Man braucht hier nicht künstlich irgendwelche Situationen konstruieren.
Wenn ich keine Veranlassung habe zu glauben dass sei nicht der Patient, brauche ich den nicht erkennennungsdienstlich zu erfassen. Oder sonstige Konstellationen „was wenn ihm das eingefloest wurde“ oder sonst was.
Deswegen den Patienten pauschal das Recht anzusprechen, weil es koennt immer was sein, geht aus meiner Sicht auch nicht.
Ja und eine gewisse Fortbildungspflicht haben wir ja auch
Seit wann muss ein gewöhnlicher RS wissen, was Pentobarbiturat ist und wofür das verwendet wird? Kann mich an den pharmakologischen Teil in meiner RS Ausbildung nicht erinnern…
Ich möchte noch einen weiteren Aspekt einwerfen: Was wenn ein Teil der Familie mit dem Suizid einverstanden ist, und ein anderer nicht? Wir alle kennen die Fälle wo Angehörige von Patient 104 Jahre alt, CA+ Metastasen überall, Pflegefall dann noch möchten das " alles" gemacht wird. (Beispielhaft zur Illustration)
Und wenn dann einer dieser Angeörigen sich einen findigen Anwalt holt dann wünsch ich dem Team viel Spaß sofern nicht alles Wasserfest ist. Weil irgendwas lässt sich immer konsstruieren und hinter her ist oft alles anders als es zuerst gewirkt hat.
Bitte hier nicht unbegründet Angst und Schrecken zu verbreiten.
Das Sterbeverfügungsgesetz ist ein Grundrecht auf Selbstbestimmung. Es ist unerheblich ob das die Mizidant gut findet oder der Onkel Josef nicht. Es geht hier rein um den Willen des Patienten und nicht um den der Angehörigen.
Angst und Schrecken verbreite ich nicht. Ich weise auf die Vertracktheit der Situation hin und denke das man hier schneller einfährt als man schauen kann. Ich werde mir diesen Schuh nie anziehen, mich nicht aus dem Fenster lehnen. Die Sache ist so: Entweder der Sterbewillige hat die Sache gut organisiert ( Verfügung, DNR, Ausweis, (noch besser: Zeugen vor Ort), dann wird wohl kaum die RETTUNG dort auftauchen (wozu auch?). Oder er hat es eben nicht gut organisiert und aus irgendeinem Grund taucht eben doch die Rettung auf. Da ist aber schon davor was schiefgegangen. Und dann soll also (wieder bespielhaft) der Hilfsarbeiter mit 100 Stunden Ausbildung (So würde nämlich ein Gericht den Kollegen einschätzen) in kürzeter Zeit die Entscheidung CPR Ja/Nein treffen. Falls nein könnte ich mir gut vorstellen das eine Rettungsorganisation sich auf ihre Lehrmeinung, SOP was auch immer beruft und da steht drinnen das der Sani zu reanimieren hat wenn nicht sichere Todeszeichen vorliegen.
Ich denke, dass das Eis dünn ist, das ist alles.
Also wenn ich dich richtig verstehe, macht jmd einen „organisatorischen Fehler“ (was das auch immer sein mag - sich zb telefonisch vorher bei der Freundin verabschieden, welche dann die Rettung ruft), dann hat er halt Pech gehabt und sein Grundrecht auf Selbstbestimmung wird ihm abgesprochen?
Die SOP greift hier nicht, weil diese nur medizinische Gründe behandelt (sicher Todeszeichen als Beispiel). Eine SOP, egal welche, kann sich niemals über den freien Willen des Patienten stellen.
Ich habe gerade im ursprünglichen Artikel einen Kommentar von dem Standard Leser „gmiatlich“ gelesen, der in meinen Augen das Thema auf den Punkt bringt.
"a die freundin hat sich falsch verhalten
b die rettung/polizei haben sich offensichtlich richtig verhalten
c das gesetz hat offensichtlich lücken wie ein scheunentor
Der Freundin hier ein Fehlverhalten zuzuschreiben greift zu kurz. Die wusste vielleicht von der Sterbeverfügung gar nichts und war einfach besorgt
Wenn die Einsätzkraefte so zweifelsfrei richtig gehandelt haetten, warum beschäftigt sich dann die Volksanwaltschaft damit?
Das Gesetz an sich hat auch keine Lücken wie ein Scheunentor. Was jedoch lückenhaft ist, das Wissen und der Umgang der Einsatzkräfte mit Sterbeverfügungen.
Hier ist dringend Schulungs- und Informationsbedarf zum Schutz der Grundrechte unserer Patienten gegeben.
Was mir auffällt, dass immer das Argument kommt Nichts falsch machen zu wollen, man ist ja nur Hilfsarbeiter und kann oder will das nicht entscheiden und im Zweifelsfall immer zu reanimieren.
Wer bei einer bestehenden Sterbeverfügung zu reanimieren beginnt macht aber was falsch.
Wir sind so berufsblind und sehen das alles nur mehr aus Rettungsdienstsicht.
Keine Atmung… Reanimation!!!
Beenden der Reanimation…nur der Notarzt!!!
Das greift hier aber alles nicht. Der Patient hat zu Lebzeiten ein aufwendiges Verfahren hinter sich gebracht um am Ende selbstbestimmt und in Frieden gehen zu können. Er wollte keine Reanimation. Auch keine 5 Minuten BLS bis der NA kommt. Gar nichts. Ob sich jetzt die Sanis vor Ort das nicht entscheiden trauen ist nicht das Problem des Patienten. Auch im Zweifelsfall will der Patient absolut keine Maßnahmen. Auch nicht bis ich mir sicher bin, dass alles korrekt abläuft. Vorallem wenn jemand vor Ort ist, der mich eindringlich darauf hinweist.
Es ist schon klar, dass das nicht für 99,99 der Reanimationen gilt. Aber wenn dort wer vor Ort ist und mit einem Schrieb wachelt und sagt bitte nicht reanimieren dann wird das schon seine Gründe haben.
Und sollte jemand in Mordabsicht eine Sterbeverfügung vortäuschen um eine Reanimation zu verhindern, dann haben wir ein ganz ganz anderes Problem, in dem sicher nicht wir die bösen sind.
Bei der Sterbeverfügung ist es sogar nochmals einfacher wie mit der Patientenverfuegung deren konkreten Inhalt ich nicht kenne.
Bei der Sterbeverfügung hat die Person schon die konkrete und für alle sichtbare Handlung (Einnahme des Präparat - welches er nur mit einer gültigen Verfügung bekommt) gesetzt und damit seinen freien Willen zum Ausdruck gebracht. Der Schrieb ist nur mehr die Legitimation des Faktischen
Grundsätzlich hat jeder Mensch ein Recht auf Leben, und der Rettungsdienst erfüllt die hoheitliche Aufgabe, dieses zu schützen. Die Gesetzeslage sieht sogar zahlreiche Verpflichtungen vor, dafür tätig zu werden.
Es wurde ein Rahmen geschaffen, die Entscheidung, den Tod hinzunehmen nicht nur zu treffen, sondern herbeizuführen. Diese zwei Rechte stehen in einem gewissen Gegensatz. Du hast natürlich völlig Recht, dass der Betroffene das Recht hat, seine Entscheidung umzusetzen und jeder andere das zu respektieren hat.
Trotzdem bleiben in dieser Konstellation diverse diffuse Zustände. In meinem Einsatzbereich ist die Prüfung einer Verfügung vor Beginn der Reanimationsmaßnahmen ausgeschlossen. Zetgleich nur bei ausreichenden Ressourcen. Weil die dafür notwendige Zeit einen erheblichen Schaden bedeuten würde, wenn diese Prüfung negativ ausfällt. Und wie die Vorredner schon erwähnt haben, sollte bei einem geplanten Suizid schon auch bedacht werden, dass man niemanden zur Reanimation herbeiruft. So wie man es ja auch zuvor bei Palliativpatienten schon immer beachten musste, Verfügung hin oder her.
Wenn die Umstände klar scheinen, kann jeder Notarzt, Sanitäter oder Polizist die Entscheidung treffen, sich mehr Zeit zu lassen bzw. die Hilfe erstmal zu unterlassen. Das Gesetz bietet aber keinen klaren Rahmen für diese Abweichung, bei korrekter Interpretation der Situation wird es aber vermutlich kein Richter dieser Welt verurteilen.
Muss man auf biegen und brechen Reanimieren? Menschlich kann ich klar „Nein“ sagen.
Rechtlich wirst du aber schwer argumentieren können, warum du erstmal 5 Minuten nicht reanimiert hast, bis sich rausstellt, dass die „Sterbeverfügung“ ein Fantasiedokument war.
Muss man davor irrationale Angst haben? Nein.
Aber wenn uns jemand ruft um zu Helfen sind die Umstände ganz klar nicht eindeutig, der Sterbewille nicht eindeutig geklärt. Die helfende Person sollte in diesem Fall so aufgeklärt sein, den Zugang zu Verweigern. Aber auch diese kann durch die Finalität des Todes plötzlich perplex sein. Die Wenigsten schaffen einen Abschluss mit der Situation, bevor der Tod wirklich final ist.
Wie jeder gewünschte Tod, wird auch eine Sterbeverfügung immer eine Individualsituation sein, die nur unter Betrachtung aller Umstände bewertet werden kann. Und im Zweifel ist es halt schon unser Grundprinzip, jedes Leben zu erhalten.
Wie oben beschrieben sehe ich das nach korrekter Einnahme des Präparates nicht so. Das ist (wenn wir jetzt mal Fremdverschulden ausschließen) eine klare und willentliche Handlung der Person. Der Sterbewille ist damit zum Ausdruck gebracht, auch wenn man sich die Formalauflagen bis zum Erhalt des Präparates ansieht. Mit einem Fantasiedokument bekommst das nämlich nicht.
Ich lass mir hier eine schwierige Situation einreden wenn das Präparat nur teilweise eingenommen wurde. Hier könnte man überlegen ob es eine Willensänderung war oder einfach nur eine fehlerhafte Einnahme war. Aber auch hier hat die ÖGARI in einer Stellungnahme festgehalten, das Reanimationsmaßnahmen nur zulässig wären wenn begründete Zweifel bestehen. CTC ist jedoch angebracht.
Aber nicht gleich mit dem Mindest in die Situation gehen „das ist mir zu komplex ich drücke auf jeden Fall mal bis der Notarzt da ist“.
Ich bin schon bei dir, wenn ein chronisch Kranker im Pflegebett liegt, Flasche daneben und die Hilfsperson vehement auf die Sterbeverfügung hinweist, dann sollte man schon die Umstände beachten. Nur ist die Realität in meiner Erfahrung selten so eindeutig.
Ich hoffe doch darauf, dass 99% dieser Fälle schon bei der ärztlichen Beratung ganz klar den Hinweis bekommen, niemanden im primären Notfallsystem zu alarmieren. Der auslösende Fall basiert ja auch nur darauf, dass eine dritte Person die Rettungskette in gang gesetzt hat.
Und spätestens wenn diese sagt „Tante Mitzi will garnicht sterben, Onkel Lukas redet ihr das nur ein“ kannst du nicht sagen „oh alles eindeutig, ich reanimiere nicht“. Und wer weiß, was für Infos wir weitervermittelt bekommen.
Ich bleibe dabei, es spielen so viele (menschliche) Faktoren bei diesem Thema mit und Sterben ist an sich schon ein schweres Thema. Die Bewertung wird hier immer im Einzelfall passieren müssen. Ich kann mir nicht vorstellen hier über andere Mannschaften zu urteilen.
Das finde ich weniger künstlich, sondern professionell: bevor ich irgendwelche Maßnahmen setze, sollte ich sichergehen, dass ich sie am richtigen Patienten setze. Aber selbst, wenn dieser Schritt weggelassen wird, benötige ich einfach Zeit, um eine Sterbeverfügung o.Ä. zu prüfen. Denn wir wollen ja dem Willen des Patienten, nicht dem Willen des Angehörigen entsprechend handeln, die nicht unbedingt ident sein müssen.
Wenn du in dieser Zeitspanne nichts tust, dann ist das deine individuelle Entscheidung und sicherlich ethisch zu rechtfertigen. Ich sehe es etwas anders und bin der Meinung, dass, wenn der RD zu einem Pat. mit Sterbeverfügung o.Ä. gerufen wird, die Situation in keiner Weise so eindeutig klar ist - und ich zuerst Maßnahmen setze und dann, wenn die Ressourcen das zulassen, die Verfügung prüfe und meine Maßnahmen dann ggf. adaptiere oder ganz einstelle. So, wie man es übrigens quer durchs Land auch in den rechtlichen Grundlagen lernt.
Ich kann mich nur der Volksanwaltschaft anschließen: das kann nur auf systemischer Ebene angegangen werden. Deshalb ist ja die vage strafrechtliche Drohung so absurd für mich.
Hui, das wurde aber schnell ein langer, spannender und sachlicher Thread. Kompliment an die Diskutierenden.
Meine Meinung dazu:
Unklare Situationen im Rahmen eines Kreislaufstillstandes sind problematisch, weil eine Verzögerung der Hilfeleistung unweigerlich zum sicheren Tod führt.
Trotzdem müssen wir uns - in diesem Fall halt innerhalb von Sekundenbruchteilen - entscheiden, welche Maßnahmen indiziert sind und welche nicht. Gerade bei einem Kreislaufstillstand wird man wohl eher mit der Reanimation beginnen, „weil aufhören geht immer noch“.
Womit ich aber gar nicht kann, sind absolute Wahrheiten oder Pauschalaussagen… „man muss immer beginnen“, „das kann ich als Sanitäter nicht entscheiden“ usw. Das ist einerseits sachlich falsch, andererseits eine Herabwürdigung des Berufsbildes. Wir sind dafür da, diese Entscheidungen zu treffen. Dass die Ausbildung dafür nicht ausreicht, steht auf einem anderen Blatt. Unsere Reaktion darauf darf aber nicht sein, unsere Verantwortung zu verleugnen, sondern eben eine bessere Ausbildung zu fordern.
Zum konkreten Fall: Aussagen wie „das Papierl interessiert uns nicht“ sind natürlich ein Blödsinn.
Ich überlege, wie man in der Praxis aus so einer Nummer wieder rauskommt. Ich denke, dass einmal BLS laufen muss, und dann seilt sich einer aus dem Team halt ab und beurteilt die vorgelegten Dokumente.
Noch zu dem Thema „aber was ist, wenn die gefälscht sind“. Meiner Meinung nach liegt da die Verantwortung nur sehr gering bei uns. Wenn das, was ich vorgelegt bekomme, für mich glaubwürdig wirkt, dann bin ich nicht mehr dafür verantwortlich, wenn ich im Rahmen eines perfid geplanten Mordkomplotts betrogen werde. Ich halte die Ängste da für massiv übertrieben, dass man uns als Sanitäter verantwortlich macht, dass wir gefälschte Dokumente, falsche Behauptungen… nicht in Sekundenbruchteilen enttarnen.
Wie sehen das Menschen, die juristisch bewanderter sind?
Du hast in einem solchen Fall keine Pflicht einer vertiefenden Prüfung. Du darfst auch davon ausgehen nicht vorsätzlich getäuscht zu werden. Wenn die Situation für dich glaubwürdig ist und du keinen begründeten Verdacht gegen die Sterbeverfügung hast, dann ist die Reanimation zu unterlassen.
Bei der Patientenverfügung sehe ich deinen Ansatz als valide an und ist mit §12PatVG auch so normiert. Auch weil eine Patientenverfügung deutlich komplexer ist und nur das reine Vorliegen einer solchen PatV nicht automatisch den Ausschluss von Reanimationsmaßnahmen beinhalten muss.
Bei einer Sterbeverfügung sehe ich das anders. Hier geht es genau um eine Handlung, jene die der Pat vor mir zeitnah vor meinem Eintreffen gesetzt hat. Damit ist seine Wille für mich klar erkennbar und wenn ich in der Situation nicht begründete Zweifel habe sind BLS Maßnahmen für mich zu unterlassen. Auch nicht ein bisl drücken. Das wäre klar gegen seinen Willen und die unmittelbar gesetzte Handlung des Patienten.
Als Beispiel für begründete Zweifel, es ist in der Situation gar nicht klar ob das Präparat überhaupt genommen wurde und es läge laut Angehörige nur eine Sterbeverfügung vor (Hören Sagen). Hier wären für mich nicht genug Anhaltspunkte gegeben um den Willen zu erkennen und BLS Massnahmen bis zur weiteren Abklärung indiziert. Im Fall des VA war es jedoch anders. Hier wurde sowohl erkennbar das Präparat genommen, es lag klar die schriftliche Verfügung vor. Es bleibt letzendlich immer eine Einzelfallentscheidung und wird davon abhängen ob ich in der Situation, mit gebotener Sorgfalt, den Patientenwillen erkennen kann.
Ich verstehe schon das moralische Dilemma in das wir in der Situation kommen. Wir sind darauf gedrillt zu helfen, das ist unsere Natur als Rettungsdienst. Wir müssen halt auch lernen zu akzeptieren, dass zu einem selbst bestimmten Leben auch das Recht auf ein menschwürdiges und selbst bestimmtes Sterben gehört. Das ist ein Grundrecht eines jeden von uns. Deswegen sehe ich das auch wie du, pauschale Aussagen wie „das Papierl interessiert mich nicht“ stellt potentiell eine Grundrechtsverletzung dar.