsorganisation nur ein paar Juristinnen und Juristen zusammenfangen und dir anhören, was die für eine Meinung haben. Dann kannst machen und warten, ob es rechtliche Schwierigkeiten gibt.
I.O.-Zugang: Jurist:innen sind ganz ablehnend, Johnnys machens in Wien → keine rechtlichen Konsequenzen, wir wissen bis heute nicht, ob das jetzt erlaubt ist oder nicht.
Zur Schmerztherapie den RTW holen: Es gibt angeblich NFS (NKV?), die sich versucht haben zu weigern, so eine Nachforderung anzunehmen, weil es rechtlich nicht zulässig sei, sie zu einer Notfallkompetenzanwendung zu nötigen. Ich muss fast sagen: leider ist das nicht eskaliert - es hätte mich wirklich interessiert, was da rechtlich herausgekommen wäre.
In den 2000er-Jahren gab es in der Steiermark eine Art Forschungsprojekt zu Anwendung von Entonox (Lachgas) durch Sanitäter:innen. Dazu gibts leider gar nichts mehr im Internet zu finden. Meiner mittlerweile sehr dunklen Erinnerung nach gab es Klagsdrohungen seitens der Ärztekammer, weil Schmerzen seien nicht lebensbedrohlich, somit eine Arzneimittelanwendung durch NFS abzulehnen. Da gabs dann einen ziemlichen Zirkus, und dann ist das eingeschlafen. (Falls wer daran noch eine bessere Erinnerung hat, bitte posten bzw. mich korrigieren.)
Was ich damit sagen will: Die Interpretation der Gesetze geschieht im Kontext der Zeit. Wenn wir heute Schmerzen als unzumutbar (und damit als Gefahr für die Gesundheit) ansehen, dann wird eine Notfallkompetenzanwendung wohl OK sein. Ob das tatsächlich stimmt oder nicht wiss ma erst, wenn einmal etwas vor Gericht landet.
Und vor allem ist der einzelne Sanitäter geschützt, wenn er diese Maßnahme nach Vorgabe der Organisation (als SOP) befolgt. Geklagt wird da die Organisation. Und ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Sanitäter würde vermutlich auch eingestellt werden.
Und durch die jeweiligen Chefärzte der Organisationen.
Ich hatte im Studium sogar mal ein Semester eine Rechtsvorlesung, also bin ich eigentlich auch kein Laie.
Das ist mir Bewusst. Ich wollte damit nur sagen, dass die Interpretation des RK NÖ in meinen Augen schon Sinn macht. Wenn man das SanG streng auslegt, kann man sicher auch das Gegenteil schlüssig argumentieren. Ähnlich wie bei der Diskussion ob der Begriff „Verständigen“ mit „Nachfordern“ gleichzusetzen ist auch das ein Thema das durch ein neues SanG oder zumindest wie beim LT durch das Gesundheitsministerium unbedingt klargestellt werden muss.
Insbesondere den Halbsatz „[…] Patienten, bei denen […] eine lebensbedrohliche Störung […] nicht sicher auszuschließen ist.“ kann man im einen Extrem als „jeder Patient mit einem akut aufgetretenen Gesundheitlichen Problem“ auslegen, oder im anderen Extrem als „die wahrscheinlichste Differenzialdignose ist akut Lebensbedrohlich, obwohl der Patient noch stabil ist“
Ja das fände ich auch spannend. Mich würde v.a. interessieren ob man sich als NFS pauschal weigern kann eine Notfallkompetenz oder bestimmte SOPs ohne triftige Gründe (Medikament kontraindiziert, schlechte Venensituation, …) nicht anzuwenden.
Wenn ich als Patient über längere Zeit starke schmerzen leiden muss obwohl ein Schmerzmittel verabreicht werden hätte können, würde ich mich aber auf jeden Fall beim Patientenanwalt melden. Egal ob ein Sanitäter oder ein Arzt vor Ort ist.
Ich als Jurist genieße den juristischen Austausch in diesem Thread sehr. Manche von euch zeigen ein gutes Gespür für rechtliche Argumentation! Kompliment! Nun zur Sache:
Wortlaut / § 4 SanG
§ 4 SanG verlangt lediglich, „nötigenfalls […] ein Notarzt[mittel] anzufordern“. Nach reinem Wortlaut (wichtigste Auslegungsmethode) könnte man annehmen: Wenn ein Schmerz nach fachlicher Einschätzung durch Sani z. B. mit Penthrop oder Novalgin behandelbar ist, besteht keine Notwendigkeit für einen Notarzt (es reicht ein NFS/NKx). Entsprechendes gilt z. B. für Hypoglykämien, bei denen nach Glukosegabe eine rasche Besserung zu erwarten ist (Vorsicht, wenn die Sache nicht so klar ist).
Tätigkeitsgrenzen und Nachforderungen
Gesetzesmaterialien und Fachliteratur – in der juristischen Auslegungsmethodik gleichwertig zur Judikatur (in der Praxis zählt am Ende natürlich das Urteil) – verweisen auf die Grenzen der Tätigkeitsbilder. Diese schließen eine Nachforderung von NFS oder NKx jedoch nicht aus. § 10 SanG sieht ausdrücklich vor, dass Notfallsanitäter:innen auch ohne ärztliche Begleitung für den Transport von Notfallpatient:innen zuständig sind. Für Maßnahmen im Rahmen der Regelkompetenz ist eine Nachforderung somit jedenfalls einmal unproblematisch.
Notfallkompetenzen (NK) und Garantenstellung
Bei NK handelt es sich nicht um ein „Kann“, sondern um ein „Muss“. Liegen Indikation und (gesetzliche) Voraussetzungen vor, ist die Anwendung verpflichtend. Die Garantenstellung verpflichtet dazu, in solchen Situationen tätig zu werden – unabhängig davon, wie man zum Einsatz kommt. Eine Nichtanwendung kann straf-, haftungs- und dienstrechtliche Konsequenzen haben!
Auslegung heute vs. vor über 20 Jahren
Gesetzesmaterialien suggerieren, dass NK ursprünglich als Überbrückung im notarztfreien Intervall gedacht waren. Aus dem Gesetz selbst lässt sich dies für mich nicht ableiten. Diese Sichtweise spiegelt jedoch nicht mehr die heutige Praxis wider (der erwähnte CA schwelgt wohl in alten Erinnerungen). In vielen Regionen (z. B. Wien, NÖ, Graz/MC) hat sich das System weiterentwickelt. Eine moderne Auslegung muss die tatsächlichen Versorgungsstrukturen berücksichtigen.
Lege artis und SOPs
Rechtskonformität hängt maßgeblich vom aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft ab („lege artis“), der in den SOPs abgebildet ist (hoffentlich…). Gibt es also SOPs, die unter bestimmten Umständen gezielte Nachforderungen von NFS oder NKx vorsehen (z. B. zur kurzfristigen Schmerzstillung bei Lumbalgie, denkbar auch zur BZ-Hebung bei Hypo), ist das rechtlich vertretbar – insbesondere wenn dies eine schnellere und effektivere Versorgung ermöglicht.
Haftungsrisiken durch Leitstellenintervention
Problematisch wird es, wenn die Leitstelle eine vom Team vor Ort veranlasste Notarztanforderung überstimmt oder durch Überreden ersetzt. In solchen Fällen könnten sowohl Sanitäter:innen als auch die Leitstelle bei dadurch entstandenen Behandlungsverzögerungen haften.
Wichtig!
Unstrittig bleibt: Bei vitaler Bedrohung sind sofort lebensrettende Maßnahmen zu setzen, und ein Notarzt ist unverzüglich zu alarmieren (§ 9 Abs 1 Z 4 und Abs 2 SanG).
LG
Danke für den ausführlichen Beitrag. Ich finde es auch sehr interessant, dass die NK Anwendung eigentlich ein Muss ist. War mir eigentlich klar, trotzdem heißt es bei uns, dass die NK Anwendung quasi optional ist, und kein Sani sich vor Konsequenzen fürchten muss, wenn er die Anwendung unterlässt.
Sehe ich das richtig, dass das eigentlich eine Anleitung zu einer Unterlassung bzw. einfach eine sehr falsche Informationen ist? Da kann ja dann die Hiorg auch nicht die schützende Hand darüber halten oder? Im Falle eines Verfahrens.