Fürchterlich dieses Forum, ein Thread und es gibt zwei interessante Diskussionen. Allerdings möchte ich die beiden eh miteinander wieder verknüpfen.
1.) Ketanest-Dormicum
Ich war im NKI-Praktikum dabei, wie einer auf Ketanest (und zu wenig Dormicum) fast vom OP-Tisch gehüpft ist, panisch brüllend. War wirklich unlustig. Ich war auch präklinisch dabei, wie ein NA den Patienten mit zu viel Dormicum in den Atemstillstand gespritzt hat. Das gibts auch wirklich. ABER: in so einem Fall reicht doch eigentlich meistens die assistierte Beatmung mit dem Beutel. Die grundsätzliche Frage ist, ob „eigentlich meistens“ ausreichend ist für die Patientensicherheit. Die nächste Frage, die sich stellt: können alle NKI endotracheal intubieren (ich bin NKI, ich kanns nicht)? Von den Notärzten wissen wir evidenzbasiert, dass es viele nicht (gut) können. Sollte man denen also die Schmerztherapie verbieten? Ich habe jetzt für dieses Dilemma auch keine Lösung, aber ich denke, dass hier ein auch anders beherrschbarer Fall auf ein „es muss endotracheal intubiert werden“ reduziert wird.
2.) Three-Tier-System vs. Two-Tier-System
International sind dreistufige Systeme sehr weit verbreitet: BLS-Ambulance, ALS-Ambulance und Rapid Response Vehicle mit einem Experten. Dieses System haben wir in Österreich grundsätzlich auch - Wien lebt es vor, genauso wie Graz. In anderen Bundesländern scheitert es an verschiedenen Faktoren. In NÖ beispielsweise gibt es Gegenden, in denen das System prinzipiell so vorgehalten wird, nur kann nicht zielgerichtet alarmiert werden, weil die Leitstelle nicht weiß, ob sich hinter dem „RTW“ eine BLS-Ambulance befindet oder eine ALS-Ambulance.
Das Weglassen der untersten Ebene (=2xRS-KTW) muss auch nicht immer gscheit sein. Wenn man sich die Fernsehserie „Ambulance“ über den London Ambulance Service anschaut (youtube.com/watch?v=OxbHwrrolAw), dann gibt es da die in der Wohnung gestürzte ältere Patientin, die 3 oder 4 Stunden warten muss, weil die anfahrenden Ambulances immer zu dringenderen Notfällen abgezogen werden. Dafür standen dann nach 4 Stunden zwei „richtige“ Paramedics da. Nun ja, ich hätt in so einem Fall lieber nach 15 Minuten meinen Zivibomber. Weil korrekt Aufschaufeln und auf die Vakuum verpacken, das kriegt ein RS-KTW auch hin. (Und wenn er es nicht zusammenbringt, dann ist es ein individuelles Kompetenzproblem!)
Mit einer vernünftig arbeitenden Leitstelle, die die Notrufe ordentlich bearbeitet und eine entsprechend hohe Trefferquote hat, ist wohl ein dreistufiges System am effizientesten. Zumindest in Ballungsräumen. Wie es am flachen Land aussieht, steht nämlich wieder auf einem anderen Blatt.
Dass der Prause also jetzt eine Studie gemacht hat, in der er belegt, dass ein dreistufiges System besser ist als ein zweistufiges hat jetzt nicht soooo den megamäßigen Innovationswert. Allerdings muss man auch sagen, dass sich endlich einer die Arbeit gemacht hat, und das unter österreichischen Verhältnissen untersucht hat. Hallo MA70 - da könntet ihr endlich wissenschaftliche Grundlagen liefern, warum man den Diplom-NFS braucht.
Was ich an Prause nicht ganz nachvollzieh… hm… ok, ich kanns nachvollziehen, aber ich mags nicht - Achtung Berufspolitik! Also, was ich am Prause nicht mag: dass er ständig predigt, dass das nur Mediziner sein können und warum das so wichtig ist, dass das sein Medizinercorps ist. Ich bin mir wirklich sehr sicher, dass ein aktueller NKI mit allen Zusatzkursen (AMLS, PHTLS, ERC, EPC) und einer vernünftigen Einschulung auf die Medikamentenliste fast alle Rettungsmedizinereinsätze genauso gut hinkriegt. Und mit fast meine ich hier eine Zahl jenseits der 95 %.
Was nämlich in Prauses Studie auch rauskommt: ultra-spektakuläre Dinge machen die RM auch nicht alleine. Die machen genau das selber, was die MA70-NFS auch selber machen und die NFS im Rest von Österreich dank anderer Interpretation des Begriffes „Verständigung des Notarztes“ nur bei NA-Alarmierung machen können oder dank vermutlich zu vorsichtiger Arzneimittelisten nicht machen dürfen.
Ums ein wenig wirtschaftswissenschaftlich zu formulieren: nach dem Pareto-Prinzip kann man vermutlich 80 % der Rettungsmedizinersachen mit 20 % vom Aufwand durch „normale“ NKV/NKI auch machen lassen, ein bisserl öfter den NA ausschicken und ich habe mit weniger Rechtsbeugung und deutlich weniger Aufwand ein fast so gutes System.
3.) Verbinden wir die Diskussionen
Wie oft musste schon ein Rettungsmediziner eine Ketanest-Dormicum-Schmerztherapie machen und der Patient wurde dabei so atemdepressiv, dass er endotracheal intubiert werden musste?