Interaktives Fallbeispiel - Atemnot

Geschätztes Kollegium,

zumal hier die interaktiven Fallbeispiele immer wieder gut ankommen, möchte ich mich selbst in einem versuchen. Der betreffende Einsatz hat sich vor Kurzem in einem RTW-C Dienst abgespielt. Ich werde natürlich nur jene Informationen anbringen, die dem medizinischen Austausch dienlich sind, und nicht solche, die dem Datenschutz unterliegen und daher einige Details am Rande der Geschichte abändern!

Ich kann nicht versprechen, wie regelmäßig und tief ich auf einzelne Antworten eingehen werde, ich versuche aber mein Bestes! Am Schluss werde ich unsere Lösung des Einsatzes Schildern.

Na dann - lets go:

RD-33C2 Abnorme Atmung (akut eingetreten), 55 j. m. Respiratorische Insuffizienz, hohes CO2 (68), niedriger SpO2 (67), PH 7,3

Anforderer: nnb. Betreuungseinrichtung mit Arzt vor Ort

SSS:
Zufahrt sicher möglich, Alarmierung Solo als RTW-C mit 1x RS 1x NKA 1 RS-Azubi, Gutes Wetter und Flugbedingungen, abgelegene Lage (nächstes NEF 40 min, nächste Grundversorgung 40 min, Maximalversorger 50 min), keine Gefahrenlage vor Ort, Patient befindet sich in einem Behandlungszimmer im 1. Stock, kein Einweiser, vor Ort 2 Pflegerinnen und 1 Arzt

First Impression:
Der Patient liegt somnolent mit leicht erhöhtem Oberkörper im Pflegebett, er antwortet nicht, sondern öffnet nur auf leichten Schmerzreiz die Augen. Durch das Personal vor Ort wurde eine CPAP-ASB Beatmung eingeleitet. Er hat keinen i.V. Zugang oder eine Alternative. Keine offensichtlichen Verletzungen oder Blutungen

Übergabe / Fremdanamnese mit Arzt:
Patient unbekannt, heute aufgenommen, schlechte resp. Werte (siehe Alarmierung), bekannte COPD 4, Hepatitis C, bekannter Nikotin, Alkohol und Opiat Abusus, Anxiolit in DM aufgrund psychiatrischer Vorbelastung, Allergie gegen Meeresfrüchte, keine Transplantationen oder groben medizinischen Ereignisse.
Heute wurde er mit respiratorischer Insuffizienz aufgenommen, die BGA ergibt einen deutlich erhöhten PaCO2 von 68, die Sättigung geht nicht über 70. Die CPAP Beatmung wird aktuell unter Raumluft durchgeführt.

Primary Assessment:

X - /
A - Atemweg frei, wird als gefährdet angenommen, da Rückenlage bei Bewusstseinseintrübung
B - Der Patient hat eine Flache Atmung bei einer AF von 9, SpO2 67%, beidseits belüftet, keine aktuelle Exazerbation, ein leichtes Giemen aufgrund Grunderkrankung. Thorax stabil und beidseits hebend.
C - Puls peripher gut tastbar, Hautzustand rosig und warm, leicht stehende Hautfalten, Rekap normal, RR 130/90 beidseits
D - GCS 11, Pupillen etwas enger als normal (aber keine Stecknadeln), schwach auf Licht reagierend, FAST nicht möglich, antworten unverständlich
E - Ödeme in den Beinen, leichte Adipositas, Temperatur 37,5. BZ 95.

Dabei belasse ich es für den Anfang - viel Spaß!

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Danke für das Fallbeispiel!

Folgendes hätte ich mal gerne:

.) EKG (12er) sagt/zeigt uns was?

.) Den anwesenden Doc mal bitten unter Assistenz eines Kollegen a Leitung zu legen.

.) Sofern möglich a grobes SAMPLE (Depp, zu schnell drüber gelesen da eh gemacht :grinning_face_with_smiling_eyes:)

.) Die CPAP mit unseren O2-Vorrat verbessern

Ich behalte mir mal die NA Alarmierung vor, da ich zuerst mal einen Überblick will.

Sorry aber die Frage ist für die Lösung doch sehr relevant: In was für einer Art Einrichtung befinden wir uns? Du schreibst der Patient wurde mit respiratorischer Insuffizienz heute „aufgenommen“. Sind wir in einem Krankenhaus mit BGA? Warum fährt der Rettungsdienst dort hin?

Abgesehen davon versagt der Patient respiratorisch und wird gerade Bradypnoetisch und schwer hypoxisch. Bedrohliches B Problem sofort addressieren und NIV beenden, mit 100% FiO2 Ass. bebeuteln!
Ggf 2 Helfer Methode BMB + Wendl Tubus setzen, wenn der Pat das toleriert.

Venenzugang, SAMPLE und EKG sind uninteressant bis das B Problem(der crasht gerade) nicht aktiv bekämpft wird.
Notarztruf ist obligat! Der Patient wird zu 90% einen Tubus brauchen.

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Was sagt uns die BGA sonst noch? (Bikarbonat, BE)

Richtige Antwort! Bedrohliches B Problem. Sofort zum einleiten herrichten (zugang vorher…), der Rest ist in dem Fall erstmal uninteressant (EKG, Bicarb, BE). Aber wie wird initial Co2 gemessen
(endtital?) bzw wo ist das Szenario? Wieso hat jemand der NIVen muss keinen Zugang?

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Schönes Beispiel. Danke!

Ich tu mir schwer, mir das Setting vorzustellen. Was kann der Arzt vor Ort?

Wir sind kurz vorm respiratorischen Arrest (gibts das Wort?). Ich tippe jetzt darauf, dass das CO2 zu hoch ist und der Atemantrieb verloren geht („CO2-Narkose“… Pat. hat COPD). Ist aber wurscht in Wirklichkeit. Sättigung ist deutlich zu niedrig.

Notarztmittel holen, RSI vorbereiten, bis dahin ausreichende Oxygenierung sicherstellen. Ist jetzt schwierig in der Theorie ohne Patient, aber es wird wohl eine assistierte Beatmung werden. Aber der hat ein Problem, dass zu wenig Sauerstoff ins Blut kommt.

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Möchte hier auch bezüglich der Kompetenz des Arztes einhängen:

Jeder bereitet schon alles für eine RSI vor ohne das wir diesen Punkt beachten.

Kann der Doc vor Ort intubieren? Wenn nicht, wer dann? (kein NKI vor Ort, noch kein NA vor Ort)

Was ist mein Plan B wenn der Schnorchel nicht geht?

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40min NEF Anfahrt sind dann wohl denkbar schlecht :sweat_smile:

Das ist genau mein Punkt :grinning_face_with_smiling_eyes:

Auch der NAH wird entsprechend a zeitl brauchen.

(kleiner Einwurf: NAH würde ab Alarmierung ca 15 min brauchen)

Mir fehlt definitiv die Fantasie, um mir vorzustellen um was für eine Einrichtung es sich da handelt? Irgendeine spezielle Rehab? Wer außer Akut Krankenhäuser nimmt respiratisch Insuffiziente Patienten auf? Hat NIV und BGA und fordert aber trotzdem den Rettungsdienst an, statt das Problem innerklinisch zu lösen? Sorry ich würde gerne mitraten, aber ich komm einfach in das Szenario nicht hinein.

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Es handelt sich um eine kleine Reha Einrichtung mit internistischem Schwerpunkt. Der Arzt vor Ort ist Internist und hat keine Notfallerfahrung.

Ich habe das nicht konkret auf den anwesenden Arzt bezogen, sondern ganz allgemein gemeint.

Zunächst sollten wir uns (zusammen mit dem Arzt) überlegen ob NIV noch die richtige Beatmungsform fuer diesen vigilanzgeminderten Pat ist.

Falls ja, Basics first.

Ist die NIV Maske überhaupt dicht? Einstellungen optimieren (was haben wir PEEP, was ASB, welches AMV schafft der Pat noch?). Von Raumluft auf Sauerstoff umschalten.

DOPES und HAND!

Wir untersuchen auch, haben wir ein Ventilations oder Oxygenierung Problem. Was haben wir auf der BGA sonst noch Werte? Ich vermute mal sie war venös und das muessen wir in der Beurteilung der Werte berücksichtigen!

Wenn das alles nicht zielführend ist oder in dem Setting viel zu lange dauert nehmen wir den Pat mal an die Hand (BMV) und fassen einen Plan im Team. Auch ob wir mit dem Arzt mobil wären falls der NA zu lange braucht. Edit: NAH Nachforderung!

Ach ja, Zugang werden wir aufh brauchen. I.o. nehmen wir auch.

Alles gut :grinning_face:

Mir gings nur darum, dass viele in ihre Arbeitsweise rutschen und somit viele Handgriffe zum Teil nicht möglich sind/wären.

Natürlich würden wir alle gerne einen RTW vor Ort haben der 2x NKI und 1x NKV besetzt ist… Ist in diesem Fall aber nicht möglich. Deshalb finde ich das Szenario aber gerade interessant.

Aber genug vom off topic :winking_face_with_tongue:

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Ja. Verstehe ich auch nicht. Vor allem sollte er doch eig. soweit sein, direkt einen NA anzufordern. Was erwartet er sich von einem RTW alleine? Was sagt das Personal, warum sie nur einen RTW geholt haben?

Nachdem überhaupt erst die Rettung gerufen wurde vom Fachpersonal, gehe ich nicht davon aus, dass es sich um eine palliative Situation handelt.

Was hat das Personal schon gemacht?
Warum hat es das überhaupt gemacht, also warum musste überhaupt interveniert werden (Sturz, Krampfanfall, etc..)?
Plötzliche Zustandsverschlechterung aus dem nichts heraus oder gab es einen Auslöser?

Bzgl. Abusus.. Gibt es einen Hinweis darauf, dass er irgendwas konsumiert hat? Zigarette geraucht, etc.? Hat er sich evtl. 10 Schmerzpflaster draufgeklebt?

Nachdem C absolut nicht zu den krassen Werten passt (HF fehlt), stellt sich mir die Frage ob die Werte schon so alle stimmen können. Bei so schlechter Atmung und Sättigung würde ich mir alles andere als eine rosig warme Haut erwarten.
Wie wird die Sättigung gemessen?
Gerät vor Ort oder eigenes Gerät vom RTW?

Wie ist der GCS sonst bei dem Patienten?

Mein Verdacht geht in Richtung Intox. Die Werte der BGA sind zwar krass, aber es ist auch ein Pat. mit COPD 4.

Atemdepressiv ist er definitiv. Da müssen wir als erstes was machen. Eine Intubation würde ich evtl. noch etwas rauszögern, solange der GCS nicht weiter sinkt und der Pat. das NIVen toleriert. Mal abgesehen davon, dass vmtl. keiner der grade vor Ort ist sich das zutraut / bzw. machen sollte. Oder gibt es evtl. noch andere Ärzte in dem Haus die helfen können?

Kläre mit dem Arzt ab ob mit dem CPAP Gerät auch andere Modus möglich sind. Evtl. BiPap mit Trigger und festgelegter mindest AF.
Je nachdem wie alt die BGA ist, nochmal wiederholen und vergleichen. Wenn die Werte sich durch NIV gebessert haben, aber er immernoch bradypnoeisch ist, wirds eher nicht am COPD liegen.

Edit:
Achja. Nochwas. Im ABCDE schreibst du von einer „flachen Atmung“, aber im Text davor, dass er bei eintreffen schon CPAP mit ASB drauf hatte. Wenn der Pat. also schon druckunterstützt wird, verstehe ich nicht wie er noch flach atmen kann.
Oder ist das Problem, dass das Gerät nicht funktioniert wie es soll oder falsch eingestellt ist?

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Dann würde ich gerne selbigen mal alarmieren bittschen😀

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Hallo liebe Leute,

Ich bin schon seit längerem Mitleser und weil ich diesmal für ein solches Fallbeispiel früh genug dran bin, habe ich dass mal zum Anlass genommen einen Account zu erstellen um mitzudiskutieren.

Prinzipiell ist das mMn eine schwierige Situation für das entsprechende Team vor Ort.

Ich würde folgendes Anstreben:

Dringende NA Alarmierung (NAH?!)
A: Absaugbereitschaft
B: Ass. BMB mit FiO2 (1,0) bzw 15l O2
C: 2 großlumige PVK (hier nur durch den Arzt möglich)

Lückenloses Monitoring mit C3 (SpO2, RR Int. 3min, 4 Kanal EKG, etCO2)
Reanimationsbereitschaft
Nach Verfügbarkeit ETI mit VL vorbereiten

Der Patient wird mMn zu 99% intubiert werden müssen, eine AF 9 bei SpO2 67% deutet auf ein Einstellen der Atemarbeit hin und auf einen bevorstehenden respiratorischen Stillstand. Mit einer GCS von 11 ist dieser Patient für eine NIV Beatmung eher ungeeignet und zwangsläufig wird man auf maschinelle Beatmung wechseln müssen um einen Transport zu ermöglichen.

In diesem Setting würde ich mich primär mit der Vermeidung eines Kreislaufstillstandes beschäftigen und erstmal von nicht unbedingt sofort notwendigen Maßnahmen wie einem 12 Kanal EKG absehen. (Kommt halt natürlich darauf an wie gut das Team funktioniert, wie effizient einzelne Teammitglieder arbeiten können)

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Erstmal auch von mir Dankeschön!

Also sowohl der „Erste Eindruck“ als auch das Primary Assessment lässt mich zu meinem Funkgerät greifen und die Leitstelle freundlich aber bestimmt darüber informieren, dass ich hier ASAP ein Notartzmittel - vorzugsweise nicht Bodengebunden - brauche. Grund der Nachforderung: resp. Insuffizienz.

Bei B würde mich interessieren ob eine Zyanose zu sehen ist. Nachdem C scheinbar o.B. ist würde ich den peripheren SpO2 Wert vorsichtig vertrauen.

Die Kombination aus CO2, pH, und SpO2 klingt für mich als wirklich ungeübten BGA-Leser nach (respiratorischer) Azidose. Bei den Werten wäre das auch mein erster Tipp für die Ursache der Somnolenz - Stichwort CO2-Narkose.
Daher B Problem angehen und einen Beatmungsbeutel, eine passende Maske und O2 vorbereiten. Außerdem Absaugbereitschaft. Pat. assistiert Beatmen.

Falls der Pat. darauf anspringt könnte ein Kollege sich derweil um EKG (der AZUBI vlt?) und der andere um Fremdanamnese bzw. das gesamte Notfallgeschehen kümmern (Wie-Was-Wann-Wo-etc.).

Den Opiat abusus und das Anxiolit fällt natütlich auf, würde ich aber in den ersten Minuten vernachlässigen bis ich die Lage unter kontrolle bekomme.

Ach ja und Arzt oder Pflege würde ich ebenfalls bitten einen Zugang (oder besser Zwei) zu legen und falls noch jemand Zeit hat eine Infusion vorbereiten.

Bin gespannt wies weiter Geht!!