Wien am Wochenende und Nachts

Exakt so ist es, wurde auch schon so erwähnt.
Aber nicht jede Organisation hat SOPs wie die MA70 und selbst die können nicht alles abdecken was uns tagtäglich unterkommt und was ein Sani dann kann und tun sollte in der jeweiligen Situation.

Wir haben beispielsweise grade mal einen Algorhythmus für die Medikamente die wir verabreichen. Sonst gibts rein gar nix. D.h. alles was ich abseits der AML mache ist nicht kkar definiert.

Ja, ich kenne das Problem. In diesem Fall musst Du im Falle der Fälle nachweisen können, dass Du in Deiner Ausbildung die Tätigkeit erlernt hast und anwenden kannst. Ebenfalls muss der Nachweis erbracht werden, dass die Behandlung „lege artis“ ist. - Wir alle wissen, dass dies extrem Schwer ist, erst recht wenn sich die Dinge ständig ändern. Das ist ein rechtliches Problem welches bisher so gehandhabt wurde, dass ein Sachverständiger die Behandlung bewertet. Sollte dieser zum Schluss kommen, dass dies „lege artis“ war, ist alles gut. Wenn nicht, dann „brennt der Hut“.

Ich stimme dir da größtenteils zu. Aber wenn der Sachverständige die Behandlung als korrekt einstuft erübrigt sich der Ausbildungsnachweis meiner Meinung nach.

Wenn es nicht dem medizinischen Standard entspricht UND nicht von meiner Lehrmeinung gedeckt ist, werd ich da im Schadensfall nicht gut davonkommen. Stimmt.

Interessant, vor einem halben Jahr hast du augenscheinlich und richtigerweise in die andere Richtung argumentiert. viewtopic.php?f=25&t=1702&

Auch das kommt immer wieder: nope, weil du es nur kannst weil du Sanitäter bist und somit auch als Sanitäter tätig wirst. Somit findet das SanG Anwendung.

Beide Diskussionen hatten wir schon zur Genüge.

Ich korrigiere:

Der § 10 StGB - Rechtfertigender bzw entschuldigender Notstand gilt für jedermann. Nicht nur für Sanitäter.
Es ist egal ob man Sani ist oder nicht. Wenn man die Uniform trägt, dann ist man den organisationsinternen Richtlinien und dem SAN-G unterworfen. Sonst nicht. Das SAN-G ist ein Berufsrecht. Es gilt nicht in Deiner Freizeit.

Bitte Halmich „Recht für Sanitäter“ lesen.
Auch ich lasse mich belehren und ändere meine Meinung. Sowas machen intelligente Menschen, wenn Sie eine bessere und plausiblere Erklärung für Vorgänge, von denen Sie nur bedingt Ahnung haben bekommen. Halmich und Leonardelli sind hier aktuell das Maß der Dinge.

Der rechtfertigende Notstand im StGB ist so ziemlich die allerletzte rechtliche Rechtfertigung Dinge zu tun die man eigentlich nicht darf.
Dieses Recht hat jeder, egal welche Ausbildung er/sie hat oder nicht, egal ob er eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit in einem Verein ausübt oder nicht, egal ob er/sie eine Uniform trägt oder nicht.

In der Rechtsprechung kommt der rechtfertigende Notstand in der Regel dann zu tragen, wenn entweder alles gut, oder zumindest einigermaßen gut geht. Geht es schief und man verschlimmert durch sein Handeln die Situation kann man sich den rechtfertigenden Notstand auch wohin schieben.
Um zur Medizin zurückzukehren: Öffne ich als Nicht-Chirurg einen Thorax und führe eine Operation am offenen Herzen durch, werde ich wenn alles einigermaßen gut geht (und ich nicht ursächlich den Tod verursacht habe) dank des rechtfertigenden Notstandes - so ein solcher vorlag - wohl nicht strafrechtlich belangt werden. Geht es schief, tja dann werde ich mich der fahrlässigen oder gar grob fahrlässigen Tötung zu verantworten haben und kann mich mit dem rechtfertigenden Notstand auch brausen gehen.

Die Behauptung man könnte wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden, wenn man Dinge die man nicht darf nicht tut, ist völlig gefährlicher Unsinn. Unterlassene Hilfeleistung wird schon allein dadurch eingeschränkt, dass eine Hilfeleistung nur insofern durchgeführt werden muss, soweit sie ZUMUTBAR ist. Eine Handlung zu der man rechtlich gar nicht befugt ist, ist natürlich zweifelsohne NICHT ZUMUTBAR.
Zurück zum/zur Sanitäterin: In der Regel ist von einer Sanitäterin natürlich im Rahmen der lebensrettenden Sofortmaßnahmen mehr als zumutbar zu erachten, als einem medizinischen Laien. Wenn also jemand eine Reanimation benötigt, kann sich eine Sanitäterin in der Regel wohl nicht darauf berufen, dass ihr die Maßnahme nicht zumutbar gewesen wäre. - In der Regel, aber natürlich gibt es auch Ausnahmen. Nach dem x-ten Bier, oder unter Medikamenteneinfluss, etc. kann etwa natürlich eine Situation vorliegen, wo die Maßnahme nicht zumutbar ist. Definitiv unter allen Umständen unzumutbar sind Maßnahmen zu denen man mit seiner Ausbildung nicht befugt ist.

Selbst in diesem Forum wo sich hauptsächlich erfahrene und hochausgebildete Sanis tummeln entstehen diese Diskussionen, weil einfach viel Unklarheit herrscht sofern keine SOPs da sind bzw. diese nicht gelebt werden. Und da kommt dann ein junger Rambo-NFS daher und glaubt er kann alles und er weiß alles - und das ist gefährlich weil man schon seine Grenzen kennen soll.
Ich glaube wenn es hier einen blinden Fleck gibt ist der NFS aufgrund seiner Sorgfaltspflicht selbst dafür verantwortlich sich aktuelle Lehrmeinungen anzueignen (wohlgemerkt keine invasiven Verfahren, wenn nicht vorab trainiert und freigegeben). Dabei spreche ich von Fachliteratur, erweiternde Kurse wie PHTLS, AMLS, EPC, etc. weil die einfach strukturiert den aktuellen Stand der Medizin und Wissenschaft widerspiegeln.
Ich für mich habe das so definiert, da wir auch kaum SOPs haben was medizinisches Handeln als NFS betrifft (außer die AML-Algorithmen), dass ich mich sehr nah an der RS Lehrmeinung bewege und (wie egtl auch im Gesetz steht) Basismaßnahmen mache und on-top meine Erfahrung als NFS und die Algorithmen der AMLs lege. Darüber hinaus lese ich die Fachliteratur um auch antizipieren zu können was der Doc (wenn dann einer hinzukommt) möchte und machen wird.

Das Thema mit der Thoraxdrainage ist halt schon ein sehr hartes und kommt zum Glück nicht so häufig vor, als dass man hier den Notstand im StGB herauskramen müsste. Und da muss man sich schon richtig klar sein was man da jetzt macht und sich dessen auch bewusst sein. Und da ist es sicher keine unterlassene Hilfeleistung wenn ich keine Bülau lege „im Feld“, weil ich immer argumentieren kann, dass ich nicht dafür ausgebildet bin (und 2x im Leben an einer Schweinehälfte zählt nicht, und ein paar mal assistieren und zuschauen auch nicht) und auch nicht zB die Möglichkeiten hatte (ich glaube auch nicht dass ihr mit Thoraxdrainage-Sets wandern geht) - ergo stimme ich hier RedTiger zu dass das auf keinen Fall zumutbar ist.

Blöde Fragen…

Aber welcher Sani lernt das wo und praktiziert das auch regelmäßig, so dass er sagen kann, er kann es und ist geübt? Nämlich so, dass er es irgendwo in den Bergen, nachts, bei Sturm und Regen/Schneefall beherrscht (so dass eben keine Hilfe zeitnah kommen kann)

Des weiteren, wer geht mit einer so umfangreichen chirurgischen Ausrüstung wandern?

Ah geh, a guada Feidl, a Zirb’n Schnops und a Kulli reichan do aus.

Schön gesagt. Zudem ist der Staatsanwalt noch nicht geboren, der auch nur eine Anklageschrift wegen unterlassender Hilfeleistung bezüglich eines Sanis schreiben würde, der beim Wandern einen Patienten mit Spannungspneu trifft und ihm dann keine Bülau legt … das sind zwar nette Beispiele für das „Was-wäre-wenn“-Teilnehmergrüppchen eines Rechtsvortrags, die aber mit der Realität nichts zu tun haben.