Todesnachricht nach Suzid

Ich habe vor einer Woche das erste Mal eine Todesnachricht von einem erfolgreichen Suizid überbringen müssen. Der Mann hat sie mit Schnitten an der Hand gefunden und wir konnten nicht mehr viel tun. Es war mein erstes Mal so eine Nachricht überbringen zu müssen und mit dem Gatten bis zum Eintreffen des KiT warten zu müssen. Mit zwanzig einem 60-jährigen so etwas zu erzählen ist schon etwas komisches.
Den Hinterbliebenen von dem Tod eines alten Angehörigen zu erzählen, bei welchem es an der Zeit war zu gehen, ist etwas ganz anderes meiner Meinung nach.
Ich glaube, ich habe das gar nicht mal so schlecht gehandelt, aber würde gerne nach Tipps und Ratschlägen von der erfahrenen Mannschaft hier fragen.
Danke!

Ganz wichtig in meinen Augen:

Reden, Reden und nochmals Reden!

Wenn die ganze Situation an dir nagt und du das Gefühl hast , dass es alleine ned mehr weg geht , dann hol dir auf jeden Fall Hilfe durch einen SvE-Peer oder durch einen Kollegen der mit dir die Situation aufarbeitet.

Das schlechteste was du jetzt machen kannst ist die Situation hinunterzuschlucken oder zu locker zu Nehmen.

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Ich denke für die Angehörigen ist es wichtig empathisch, mitfühlend und gleichzeitig unmissverständlich zu sein. die SItuation ist wie sie ist, und daran kann niemand was ändern, aber die Art wie damit umgangen wird bestimmen wir.

Für Dich und Dein Team: Wenn es euch schlecht geht wendet euch an Kollegen mit denen ihr gut steht oder an die PEERs.

Wenn es euch schlecht geht oder es euch beschäftigt ist das übrigens eine normale Reaktion auf ein nicht normales (im Sinne von außergewöhnliches) Ereignis.

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Danke, mir geht’s gut. Ist jetzt so nicht das erste Mal. Für mich war das Gespräch mit den Angehörigen herausfordernd, weil man nicht ganz weiß was man sagen soll.
Wir haben dann über Glauben und über die Menschen gesprochen auf die er sich jetzt verlassen kann.

Kurze Frage, du bist Sanitäter (?)
Wo war der/die Notärztin. Ich finde, das ist ja primär auch eine Aufgabe des feststellenden Arztes, diese Nachricht zu überbringen. Oder war das NEF noch lang in Anfahrt und die Angehörigen waren bei euch?

Ja bin ich. NA hat zwar kurz gesagt was Sache ist, aber ist halt gleich wieder weiter zu einem Folgeeinsatz.

Kenn mich aus. Ist natürlich echt ungünstig. Prinzipiell empfinde ich es als ziemliche Zumutung einen Sanitäter, der damit keine Erfahrung hat einfach im Regen stehen zu lassen. Die Aufgabe des Arztes, der die Feststellung des Todes macht, reicht meines Erachtens eben auch so weit, dass er sich zumindest eine gewisse Zeit für die Überbringung und Beantwortung einiger wichtiger Fragen nimmt.
Eine Ausbildung diesbezüglich haben wir Sanis nämlich einfach nicht.
Ich bin mir sicher, du hast dein Bestes getan um diese Situation gut abzuhandeln. Wichtig ist, dass du schaust, dass es auch dir damit gut geht und du das richtig verarbeiten kannst!
Alles Gute!

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Um deine Frage konkret zu beantworten (Achtung: möglicherweise gefährliches Halbwissen):

Das wichtigste ist keine Floskeln zu verwenden und nicht um den heißen Brei herum zu reden („Herr/Frau X ist tot. Es tut mir leid ihnen das sagen zu müssen.“).
Danach muss man darauf gefasst sein, dass jeder Mensch unterschiedlich reagiert - von stillem hinnehmen bis schreien ist alles möglich. Der Trauerreaktion hier einfach Raum geben und da sein. Anerkennen, dass es eine schlimme situation ist und nicht beschönigen („wird schon wieder…“).
Sofern zutreffend: sobald die erste Trauer trauerreaktion vorbei es ist, die Angehörigen mental darauf vorbereiten das jetzt noch die Polizei dazu kommt, das das ein Standardvorgehen ist und kein Verbrechen unterstellt wird.

Wenn es Fragen gibt, diese möglichst ehrlich, aber situationsangepasst, beantworten (soll heißen z.B. Schuldzuweisungen, insb. an die Hinterbliebenen vermeiden!). Es ist außerdem keine schande zu sagen, dass man etwas nicht weiß und an stellen zu verweisen die das wissen können.
Häufige Fragen die Angehörige haben und auf die man vorbereitet sein sollte:

  • Hätte ich mehr tun können? (144 wurde gewählt, es ist eine völlige Außnahmesituation, also grundsätzlich nein!)
  • Was passiert jetzt mit dem Leichnam? Wie geht es jetzt weiter? (Sieh dir an welche Bestatter es in deiner Umgebung gibt und unter welchen Bedingungen die Polizei nachzufordern ist, etc.)

Hilfsangebote (KI, etc.) aufzeigen, aber nur anfordern wenn die Hinterbliebenen dass auch wollen. Angebote abseits der Offiziellen kanäle wie z.B. Priester und Vertreter anderer Religionen in Betracht ziehen! Ich habe auch schon um 08:00 bei einem Pafarrheim geklingelt weil das direkt neben dem Einsatzort war.

Ansonsten gibt es aber leider kein Patentrezept und mMn. sind das einige der schwierigsten Situationen die einem im RD begegnen können.

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Was ich einfach gemerkt habe war, dass es geholfen hat ihm zu erklären, dass er sich jetzt nicht um all die tausend Dinge kümmern muss die in seinem Kopf schwirren, sondern zwei Kinder (aus früherer Ehe) hat auf die er sich jetzt verlasse kann. Sehr gut funktionierte auch mit ihm über seinen Glauben zu sprechen. Auch gesagt zu haben, dass wir alles versucht haben und er auch nichts weiteres tun konnte, weil Menschen mit suizidalen Absichten immer einen Weg finden werden, war anscheinend wichtig.

Ich glaube @Tragsesselmeister hat echt recht, „Alles wird gut sollte man echt vermeiden“

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Also gerade heutzutage kann man als Notfallsanitäter doch häufig in die Situation kommen so eine Nachricht überbringen zu müssen. Denken wir an Haustüröffnungen (RTW solo) oder sichere Todeszeichen(NEF wird Storniert).

Ich schau immer das die Person sich wenn möglich hinsetzen kann und das Ruhe geschaffen wird. Anschließend sage ich unmissverständlich was Sache ist:
„Wir konnten XY nur noch Tot auffinden, es liegen eindeutige Zeichen vor das der Tod schon vor mehreren Stunden eingetreten ist. Mein Beileid“ zB.

Ich gebe den Angehörigen die Möglichkeit zum Leichnam zu gehen und sich zu verabschieden. Mache sie aber auch ggf auf einen unschönen Anblick im voraus aufmerksam.

Im Anschluss erhebe ich alle Notwendigen Daten für das weitere Vorgehen nach SOP und kläre ab ob zB die Polizei benötigt wird.

Dies teile ich dann den Angehörigen mit. Auch wie das weitere Vorgehen ist(zB warten auf die MA15, Rückruf durch diese, Wartezeit oder dgl).

Ich stelle sicher das zB Angehörige kommen und ich den Angehörigen nicht mit dem Leichnam alleine lasse, wenn nicht gewünscht. Eine ABW Verständigung biete ich an.

So mach ichs zumindest.

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Aber jetzt spezifisch zum Thema Suizid-habt’s ihr da irgendwas genaues, hilfreiches?
Weil zu sagen er wollte es so, ist sicher nicht förderlich…
Wir haben ihm auch abgeraten in die Wohnung zu gehen.

Ich würde das Thema an deiner Stelle auch mit jemanden vom KI besprechen, weil die damit ja sehr oft konfrontiert sind und dir auch viele Fragen besser beantworten können noch. Auch einen Peer aufzusuchen ist kein Fehler, selbst wenn es dir jetzt augenscheinlich gut geht wie du sagst, offene Fragen nach so einem Einsatz zu haben ist halt fürs Wohlbefinden trotzdem meiner Erfahrung nicht gut. Ein Debriefing mit der kurz anwesenden NEF Mannschaft könnte man auch in Erwägung ziehen, auch der/die NA kann hierzu auch mögliche Optionen sicher gut besprechen weil Sie die Situation ja auch trotzdem gesehen haben. Fürs Wohlbefinden, und um daraus zu lernen - Optionen gibts viele, und ich habe aus solchen Gesprächen immer profitiert.

Fakt ist, falsch hat man da sicher nichts gemacht, passiert ist es schon bevor unser Pager läutet - und alleine das wir in dieser Situation auch schnell Klarheit bringen, hilft den Angehörigen. Props an dich das du auch hier das Thematisierst, es ist wichtig über solche Situationen sich auszutauschen. Möglichkeiten wie von mir angeführt zum Austausch würde ich persönlich wahrnehmen, da mir das auch immer viel geholfen hat.

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Wir haben im Studium das (P)SPIKES Modell für die Übermittlung von schlechten Nachrichten gelernt. Wichtig ist, dass man während des Gespräches eindeutig übermittelt was Sache ist: „Ich habe leider eine schlechte Nachricht für Sie. Ihr Angehöriger ist tot“. Die Nachricht sollte direkt sein und keinen Spielraum für Spekulationen oder Sonstiges bieten. Bei emotionalen Äußerungen jeglicher Art kann man dann zB auf das NURSE Modell zurückgreifen als gedankliche Stütze. Stille muss man auch akzeptieren und den Betroffenen Zeit geben die Situation zu realisieren. Das muss man halt dann selbst aushalten, was sehr schwer ist…
Ein paar Dinge, die man nicht machen sollte wurden ja schon erwähnt. Bei philosophischen Fragen/Themen kann man auch durchaus sagen „Darauf habe ich jetzt leider keine Antwort“.

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100% was @Cuvette gesagt hat.

Ich würde evtl. noch ergänzen, dass es manchmal gar nicht nötig ist irgendetwas zu sagen oder gar den Angehörigen ein Gespräch aufzuzwingen. Wenn der Angehörige sprechen möchte, soll er das von sich aus tun. Aber es kann auch sein, dass man 20 Minuten einfach nur daneben sitzt und kein Wort gesagt wird. Es gibt solche und solche.

Ich bin mir grad nicht sicher ob es überhaupt wirklich „erlernbar“ ist, zu erkennen was derjenige gerade braucht. Bzw. ob es eine Sache von Lebenserfahrung, Einsatzerfahrung, gelernter Emphatie, Kinderstube oder eine angeborene Charaktereigenschaft ist. Vll. auch eine Kombination. Schwierig.

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Bei uns gibt es das Pilotprojekt, dass zu gewissen Einsatzcodes automatisch das Kriseninterventionsteam mitalarmiert wird. Find ich eigentlich eine gute Sache, besonders in solchen Fällen.

Wurde schon viel Gutes gesagt, ein paar begleitende Gedanken noch zum Umfeld.

Mir ist es auch immer wichtig eine möglichst würdevolle Umgebung zu schaffen. Nach frustraner Reanimation, sofern keine rechtlichen Aspekte dagegen sprechen, alles von uns vom Patienten entfernen. Die Angehörigen fragen ob wir ihn zB zurück ins Bett legen sollen. Zudecken. usw, usw..

Mir persönlich ist es immer wichtig, bevor ich den Ort verlassen, mein persönliches Beileid für den Verlust auszusprechen. Ist für jüngere Kollegen eher altmodisch, mir ist es ein Anliegen.

Eine gute Zusammenfassung findet man auch hier: Notfallguru - Überbringen schlechter Nachrichten

Und wie schon gesagt, nach dem Einsatz ganz wichtig im Team nachbesprechen. Bei Bedarf PEER. Bitte kein second victim!

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Puh, spannendes Thema.
Suizid macht das ganze natürlich noch problematischer, speziell je jünger der/die Verstorbene ist.

Allgemein zum Thema Tod in der Präklinik möchte ich aber wirklich das Thema rund um Anforderung KI hervorheben.
In meinen ersten Jahren habe ich in solchen Situationen immer sinngemäß gefragt „wollen Sie jemanden zum Reden haben“ und so den Angehörigen das KI angeboten - mit geringer Nachfrage.

Es brauchte eine wirklich hervorragende Schulung eines KI Mitarbeiters bei uns an der Bezirksstelle, der uns seinen Leistungsbereich spekatulär erklärt hat und die Ressource wirklich wichtig gemacht hat und seither von mir viel öfter ins Boot geholt wird und von den Angehörigen viel mehr angenommen wird.

Jetzt biete ich das KI viel mehr als Service an -sinngemäß „Sie müssen jetzt für Ihren Angehörigen einige Dinge erledigen. Niemand ist darauf vorbereitet und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie schwer es jetzt ist. Wir haben Kolleg:innen, die Sie jetzt bei den nächsten Schritten unterstützen können und Ihnen Ihre Fragen beantworten können. Ich möchte Ihnen anbieten, dass ich diese jetzt kontaktiere und diese hier zu uns kommen. Ist das für Sie in Ordnung?“
Die Person kann das KI somit ablehnen, aber muss auch nicht aktiv um diese Hilfe bitten, was eine Hemmschwelle sein kann.
Hatte noch nie einen KI Mitarbeiter der sich dann beschwert hat, wenn er vor Ort nicht gebraucht wurde - deshalb kann ich der automatischen Mitalarmierung durchaus was abgewinnen (übrigends auch bei den Peers - würde die Hemmnis deutlich senken)

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Auch für mich als “jüngeren” sehr wichtig!
Ich stimme allem zu was bis jetzt geschrieben wurde.
V.a. Das man sich auf solche Situationen quasi nicht vorbereiten kann.

Ich hab einen Tipp aus der Praxis. Ich nehme es mir meistens heraus - sofern wir in einer Wohnung/einem Haus sind - aus der Küche ein kaltes Glas Wasser zu holen und den Hinterbliebenen zu geben. Ein paar schlucke tragen oft viel zur Beruhigung bei. Außerdem kann sich die Person an dem Glas “festhalten” (ein bissl so wie man sich bei einer Party mit einem Glas in der Hand wohler fühlt). Das kalte Wasser aktiviert über den Vagusnerv den Parasympathikus. Zumindest ein bissl.

Und das hier so viele erwähnen, dass du auf dich schauen musst kommt nicht von irgendwo. Vielen geht oder ging es so. Oft fallt es einem später - nachts im Bett, beim nächsten Einsatz, etc. - auf.
Darum sei dir nicht zu schade nicht nur hier im Forum darüber zu schrieben sondern auch mit Kollegen oder Freunden darüber zu reden!

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Eine persönliche Empfehlung meinerseits.
Das Video macht einen noch nicht zum Profi, ist aber für Rettungskräfte mal ein guter Startpunkt. Martin Prein bietet auch immer wieder Seminare für Einsatzkräfte an.

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Meine persönliche Meinung, nachdem ich 2x eine Veranstaltung von ihm (Prein) besucht habe: mir hilfts nix.