Mal ganz abwegig gedacht. Wie sind die Polizei / Rettung überhaupt in die Wohnung gekommen?
Also wenn meine Partnerin ihr Leben gerde aktiv beendet, gehe ich da an die Tür wenns klingelt???
Ähh… Ich geh’ ja schon nicht mal an die Tür, wenns klingelt aber ich niemanden erwarte.
Ich lebe in der Hinsicht definitiv nach dem EAV-Song „DingDong“:
Mach nie die Tür auf, laß keinen rein!
Mach nie die Tür auf, sei nie daheim!
Ist erst die Tür auf, dann ist’s zu spät,
denn du weißt nie, wer draußen steht!
Als „juristisch bewanderter“ Sanitäter darf ich auch hier Stellung nehmen: Es fehlt im Sterbeverfügungsgesetz ein Äquivalent zu § 12 PatVG, ich denke aber es gilt (man müsste hier analog anwenden) dieser (bzw dessen Inhalt) auch in Situationen, in denen die errichtete Sterbeverfügung in die Tat umgesetzt wird. Das heißt erstens, dass keiner dazu verpflichtet ist in einer Reanimationssituation nach einer Sterbverfügung zu suchen (wenn sie nicht in der Umgebung des Patienten ist; es muss also niemand standardmäßig an die Möglichkeit einer Sterbeverfügung denken) und zweitens, wenn die Verfügung und das (leere, nicht verschütttete oder erbrochene!) Präparat (dessen Wirkstoff und Einsatzgebiet man mE als Sanitäter schon kennen sollte) direkt beim Patienten befindlich sind, solange reanimieren bzw behandeln (wie bei der Patientenverfügung!) bis eine*r Zeit hat, sich das genau anzusehen (und hier pflichte ich jedoch dem bei, was oben gesagt wurde: Die Sachlage wird wohl schnell klar sein).
Sobald ein NA eintrifft und das Präparat aufliegt, nicht der Anschein eines Widerspruchs vorliegt (durch Erbrechen, nicht vollständige Einnahme, Äußerungen etc.) vorliegt, ist spätestens dann dem Sterbewunsch durch Abbruch aller kurativer Maßnahmen Rechnung zu tragen.
Für die Zeit vor Eintreffen des NA bin ich im Zwiespalt: Weil natürlich das Vorliegen einer Sterbeverfügung und vor allem des Prärparats oft recht schnell Aufschluss über die Situation gibt (und es wird Sterbewilligen vorab auch gesagt, dass sie beides + Antiemetikum unmittelbar bei sich klar auflegen sollen, auch für die Totenbeschau etc.), kann man schon zum Schluss gelangen, dass Sanitäter, gerade bei langen NA-Anfahrtszeiten, eins und eins zusammenzählen können müssen. Angesichts der (ceterum censeo…) dürfitgen Sanitäter-Ausbildung im internationalen Schnitt (und der fehlenden Implementation in der San-AV), bin ich mir nicht sicher, ob man Sanitäter in ein solches Dilemma bringen sollte. Jedenfalls haben Sanitäter, die sich damit auskennen und sich eine Entscheidungs dieser Art zutrauen mE nichts zu befürchten, wenn sie nach Evaluierung der Lage eine Reanimation eigenmächtig nicht beginnen. Wenn sie in dubio pro vita reanimieren bis der NA kommt, höchstwahrscheinlich auch nicht.
Das Problem ist natürlich woanders: Der Rettungsdienst hat generell beim assistierten Suizid nach errichteter Sterbeverfügung nichts verloren (wenn kein Widerspruch vorliegt udgl.). Man muss schlichtweg dem vorbeugen, dass der Rettungsdienst zu solche Situationen, in denen alles „nach Plan“ läuft überhaupt dazukommt. Das muss am ehesten im ärztlichen Aufklärungsgespräch erfolgt.
Lange hat’s leider nicht gedauert, bis die Sterbeverfügung im Erbmordkontext aufgetaucht ist:
Die 71-Jährige hatte laut Staatsanwaltschaft eine Sterbeverfügung durchgesetzt – das ist in Österreich dann möglich, wenn eine sterbewillige Person an einer unheilbaren Krankheit leidet. Die entsprechenden Medikamente dazu bekommt man mit einer gültigen Sterbeverfügung in der Apotheke – im konkreten Fall ging es dabei um das tödliche Medikament Pentobarbital-Natrium.
Dieses soll der Verdächtige der Frau gegeben haben, laut Staatsanwaltschaft bestehe aber der Verdacht, dass die 71-Jährige zu diesem Zeitpunkt gar nicht „sterbewillig“ war und „der Beschuldigte sie dazu veranlasst hat, die tödlichen Medikamente zu sich zu nehmen.“
Ohne die konkreten Fälle im Detail zu kennen (den im Thread diskutierten und den im ORF erwähnten) und zu diesen eine Debatte lostreten zu wollen: ein bisserl Vorsicht ist hier leider tatsächlich angebracht.
Ich bin über den Artikel vom Falter gestoßen heute Nachmittag, und weiß auch nicht ob er genau in diesen Thread passt. Jedenfalls ist er für mich, als jemand der potenziell so einen Menschen nach diesem Wunsch auffinden könnte (wie in diesem Thread beschrieben), sehr lesenswert.
Als empathischer Sanitäter versuche ich mich ja immer in meine Patienten hineinzuversetzen, nur kann ich mit einem Verstorbenen leider nicht mehr reden. Dieses Interview gibt Einblicke, die einem normalerweise verborgen bleiben würden.
Herzlichen Dank an Hr. Glattauer, für diesen emotionalen und ehrlichen Einblick in sein Leben. Möge er in Frieden gehen können.