(Bericht) CPR Maßnahmen bei ass. Suizid

Sehe ich genauso, das wäre ein Weg.
Deshalb ist mir ja auch die vage „Drohung“ mit strafrechtlichen Maßnahmen so unverständlich, was soll das bringen? (Ganz abgesehen davon, dass ich auch die von Seewinkel oder MICA aufgezählten Delikte für entweder nicht zutreffend oder für rechtfertigbar halte.) Das wird maximal für mehr Verwirrung sorgen …

1 „Gefällt mir“

Jeder RS oder NFS, der zu einer CPR kommt, kennt Barbiturate? Kennt das spezifische Präparat? Nie im Leben.
Aber mein Punkt ist ja - nur, weil mir ein vermeintlicher Angehöriger ein Präparat vor die Nase hält und sagt: „die Schwiegermama wollte es so, auf dem Zettel stehts drauf“ heb ich ja nicht die Hände, dreh mich um und gehe wieder. Beginn mit BLS, bis die Ressourcen da sind, um die Angaben zu prüfen (Sterbeverfügung, Ausweis) - und dann wird abgebrochen.

Das ist ein ganz ganz schwieriges Thema. Ich versteh die Aussage die oft kommt, dass ich im Zweifel zum reanimieren anfange.

Andererseits kann es nicht sein, dass Patienten gegen ihren Willen behandelt werden. Und in diesem Fall war der Wille so stark, dass es sogar einen Schrieb vom Notar gab. Die Dame wollte keine Wiederbelebung. Keine HDM, keine Beatmung und co. Dieser Wunsch MUSS uns was wert sein. Und eine HDM im Zweifel ist genauso eine HDM und kann die Dame in einen Zustand zurück holen, in dem sie auf keinen Fall sein will.

Also ich kenn das spezifische Präparat nicht und weiß auch nicht wie dieser Zettel aussehen soll. Ich habe weder in meiner Ausbildung noch danach jemals eine Patientenverfügung gezeigt bekommen nur im Selbststudium hab ich mir das mal angeschaut…

3 „Gefällt mir“

Nicht böse gemeint, aber ob du weißt, wie das Formular ausschaut oder ob du von deiner Hiorg über das Thema geschult wurdest, ändert genau gar nichts an der Gültigkeit der Verfügung.

1 „Gefällt mir“

Das ist mMn. ein zu einfacher Ausweg, den ein verantwortungsvoller Sani nicht nehmen sollte.
Das spricht komplett gegen den Wunsch, ein kompetenter Mitarbeiter des Gesundheitswesens sein zu wollen.

In unklaren Situationen, ja bitte. Da kann man das sicherlich so machen.
Aber regelhaft davon auszugehen, dass ja was schräges dahinter stecken könnte und „rechtlich“ auf Nummer sicher gehen und die Verantwortung an andere abschieben zu wollen, ist definitiv falsch. So machens viele Leitstellen mit uns, und darüber regt man sich ja auch ständig auf, dass zu jedem Scheiß ein RTW entsandt wird ohne begründung, nur weil die Leitstelle ja keine Fehler machen will und übervorsichtig agiert.

Kleine Anekdote dazu aus eigener Erfahrung:
Wir werden als RTW alarmiert (inkl. NEF) zu einer älteren Person mit „akuter Atemnot“.
Wir beeilen uns ziemlich - bei Atemnot kann man ja mit einfachsten Mitteln schon viel ausrichten - und sind daher auch einige Zeit vor dem NEF vor Ort (kommt vom gleichen Standort).

Vor Ort liegt der Pat. im Pflegebett. Offensichtlich ohne Atmung. Angehörige rundherum. Nach einem ersten Notfallcheck kommen wir zum Schluss, dass der Pat. reanimationspflichtig ist. Beim öffnen des Hemds werden wir gefragt „was wir denn jetzt vor haben“.
Nachdem der Pat. reanimationspflichtig war und ja von den Angehörigen vor Ort die Rettung alarmiert wurde, gingen wir grundsätzlich davon aus, dass wir etwas machen hätten sollen und erklären den Angehörigen die Situation.

Es war dann recht schnell klar, dass es sich um eine palliative Situation gehandelt hat und die „Atemnot“ vmtl. agonale Atmung gewesen ist.
Die Angehörigen wurden vom Hausarzt darauf vorbereitet und er hat ihnen Morphinspritzen gegeben um dem Pat. das gehen sterben zu machen. Sie haben aber die Sicherheitsverpackung nicht geöffnet bekommen und wollten dafür unsere Hilfe.

Die Situation war also recht klar. Rechtlich aber schwierig, da keine sicheren Todeszeichen vorhanden waren und ich somit hätte reanimieren müssen. Verfügung gab es leider keine (gab es damals auch nur seltenst).

Hier auf biegen und brechen zu reanimieren bis das NEF kommt und den Angehörigen den friedlichen Abschied zu verweigern war einfach undenkbar.
Daraufhin wurde den Angehörigen „geraten“ uns von der Hilfeleistung „abzuhalten“.

So konnten wir in einer rechtlich blöden Situation trotzdem noch einen würdevollen Tod für den Pat. und Abschied für die Angehörigen ermöglichen. Die Situation vor Ort war durchgehend ruhig und unaufgeregt.

1 „Gefällt mir“

In einer idealen Welt hast du absolut recht. Aber den Willen der Patientin muss ich erst einmal ergründen, ebenso wie die Begleitumstände - und das kann ich nun einmal nur tun, wenn ich gleichzeitig (zumindest) BLS etabliere. Wenn ich nach fünf Minuten dann feststelle, dass zB die Sterbeverfügung abgelaufen war, ich die Identität der Patientin nicht sicher feststellen kann, die Patientin ihre Meinung doch noch geändert hat, etwas bei der Einnahme schiefging und die Patientin gerade tatsächlich leidet - dann kann ich halt nur sagen „ah, bled“ …

2 „Gefällt mir“

Da hast du recht!
Hast du als takeaway Ressourcen mit denen ich mich weiterbilden könnte?

Puhhh nein. Beim RK gibt es irgendein Elearning. Aber mehr kenne ich auch nicht.

1 „Gefällt mir“

Ich habe vor einiger Zeit mal irgendwo - vll sogar hier - eine offizielle Erhebung zu dem Thema assistiertem Suizid gelesen.

Anscheinend gab es bisher noch keine gröberen Probleme damit im Sinne von fehlerhafter Einnahme / erbrechen des Mittels etc. in Österreich.

Die Dosis des Mittels ist angeblich schon so hoch gewählt, dass auch die Hälfte davon noch mehr als zum Ziel führt.

Schau, ich unterstelle auch allen Kolleg*innen, die beim beschriebenen Einsatz vor Ort waren, dass sie verantwortungsbewusst handeln wollten und das auch getan haben. Ich denke aber aus den beschriebenen Gründen dass es auch in Zukunft zu solchen Fällen kommen kann und wird.
Daher müssen wir systemisch denken und verhindern, dass in solchen Fällen Rettungsmittel (und First Responder!) zu solchen Fällen entsandt werden, weil es dann nämlich zu spät ist. Ein zentrales Register, mit einem Leitstellensystem verbunden, wäre z.Bsp. ein Ansatz.
Und entsprechende Schulung der Angehörigen inkl. „Notfallnummer“ von zB verantwortlichen Palliativmedizinern, damit da überhaupt nicht der Notruf gewählt werden muss.

P.S.:
Sterbeverfügung_Leitfaden_für_die_Praxis_Stand_10.06.2024.pdf (307,8 KB)

1 „Gefällt mir“

Den Fall hier kommentiere ich eh nicht mehr weiter, weil keiner weiß was wirklich die Situation war. Wir wissen ja nicht mal ob die „Reanimation“ nur 1-2 Minuten gedauert hat.

Vll. wurde nur ein EKG geklebt und gar keine HDM durchgeführt? Wissen wir nicht.
Vll. reden wir auch über gar nix und der Bericht ist einfach maßlos übertrieben und alles ist eh optimal gelaufen nach eintreffen des RD?

Man muss ja auch bedenken, dass der Bericht von einem Menschen kommt, der grade den Tod seiner Partnerin verkraften muss. Vll. würde der Bericht in einem Jahr ganz anders aussehen und es spricht vll. nur der Schock aus ihm?

2 „Gefällt mir“

Da wuerde ich gerne verstehen warum nicht?

Wenn dir ein Pat seinen Willen äußert, egal ob mündlich oder in diesem Fall schriftlich, dann hast du diesen zu respektieren (sofern der Pat dazu in der Lage ist seinen freien Willen zu äußern).

Handelst du gegen seinen freien Willen, ist das eine eigenmächtige Heilbehandlung und nach dem StgB strafbar.

Die einzige Schwierigkeit die wir hier haben ist den Patientenwillen zu erkennen. Das ist aber bei der Sterbeverfügung mit bereits eingenommenen Präparat sogar einfacher als mit der Patientenverfuegung.

Der Gesetzgeber gibt uns nur den Freiraum, dass wir keine unnötige Zeit mit der Suche vergeudeb müssen

Erstens aus formalen Gründen - §110 StGB ist ein Privatanklagedelikt und ich bezweifle, dass ein Toter noch eine Berechtigung zur Anklage besitzt :wink: da kann ich aber nicht ausschließen, dass das doch geht, in meinen Kommentaren hab ich dazu nichts gefunden.
Zweitens schreibst du selbst, dass die Schwierigkeit (nur) darin besteht, den Patientenwillen zu erkennen. Wenn trotz sicher erkanntem Willen trotzdem weiterreanimiert wird, dann wird es unzweifelhaft (v.a. ethisch) problematisch. Ansonsten aber muss den Einsatzkräften ein Zeitraum eingeräumt sein, um den Willen des Patienten (und seine Identität!) zu ergründen, was auch beschrieben ist:

Absatz 2:

Hat der Täter die Einwilligung des Behandelten in der Annahme nicht eingeholt, daß durch den Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Behandelten ernstlich gefährdet wäre, so ist er nach Abs. 1 nur zu bestrafen, wenn die vermeintliche Gefahr nicht bestanden hat und er sich dessen bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt hätte bewußt sein können

Das ist doch genau unser Szenario …

Naja ich glaub nicht das man auch als Arzt alle Medikamente kennt. Wie sollen zB zwei RS solche speziellen Med. kennen?

1 „Gefällt mir“

Nachdem ich von Juristerei nicht wirklich Ahnung habe (bis auf die Basics die man so mitbekommt in seinem leben), wäre/ist mein Ziel mich so zu verhalten das ich es fundiert begründen kann und mit einem guten Gewissen vom Richter stehe.

Nachdem ich mir nicht zutraue eine Sterbeurkunde korrekt zu beurteilen, würde ich im Zweifel auch mit BLS beginnen.

Für mich ist das größte Learning aus dem Bericht und der Diskussion, dass es eindeutig mehr Fortbildungen (evtl. Pflichtfortbildung 2026?) dazu braucht. Wenn jeder Sani so etwas zweifelsfrei erkennen kann, ist das für uns und die Patienten wahrscheinlich das beste und man muss sich nicht zwischen Patientenwunsch und eigene Absicherung entscheiden.

Es gibt nur ein Präparat das zugelassen ist und das hat auch klare Anforderungen an die Kennzeichnung. Dazu gibt es auch eine entsprechende Verordnung.
https://www.arztnoe.at/allgemein/news/news-details/verordnung-zu-den-sterbeverfuegungspraeparaten

1 „Gefällt mir“

Nein, weil die Gefahr ja besteht, der Patient aber klar seinen Willen geäußert hat und dafür auch viele Huerden und zwei Ärzte durchlaufen hat um seinen freien Willen auch umsetzten zu duerfen.

Wenn wir bei einer Sterbeverfügung apriori davon ausgehen dass der Patient aber doch eine Reanimation möchte, dann waere die Verfuegung nutzlos und inhaltsleer.

Ich glaube es fällt uns als Sanitäter in der Situation halt schwer einfach nichts zu tun und den Willen anzuerkennen. Das entspricht nicht unserem Naturell. In diesem Fall ist dem Pat aber damit geholfen nichts zu tun und seinen freien Willen umsetzen zu lassen.

Du weißt aber nicht einmal, ob der Patient, der vor dir liegt, tatsächlich der ist, von dem die Patientenverfügung handelt! Ganz abgesehen davon kennt das Sterbeverfügungsgesetz keinen verpflichtend zu verwendenden Vordruck, sondern nur gewisse formale und inhaltliche Voraussetzungen. Die kennst du auswendig und überprüfst in 10 Sekunden? Ich nicht - und es würde mich wundern, wenn sie jede*r Mediziner oder Jurist kenne würde.

Zum Präparat: derzeit ist nur Natrium-Pentobarbital zugelassen, das lässt sich aber durch Verordnung leicht ändern. Ich bin vielleicht am neuesten Stand, was die Verordnungen zum SanG betrifft, aber zur Sterbeverfügung? Kaum. Oder jedenfalls nicht zuverlässig.

1 „Gefällt mir“

Das ist mMn der wichtigste Aspekt. Wie wir uns im Zweifel verhalten ist allen klar und wurde jetzt schon mehrmals geklärt.

Aber schon bei der RS Ausbildung ist Recht ein Teilbereich. Ich erwarte mir schon von uns - als Berufsgruppe die professionell arbeiten und so gesehen werden will - das wir da Bescheid wissen.
Sich darauf ausreden das man kein Jurist ist o.ä. darf nicht der Standard werden.
Ich denke auch, dass die meisten Ärzte da eine schnelle, fundierte Entscheidung treffen können (und müssen).

Dass da schon in der Ausbildung nachgebessert werden muss ist ein anderes (wichtiges) Thema.