Reversfähigkeit von betrunkenen Patienten

Na dann habts alle Glück gehabt, dass da strafrechtlich nichts nachkam!

Nachdem wir nur der Transporteur waren und der Polizeiarzt inkl. Polizei mitgefahren ist und die das angeordnet haben, hätt ich mir da keine Gedanken gemacht :wink:

Ich war nur der Fahrer die anderen haben die Bank überfallen… Zieht nicht soweit ich weiß

Wo soll sich das abgespielt haben?

Interessant dass der Polizeiarzt mitgefahren ist.

Ich glaube §110 StGB (Eigenmächtige Heilbehandlung) regelt das sehr eindeutig:

(1) Wer einen anderen ohne dessen Einwilligung, wenn auch nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft, behandelt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Hat der Täter die Einwilligung des Behandelten in der Annahme nicht eingeholt, dass durch den Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Behandelten ernstlich gefährdet wäre, so ist er nach Abs. 1 nur zu bestrafen, wenn die vermeintliche Gefahr nicht bestanden hat und er sich dessen bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt (§ 6) hätte bewusst sein können.

(3) Der Täter ist nur auf Verlangen des eigenmächtig Behandelten zu verfolgen.

Ich denke (2) traf für den Sprengelarzt zu - Patient hatte einen MCI und starb wenige Tage später im Krankenhaus …

Damit ist bei einem einsichts- und urteilsfähigen Patienten, der sich mitteilen kann allerdings nicht zu argumentieren - auch wenn ich ganz eindeutig eine lebensbedrohliche Diagnose wie Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen stellen kann. Der Patient hat über seinen eigenen Körper in so einem Fall immer die letzte Entscheidungsgewalt - sonst wären wir beim §99 StGB (Freiheitsentziehung). Und ich bin auch sehr froh darüber, dass die Zeiten von Zwangsbehandlungen und auch entsprechendem Missbrauch dieser Macht vorbei sind (vor 75a hat es diesbezüglich leider anders ausgesehen).

@ Erwin80 die Patientenautonomie ist zwar hoch zu schätzen, aber wenn der Arzt den Anfangsverdacht eines Krankheitsbildes des Psychiatrischen Formenkreises hat kann und muss er eine fachärztliche Abklärung anstreben und wenn der Patient diesem nicht zustimmt sind wir bei § 8 UBG.
Um zu Beginn bei dem alkoholisierten Patienten zu bleiben. Gehen wir einmal davon aus, dass wir durch eine völlig aufgelöste Frau angerufen werden deren Mann stark alkoholisiert nach Hause kommt, obwohl er normalerweise nicht viel alkoholisches trinkt. (Ja man kann über viel und wenig ganze Bücher füllen, aber im Beispiel bisher ein Glas Wein in zwei bis vier Wochen.)
Wir finden beim Eintreffen eine alkoholisierte Person männlichen Geschlechts vor, welcher es verweigert in die Klinik mitzukommen. Nach unserem dafürhalten droht der Patient beständig in die Somnolenz abzugleiten und scheint sich auch schon übergeben zu haben. Seitens des Patienten wird der Transport und die Behandlung aber abgelehnt.
Die Frau gibt an auch nicht zu wissen, wieso ihr Mann sich so „besoffen“ hat. Jetzt sind wir etwas aufgeschmissen, weil was war jetzt der Grund des „Besäufnis“ Netterweise bekommt die Frau einen Anruf eines Arbeitskollegen ihres Mannes, welcher nach diesem Fragt. Im Zuge des Gesprächs stellt sich heraus, dass der Mann unvermittelt die Entlassung erhielt, was wiederum für uns aussagt, dass der Patient in einer psychischen Ausnahmesituation ist und wir hier zumindest die Verdachtsdiagnose der akuten Belastungssituation F43.0 haben und damit bin ich bei einem psychiatrischen Krankheitsbild mit Selbstgefährdung.
Das Problem was wir nur meistens haben werden ist das uns diese Umstände nicht bekannt sind und wir somit kaum sicher entscheiden können.

sehr konstruierte geschichte, die nicht rechtfertigt, jeden besoffenen (oder gar jemanden der einfach seinen thoraxschmerz nicht behandelt haben will) unterzubringen

@ VenFlow
Ich finde die Geschichte nicht recht überzeugend: Wurde der von dir beschriebene Patient jetzt rechtsgültig nach UBG in eine psychiatrische Krankenanstalt eingewiesen? Wurde dort die Diagnose „Eigen- und Fremdgefährdung/ Suizidgedanken“ überhaupt bestätigt? Oder wurde der Patient wegen seines Thoraxschmerzes auf eine interne Ambulanz gebracht? Wurde dort eine entsprechende Diagnose gestellt?
Schon klar, jemand der auf uns wie ein Notfallpatient wirkt, sich aber partout nicht behandeln lassen will, stellt uns vor eine gewisse Herausforderung.
Vielleicht wäre es in genau diesem Fall eine Lösung gewesen, zuerst eine gründliche Abklärung vor Ort zu machen und, sollte der Patient nicht akut krank sein, sondern einfach alkoholisiert und in einem psychischen Ausnahmezustand, anschließend einem KI-Team übergeben?
Warum muss ich mir eine Diagnose mit DaumenxPi so zurechtbiegen, dass ich den Patienten ja nach UBG zwangsweise in den Guglhupf stecken kann? Einige Kollegen hier im Forum scheinen im Bezug auf das UBG gewisse Allmachtgelüste ausleben zu wollen… ich weiß nicht ob ich euch da mal in die Hände fallen will.

Weil sie nicht wissen was im UBG genau steht. Sie glauben über die UBG Schiene ist alles möglich.

ich schrieb ja:

von daher ist der Fall konstruiert und soll eigentlich nur das Dilemma des Personals Vorort darstellen, wir wissen nicht welche Hintergrundbelange bestehen die den Patienten zu der oder der Entscheidung verleiten aber im Zweifel haben Gerichte und deren Sachverständige wieder alle Zeit dieser Welt sich damit zu befassen und auch jede mögliche Diagnose die Vorher gestellt wurde mit einzubeziehen bzw. neu zu stellen.

Gut diese Version wäre eine zu überlegende Möglichkeit, wenn der Patient dem Zustimmt. Man könnte auch sagen die Spitalseinweisung klein, er hat zwar keine medizinische Versorgung, aber zumindest jemand der sich um ihn kümmert und uns gegeben falls bei einer Verschlechterung erneut hinzuzieht.

Also in meinem Fall sind es weniger „Allmachtsgelüste“ als Absicherungsgedanken, denn man möchte ja auch nicht unbedingt in gewissen österreichischen Presseerzeugnissen stehen: „Sanitäter ließen hilflose Person erfrieren“ um auf das jetzige Wetter und Alkohol anzuspielen.

@VenFlow
Ist inzwischen ein etwas konstruierter Fall aber trotzdem interessant.
Aufgrund der Anamnese („plötzliche“ Entlassung - Jobverlust und anschließendem Umtrunk) kann der Verdacht einer akuten Belastungsreaktion entstehen. Durch die gezeigten Symptome könnte eine mittelgradige akute Belastungsreaktion eventuell möglich sein (Einengung der Aufmerksamkeit, Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit) - auch wenn die Anamnese dafür noch zu ungenau ist. Man kann also vom ICD10-Code: F43.01 ausgehen (mittelgradige akute Belastungsreaktion) in Kombination mit einer akuten Intoxikation ohne Komplikationen F10.00.
Auch wenn beide Diagnosen aus dem psychiatrischen Formenkreis stammen (F-Diagnosen), erschließt sich mir noch nicht die Eigengefährdung, außer der Patient droht eine entsprechende Handlung mündlich an (zum Beispiel auf Nachfrage). Dann bin ich natürlich verpflichtet, diese ernst zu nehmen und aufgrund der Suizidandrohung (ICD10-Code: R45.8) einen Amtsarzt, Polizeiarzt, im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt,… hinzuzuziehen bezüglich einer Unterbringung gegen den Willen.
Der sichere Weg in den Unterbringungsbereich ist das allerdings ebenfalls nicht, da die Suizidabsicht dafür akut sein muss und der Patient sich nicht glaubhaft davon distanzieren kann oder paktfähig ist. Aber diese Einschätzung trifft dann gottseidank der Spezialist - und selbst für den ist das nicht einfach.

Was an einer akuten psychischen Belastungsreaktion, die etwas über den Durst getrunken hat, jetzt eine ERNSTLICHE und AKUTE Selbst/Fremdgefährdung darstellen soll sehe ich zwar nicht, wird wohl auch kein Polizist sehen, deswegen wird er auch nie einen Amtsarzt zu Gesicht bekommen - falls sich doch ein Polizist absichern möchte, wird der Amtsarzt trotzdem keine Parere nach §8 UBG ausstellen, da eben keine AKUTE und ERNSTLICHE Selbst/Fremdgefährdung vorliegt.
Ja ich als Sanitäter werde wohl die Polizei benötigen, da die Person für mich nicht reversfähig ist und da ich etwaige negative Gesundheitsfolgen nicht ausschließen kann, eine Belassung ohne Revers für mich nicht möglich ist - die Beurteilung der Gesetzeslage ist jedoch nicht mein Job, sondern der Polizei - diese wird feststellen das nicht einmal ansatzweise Gründe für eine Einweisung vorliegen und ein Amtsarzt nicht erforderlich ist. Genau das dokumentiere ich so und das war es.

aber du hast immer noch nicht deinen revers.

ebenso wird dir die polizei unter umständen sagen, dass du der mit der med. ausbildung bist und du das besser beurteilen kannst.
was machst du dann?

  1. Wozu brauche ich einen Revers, wenn der Patient nicht will und laut Polizei keine Einweisung nach UBG in Frage kommt? Ich brauche jedenfalls keinen. Ich dokumentiere genau das und das reicht, denn ich kann nachweisen, dass größtmögliche Sorgfalt walten lies und sämtliche meiner Möglichkeiten ausgeschöpft habe. Ein Transport jedoch rechtlich nicht möglich war.
  2. Nein tut sie nicht, da die Berufung des Amtsarztes Angelegenheit der Polizei ist und nicht meine. Ich gebe meine Einschätzung der Lage: „Massiv alkoholisierte Person mit lt. Angehörigen v.A. psychische Belastungsreaktion.“ Wenn der Polizist sich unsicher ist, so soll er den Amtsarzt hinzuziehen, dafür ist er da. Amtsarzt ist seine Sache nicht meine. Wenn er allerdings so wie auch objektiv erkennbar die Einschätzung trifft, dass eine akute und ernstliche Selbstgefährdung nicht vorliegt, dann kann er sich den Amtsarzt natürlich auch schenken.

Ich muss es jetzt mal ehrlich sagen: Schön langsam ist mir diese ganze Diskussion etwas zu dumm…

Wer meint er müsse Leute die nicht wollen an den Ohren ins Krankenhaus zerren mit oder ohne Polizei, bitte dann macht das.
Wer meint nicht reversfähige Personen einfach so zu belassen ohne die Polizei hinzuzuziehen bitte macht das.
Ihr müsst es im Zweifel nicht nur für euch selbst verantworten, sondern auch vor euren Vorgesetzten und vielleicht sogar vor Gericht wenn es schief geht. Jeder Vorgesetzte und jeder Richter - und das muss einem eben klar sein - wird aber dann sagen: „Warum haben Sie nicht…“, „Sie hätten ja … können.“

Interessant, und es spiegelt auch die Unsicherheit in seiner ganzen Bandbreite der Beteiligten im Rettungsdienst wieder.

Diverse Threats im Forum.

Die einen möchten Medikamente geben, die anderen belassen. Die einen möchten hospitalisieren, die anderen das Gesundheitssystem finanziell und personell entlasten.

Egal. ab einem gewissen Totlaufmoment kommen keine nennenswerte / lesenswerte Beiträge zu einem Thema mehr hinzu, strich drunter und aus, da gebe ich „redtiger“ uneingeschränkt recht.

[size=85]edit von eklass: Quote-Tags korrekt gesetzt[/size]

Genau dieses Dilemma bringt es auf den Punkt, wie der Sanitäter Vorort entscheidet es wird falsch sein und die Führung wird geschlossen vor einem stehen in der Form eines Peloton oder wahlweise hinter einem um einen vor zustoßen, nach dem Motto „Er ist allein Schuld.“
Aus dem Grund steht für mich fest, wenn ich der Meinung bin das eine Person zu stark alkoholisiert ist dann ziehe ich zu meiner Absicherung den Notarzt und / oder die Polizei bei, damit bin ich auf der sicheren Seite frei nach dem Motto „Melden macht frei und belastet Vorgesetzte.“ deshalb bin ich recht froh nur „dummer Sani“ zu sein. Zwar wird die Leitstelle zetern, aber wenn sie mir den NA bzw. die Polizei nicht schickt geht die Verantwortung auf die Leitstelle über, bzw. die Polizei oder den NA wenn sie es ablehnen auszurücken.
Nur ist die Frage, dann was macht der NA? Denn er ist in der Situation, dass er Vorort eine Diagnose stellen muss und dann die Sachverständigen hernach alle Zeit der Welt haben diese zu zerreißen.
Daher wäre meine Frage an rechtsbewanderte Personen im Forum, was macht man? Denn Argumentieren kann ich sowohl eine Belassung als auch eine Hinzuziehung des Amtsarztes.

Also wenn ich von so einem Fall betroffen wäre, dann würde ich die akute Selbstgefährdung ausschließen und dann den Willen des Patienten (Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorausgesetzt) - nach entsprechender Aufklärung über die möglichen Folgen - respektieren und den Pat. gegen Revers vor Ort belassen. Mit noch viel besserem Gewissen, wenn Angehörige den Patienten überwachen. Hätte da prinzipiell keine schlaflose Nacht deswegen. Sehe ich auch als Aufgabe des Notarztes an - fie Verantwortung zu übernehmen ist halt auch Teil des Jobs. Der wird dafür im Vergleich zum Sanitäter meistens auch besser bezahlt (und meine Berufshaftpflichtversicherung hat ein weiteres Argument für die jährlichen Versicherungsgebühren…).

ihr wisst schon, dass ihr gerade in zeiten immer knapper werdender notarztmittel mit euren „der patient braucht zwar keinen notarzt, aber ich will die verantwortung abschieben“-berufungen den Notarzt vielleicht jemandem vorenthält, der wirklich von ihm profitieren würde?