Kurz zur Situation: Ich bin frischer RS in OÖ, und habe bis jetzt noch keine Reanimation selbst live miterlebt. In der Ausbildung bekommen RS in OÖ gelehrt, dass San1 drückt, San2 klebt derweil die Defi Elektroden und bereitet anschließend die Intubation per LT vor und führt diese auch durch. Bei einer nicht erfolgreichen Beatmung per LT wird auf Beutel Masken Beatmung mit Guedel Tubus gewechselt. Sobald die erste Probebeatmung erfolgreich ist wird auf den Rythmus 30:2 gewechselt. Bis zu diesem Zeitpunkt werden nur Kompressionen durchgeführt und geschockt.
Jetzt hab ich mich mal aus Interesse selbst mit den ERC Guidelines 2021 beschäftigt. In diesen steht, dass man bezüglich der Beatmung mit einfachen Methoden beginnen soll (das würde ich selbst mal als Beutel Maske interpretieren), und diese weiter eskalieren soll bis eine suffiziente Beatmung erreicht wird (bestenfalls durch eine ET Intubation, diese lasse ich jetzt mal weg, da es in OÖ sowieso kaum NKI gibt und ich auch deren Abläufe und Freigaben nicht kenne, andernfalls einen SGA, also in unserem Fall ein LT da wir keine Larynxmasken haben). Außerdem steht als nächster Schritt, dass auch bei einem LT eine Beatmung mit 10min^-1 versucht werden soll, und nur bei einer Leckage auf 30:2 gewechselt werden soll.
Zusätzlich habe ich in den ersten Minuten dieses Videos der MA70 exakt dieses Vorgehen gesehen (natürlich mit direkter ET Intubation durch einen NKI, davor aber eine Beutel Masken Beatmung und als Backup einen LT).
Jetzt ist meine Frage, warum OÖ hier nicht nach den aktuellen ERC Leitlinien arbeitet. Gibt es einen besonderen Grund? Arbeiten NFS nach anderen Abläufen als RS? (Stichwort BLS/ALS)
Ich werde erste nächste Woche dazu kommen die Lehrsanis meiner Dienststelle zu fragen, deswegen wollte ich hier mal eine Meinung des Hiveminds einholen.
Was mich an dem ganzen irritiert, ist die potentiell unnötig lange Zeit in der keine Beatmung stattfindet. Was (zumindest in meinem Emfpinden) für einen stressigeren Ablauf führt, da ich diese Zeit natürlich so kurz wie möglich halten möchte, und das Vorbereiten des LT dauert natürlich seine Zeit. Ich denke, man könnte diese Zeit Sinnvoll nutzen um zumindest mit Beutel Masken Beatmung etwas Luft in die Lungen zu bekommen.
Kurz erklärt: Die Beutel-Masken-Beatmung ist eine sehr schwer zu erlernende Maßnahme…! Gerade bei RS (und auch NFS) geht viel Luft in den Magen. Die SGA kompensiert das Problem, um den Preis einer nur etwas später einsetzenden Beatmung. Das ist ein Benefit für den Patienten. Außerdem ist in der ersten Phase für den Patienten der Strom und die HDM wichtiger.
Eigentlich dauert die Einlage eines LT nicht so lange. Man muss aber diese Maßnahme ausreichend trainieren, um auch Schnelligkeit zu erzielen. Daher regelmäßig üben (inkl. Auspacken und Gel-Anwendung).
Leitlinien kann man grundsätzlich nicht wirklich „einhalten“, sondern maximal befolgen. Diese Bezeichnung kommt nicht von irgendwo, Leitlinien sind keine Vorgaben. Im RK OÖ, ÖRK (und allen anderen Rettungsdiensten in Österreich) ist die „Lehrmeinung“ die tatsächlich geltende Vorgabe. Inwiefern sich die verantwortlichen Chefärzte hier an internationalen Leitlinien orientieren, ist frei in deren Hand. Teilweise ist auch die wissenschaftliche Basis der Leitlinien eher dünn, man kann also über vieles davon streiten.
Gerade wenn du noch keine Erfahrung in dem Bereich hast, würde ich dir eher dazu raten die üblichen Abläufe zu trainieren und nicht im Worst Case mit deinem Team abnormale Vorgehensweisen auszuprobieren.
In NÖ kannst du natürlich, wenn es gut funktioniert, als NFS bei der Beutel Masken Beatmung bleiben und auf den Larynxtubus verzichten.Das war sogar Thema bei der ALS Rezertifizerung.
Wie es als RS aussieht weiß ich nicht.
Sie definieren aber den Stand der Wissenschaft (und werden in weiterer Folge für die Ermittlung des medizinische Standards verwendet) und geben so auch einen Sorgfaltsmaßstab vor.
Aus dem SanG "Sie haben das Wohl der Patienten und der betreuten Personen nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zu wahren. "
Auch der OGH hat schon festgehalten " Damit sind sie - wie Kopetzki (aaO 35) bemerkt - Beweismittel zur Feststellung des haftungserheblichen Standards. Die Missachtung einer anerkannten und auf den konkreten Fall anwendbaren Leitlinie kann prima facie zur Annahme eines Behandlungsfehlers führen. Umgekehrt entsteht durch das Befolgen der Leitlinie ein Indiz für ein pflichtgemäßes Handeln des Arztes ( Kopetzki aaO 35; Juen aaO 222 f)."
Eine Abweichung muss dann schon sehr gut begründet sein und sollte auch durch die Chefärzte wohl überlegt sein.
Das ist leider ein Irrglaube dem man besonders am Anfang seiner Karriere zum Opfer fällt
Gute BVM Beatmung ist gar nicht mal so einfach und will vernünftig erlernt und oft geübt sein.
Außerdem muss man beim Erstellen seiner SOPs (oder auch Lehrmeinung) immer den Spagat zwischen aktueller Stand der Wissenschaft / Best Practice und dem „DAS“ machen. DAS ist der Dümmste Anzunehmende Sanitäter.
Und da scheint es in vielen LVs die Ansicht zu geben, dass die Platzierung des LT durch den DAS, dem Patienten mehr nutzen bringt / weniger Schaden zufügt, als die BVM Beatmung durch den DAS. Auch wenn diese eventuell früher beginnen könnte.
Risiko/Nutzen Verhältnis muss man auch betrachten.
Variante BVM:
Worst case der DAS pumpt den Magen auf bis alles rauskommt, es kommt zur Aspiration etc pp.
Variante LT:
Worst case der Patient bekommt 120 Sekunden später seinen ersten Beatmungshub.
Erscheint mir alles sehr logisch.
Ein Abweichen von den internen Lehrmeinungen hatte ich nie vor, mir ging es nur darum zu verstehen warum uns der Vorgang so gelehrt wird wie er uns gelehrt wird. Das hier die qualitative Beatmung über einer quantitativen/früheren Beatmung steht beantwortet eigentlich auch meine Frage.
Jetzt stellt sich mir noch die Frage, wie sehr man das einführen des Larynstubus an einer Puppe mit einem echten Menschen vergleichen kann? Wir haben in OÖ z.B. auch kein Gel wie in diesem Dokument des Herstelleser empfohlen, macht das einen großen Unterschied? Wird das in anderen Bundesländern standardmäßig mitgeführt?
Eine Auskultation bei liegendem Tubus oder eine Cuffdruckkontrolle wird (meines Wissens nach) auch nur vom NFS durchgeführt. Die Auskultation erscheint mir logisch, da hier wahrscheinlich einiges an Übung erforderlich ist und bei falscheinschätzung wieder zum Thema „DAS“ führt, aber die Cuffdruckkontrolle könnte doch (wenn das Gerät vorhanden ist und man darauf eingeschult ist) auch von RS durchgeführt werden?
Schwierig, aber noch besser als bei allen anderen Devices.
Ich sag immer, die Zunge ist der Endgegner in der Notfallmedizin.
Und genau die ist bei Puppen schlecht simuliert.
Eine echte Zungen eines Reanimationspflichtigen/relaxierten Patienten ist schlaff, glitschig und liegt immer im Weg rum. Das richtige Handling lernt man halt nur am echten Menschen (oder an Leichen). Hier ist m.M.n. der LT aber noch das Device, bei dem der „Kampf“ mit der Zunge am leichtesten ist. LM empfinde ich als schwieriger, über die Laryngoskopie brauch ich glaube ich hier nicht anfangen zu schreiben.
Kurzum:
Nach 12 Jahren im RD, als NKI, nach vielen Trainings, vielen Diskussionen und unzähligen Einsätzen bin ich für mich zu dem Schluss gekommen, dass der LT das Device mit dem Günstigsten Schulungs/Nutzen Verhältnis ist.
Ja, hier deckt sich meine Meinung ausnahmsweise mit dem ÖRK
Ich glaube die Aussage kommt etwas zu kurz.
Und so schwer ist es gar nicht zu erlernen, wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind.
Uns fehlt schlicht das direkte Feedback!
Und das ist das Problem an dem ganzen.
Der Beutel geht immer auseinander, egal wie groß die Leckage ist.
Bei den Beuteln im OP merkst du sofort, wenn etwas nicht dicht ist und du optimieren musst.
Dadurch, dass Beutel und Maske starr miteinander verbunden sind, hast du auch einen extremen Hebel an dem ganzen, was Leckagen fördert.
Und ich sehe draußen beim bebeuteln auch keine Druckkurve. Somit kann sich ein Sani kein Gefühl dafür erarbeiten wie schnell, wie viel und wie fest beatmet werden kann / soll.
Ich glaube, dass schon minimalste Dinge wie 3-4 Stunden OP Praktikum - bei dem man eine handvoll Patienten bebeutelt - wahre Wunder für die Qualität wirken könnten.
Der Stand der Wissenschaft hängt sich nicht unbedingt an den ERC Guidelines auf, nein. Für die meisten Sanitäter ist es vermutlich die verlässlichste Quelle, ein Chefarzt kann aber zu anderen, von der Stichhaltigkeit durchaus vergleichbaren, Meinungen kommen.
Auch reden wir hier von Sanitätern, unsere Guideline ist primär die Handlungsanweisung des Chefarztes. Die Haftungsrelevanz mit einem Mediziner zu vergleichen finde ich gewagt. Aus meiner Sicht würdest du eher Haften, wenn du die Lehrmeinung missachtest und sagst „Aber in der ERC steht xy“.
Ganz viel in den ERC Guidelines ist meines Wissens auch nicht durch Studien gedeckt.
Das ist halt der Unterschied zwischen eminenzbasierter Meinung und evidenzbasierter Guideline wie die ERC, welche den europäischen und in Zusammenschau mit der AHA den internationalen Maßstab in der präklinischen Akutversorgung stellt und daher den Stand der Medizin in diesem Bereich mit bestimmt.
Die Haftungsrelevanz ist für den Sanitäter sogar noch stärker gegeben, da er noch weniger von Guidelines abweichen kann wie ein Mediziner. Sofern deine Lehrmeinung den Guidelines widerspricht hast du zumindest eine Warnpflicht deiner Organisation gegenüber.
Ganz viel ist in den ERC durch Studien gedeckt, deswegen gibt es da so viele Fußnoten drinnen
Ich soll also meinem Chefarzt sagen, dass die Dosierungen der AML nicht den Leitlinien der einschlägigen Gesellschaften entsprechen? Sonst mach ich mich was? Strafbar? Sorry aber das kann ich mir ganz schwer vorstellen.
Ja, du hast eine Sorgfaltspflicht! Sofern dir die Abweichung auf Grund deiner Ausbildung auffallen muss hast du deinen Vorgesetzen davon zu informieren und hin darauf hinzuweisen.
Kann sich ja auch um einen Fehler handeln. Das führt ja durchaus auch zu einer Änderung von Behandlungsleitlinien und einer Anpassung an Guidelines wie zb in NÖ mit der Dosis der Supra Gabe bei der Anaphylaxie. Dort ist zwar noch eine geringe Abweichung drinnen, dieser aber auch begründet und dokumentiert, aber schon mal deutlich besser als zuvor oder in anderen LVs mit erheblicher Unterdosierung.
Wir wollen als Profis in Zukunft wahrgenommen werden, da dürfen wir uns durchaus auch mal melden und müssen nicht alles „gottgegeben“ hinnehmen.
Wie kommst du zu diesem Schluss? Die Lehrmeinung der Organisation ist die Guideline, ERC und anderes haben für einen Sanitäter keinerlei direkte Relevanz. Keiner hat eine Verpflichtung, jede vorgelagerte Quelle zu prüfen und Korrekturen im eigenen Regelwerk durchzusetzen. Klar, wenn du Abweichungen feststellst ist es nur richtig diese abzuklären. Aber eine Verpflichtung jedes Sanitäters, die ganzen Richtlinien der eigenen Organisation gegen prüfen zu müssen finde ich jetzt schon fast abstrus.
Wenn Ich jetzt mal die „Bundesliste“ vom RK anschaue, die von allen Chefärzten abgesegnet wurde, dann bin ich mir sicher, dass die zu niedrigen Dosierungen kein Fehler sind. Das wurde bewusst so entschieden um entweder Kosten zu sparen (Supra) oder weil man Angst hat die Sanitäter richten Schaden an ( Mida beim Krampfanfall). Da kann ich schwer mit Leitlinien dagagen argumentieren.
Deswegen habe ich auch geschrieben „auffallen muss“.
Hast du zb einen Buchstabenkurs besucht wo Inhalte nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft unterrichtet werden die klar gegen deine organisationsinterne Lehrmeinung spricht hast du Handlungsbedarf.
Doch kannst du, siehe NÖ.
Kostensparen (Supra) über Pat-Wohl?
Dormicum im Krampfanfall zu niedrig dosiert und damit therapierefraktär?
Das geht klar zu Lasten der Pat-Versorgung und ist von einem sorgfältigen Sanitäter auch aufzuzeigen. Sorry da gibt es für mich keinen anderen Weg, kein „wird scho passen“.