Reversfähigkeit von betrunkenen Patienten

Ja, aber es ist das rechtlich korrekte Vorgehen, wenn alle Überredungskünste nichts nützen. Jeder Richter zerreißt mich in der Luft, wenn ich sage, dass ich als RS mit 260 Stunden Ausbildung mir zutraue, die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten genauso gut einschätzen zu können, wie ein Notarzt.

Ich konnte bisher in solchen Fällen die Alarmierung des Notarztes vermeiden, weil es mit 141er-Arzt bzw. niedergelassenen Ärzten funktioniert hat.

du kannst nix so gut wie ein Notarzt, also musst du immer einen nachfordern.
da hats was in der Logik.

DOCH! Tragen :stuck_out_tongue:

Ähem, so hab ich das nicht geschrieben. Ich habe mich hierbei bezogen auf die Rechtsansicht von Halmich et al. in „Recht für Sanitäter und Notärzte“. Wenn ich mich an einem Ort befinde, wo das Buch ist, kann ich gerne korrekte Zitate bringen. :wink:

Wenn ich mir als Sanitäter bezüglich der Urteils- und Einsichtsfähigkeit nicht sicher bin, dann muss ich mir wen holen, der da kompetenter ist. Und das ist in diesem Fall nun mal einem Arzt zu unterstellen.

Mir liegt nichts ferner, als mir zusätzlich Arbeit zu beschaffen (zumindest nicht, wenn ich sie nicht zusätzlich bezahlt bekomme :wink: ) - allerdings ist auch niemand geholfen, wenn der Sani sich in einen rechtlich noch graueren Bereich (oder bereits schwarzen?) begeben muss, als er es mit dem täglichen Dienst ohnehin schon tut. Wenn sich ein praktischer Arzt oder 141-er-Arzt findet, der die Begutachtung übernimmt - 1000 Rosen. Es schmeckt mir auch nicht, dafür die knappe Ressource Notarztmittel zu binden (es ist ja nicht nur der Arzt) - aber wenn das System keine andere, besser geeignete Lösung vorsieht, bleibt eben nichts übrig…

Ja. Solange es aber von der Obrigkeit so gewünscht wird und auch die Rechtsmeinungen in diese Richtung gehen, muss halt ein Notarzt kommen - denn mein Job ist mir wichtiger. Wenn ich über 1 Stunde warten muss, ist mir das auch Recht. Ich kontaktiere dann zwar den OA der mir dann bestätigt, jaja nein da brauchen Sie schon einen Arzt wenn der Patient vermutlich in Lebensgefahr ist und die Hilfe verweigert, den können Sie als Sanitäter nicht einfach gegen Revers belassen. Na dann halt nicht, dann muss eben ein Arzt kommen - oder auch nicht, geht es dem Patienten wirklich so schlecht wird er irgendwann umfallen und dann sind wir beim mutmaßlichen Einverständnis eines Bewusstlosen.

Klingt absurd, ist es auch, aber so läuft es leider.

Genau da ist in der Situation auch meine Herangehensweise. Ich bin zwar Nichtraucher, aber da mach ich nach Rücksprache mit der Leitstelle einmal kurz „Pause“ nach dem Motto wir haben zwei Optionen, entweder den NA oder die Bewusstlosigkeit, wobei eine Bewusstlosigkeit auch eine NA Indikation ist. Also setzt den NA doch schon einmal in Marsch.

Sorry aber die Rechtsansicht ist in Österreich so das in dieser Situation ein NA benötigt wird von daher müssen wir und sie damit leben. Ja der eine oder andere NA ist dann angefressen, aber für mich gilt lieber 100 angefressene NA’s als einmal wegen der Nichtberufung ein Gerichtsverfahren. Wenn sich das Gesundheitsministerium, das Innenministerium, die Ärztekammer und die Anbieter des Rettungsdienstes einmal einigen, dass dem NFS mit entsprechender Schulung das Recht zugestanden wird, den Patienten zu belassen auf eigenen Wunsch, dann bitte, aber da wird es immer noch dann die Streiterei geben: „Ja aber da muss ein Arzt drauf sehen um das abschließend entscheiden zu können.“
Von daher ja die NA’s sind eine limitierende Größe, nur solange Seitens der ärztlichen Standesvertretung jede zusätzliche Kompetenz für das nichtärztliche Rettungspersonal verhindert wird, müssen es die Feld, Wald und Wiesennotärzte ausbaden.

Tja die Leitstelle kann halt leider auch nur das schicken was sie hat - und was sie nicht hat, das kann sie nicht schicken. NA-Indikation hin oder her, immer wieder kommen Patienten in Ermangelung eines Arztes auf eine Überwachungs/Intensivstation - und das ist nicht nur der momentan bei Bewusstsein befindliche, sonst momentan völlig stabile Med-Intox-Pat „laut VIZ überwachungspflichtig“ zur Tox-Intensiv. Ja sogar Reanimationen sollen ja schon in Ermangelung eines NAs ohne selbigen den Weg auf die Notaufnahme/Intensivstation gefunden haben.

das würde ich dich bitten zu präzisieren. wessen rechtsansicht? in welcher situation?

@ Wüstenfuchs
es ist etwas mühsam ihnen kontinuierlich die gleichen Rechtsgrundlagen, Lehrmeinungen und Rechtsansichten zu zitieren, aber gut mach ich es halt noch einmal.
Die einzige Grundlage für den Sanitäter ist das SanG und dort der §9

Ich würde sagen dieser Paragraph ist der mit Abstand in dem Forum am meisten zitierte Paragraph und auch der auf welchen sich am meisten bezogen wird, denn leider ist er für den Rettungssanitäter auch die einzige Rechtsgrundlage.
Aus diesem Paragraphen wird jetzt abgeleitet, dass der Rettungssanitäter einen Patienten immer einem Arzt vorstellen muss, ob dieser in Ambulanz, der Hausarzt oder der Notarzt ist, ist egal. Aber der Rettungssanitäter kann nach dem Paragraphen nicht sagen: "Hr. X wir würden ihnen empfehlen Morgen den Hausarzt aufzusuchen, da sie über allen vier Quadranten ausreichend Darmgeräusche haben und somit keine akute Indikation für eine Hospitalisierung vorliegt {Frech könnte man auch sagen essen sie in Milch eingelegte Pflaumen, dass hilft auch})
Im Bereich der rechtwissenschaftlichen Notfallgötter Halmlich et al. im österreichischen Rechtssystem wird auch davon ausgegangen, dass immer ein Arzt benötigt wird zwecks der Rechtsicherheit. Nun gut ich hab jetzt einen neuen Notfallrucksack Vorgeschlagen: In der Mitte EKG , Beatmungsgerät und Monitor und rechts den Instantnotarzt und links den Instantjuristen - Vor Gebrauch mit Wasser auffüllen und gut schütteln :laughing:
Von daher wenn sich etwas ändern würde wäre ich nicht unglücklich, aber ich darf ja noch nicht einmal eine liegende Venenverweilkanüle entfernen, welche im Spital vergessen wurde. Es gab aus solchen Gründen schon Fahrten - Spital - Pflegeheim - Spital - Pflegeheim aber als „Packetbote“ braucht man sich nicht zu beschweren. :cry:

Patient ohne Angabe von Personalien entlaufen…

Ich werde ihn sicher nicht daran hindern, aus dem Rettungswagen auszusteigen.

seit wann ist man in diesem forum per Sie?

schon wieder so eine geile Formulierung „wird abgeleitet“. von wem wird das abgeleitet? von dir? irgendeine quelle, dass das sonst noch wer so sieht?
im Gegenteil steht in dem Paragraph eindeutig „die selbständige und eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung“ (Hervorhebung durch mich).
ja, ein Sani kann etwas EIGENVERANTWORTLICH machen :astonished:

warum nicht? aufgabe des RS laut obigem Paragraphen ist die selbstständige Betreuung von leuten „die medizinisch indizierter Betreuung bedürfen“.
es ist nicht seine aufgabe die unselbstständige, hirnlose dem-arzt-zuführung von leuten denen fad ist. steht nirgends.

also bitte nicht auf so Formulierungen wie „wird ausgegangen“, „man sagt“, „schließt man“ sondern einfach harte Zitate.
gericht X hat geurteilt, Lehrmeinung (i.e. vereinsinterne vorgabe) Y lautet, jurist Z hat seine meinung publiziert.
(genau das hast du oben übrigens angekündigt: „kontinuierlich die gleichen Rechtsgrundlagen, Lehrmeinungen und Rechtsansichten zu zitieren“ bis auf den §9 SanG ist nichts gekommen, und der wurde kreativ interpretiert)

eine nette Hervorhebung durch Dich, aber wehrend du selbstständige und eigenverantwortliche in den Mittelpunkt siehts, sehe ich Versorgung und Betreuung als Dreh und Angelpunkt. Die Feststellung der Versorgungs- und Betreuungsnotwendigkeit erfordert eine Diagnosestellung und schon ist der Sani in einem Dilemma.
Denn im österreichischen Recht besteht ein Diagnose- und Behandlungsvorbehalt des Arztes (siehe http://www.bmgf.gv.at/home/Gesundheit/Medizin/Komplementaer_Alternativmedizin/Diagnose_und_Behandlungsvorbehalt/ und damit ist jeder nichtörztliches Angehörige des Gesundheitswesen dafür da den Patienten dem Arzt zuzuführen, weil nur der Arzt die Notwendigkeit der Behandlung abschließend feststellen kann.
Zusatz mir gefällt diese Rechtsauffassung nicht, weil ich damit immer den Arzt benötige. Nur die Behandlungsbedürftigkeit kann wie aus der Seite des Gesundheitsministeriums zu entnehmen nur der Arzt feststellen auch wenn das die Kostenexplosion befeuert. Die einzige Möglichkeit in meinen Augen wäre besser ausgebildete Personen in der präklinischen Notfallmedizin unterhalb des Notarztes mit einem klaren Kriterienkatalogen, wann wer zu hospitalisieren, dem Hausarzt zuzuführen usw. ist bzw. auch wo der Patient belassen werden darf oder wo eine Intervention durch das nichtärztliche Personal Vorort ausreicht. Nur mit 100h Theorie :astonished: :open_mouth: wird es schon schwierig zu einer erhöhten Temperatur von 37,3°C etwas zusagen und schon garnicht ob Arzt oder nicht.

Ich muss doch nicht jede hilfsbedürftige person zu einem arzt bringen.

Dqrf ich fragen wer du bist, also juristisch ausbildung, etc?

eine äußerst kreative rechtsansicht deinerseits.
nachdem ich diese noch von NIEMANDEM andern JEMALS gehört habe, ist sie eben genau das. sei dir unbenommen.

Ich denke, dass das Thema generell ein sehr schwieriges ist - wie so ziemlich alle Themen, die sich quasi in einem „Extrembereich“ befinden.
Ich meine damit jetzt nicht unbedingt medizinisch extrem, sondern rechtlich schwammig bzw. nicht ganz klar abgrenzbar.
Ich meine darüber hinaus, dass es kaum theoretisch hinreichend gut klärbar ist, da es wirklich sehr auf die individuelle Situation vor Ort ankommt.
Davon gibt es ja durchaus einige Situationen, die nicht 100% eindeutig zu handhaben bzw. auszulegen sind und ich persönlich vertrete (in dem Beispiel) folgende Meinung:

Wenn ich davon überzeugt bin, dass ein Patient nicht Revers- bzw. Zurechnungsfähig ist, dann ist das so und ich dokumentiere/handle entsprechend.
Wenn ich davon überzeugt bin, dass der Patient sehr wohl Revers- bzw. Zurechnungsfähig ist, dann ist das eben auch so und ich dokumentiere/handle auch entsprechend.
(mit „ich“ ist dabei idealerweise das gesamte Team bzw. in letzter Konsequenz der Transportführer gemeint, d.h. Konsens ist Voraussetzung)

In beiden Fällen kann mir immer ein Problem entstehen - aber 100%ige Sicherheit ist eben in solchen Thematiken nicht unbedingt möglich.
Das gleiche Dilemma hat man auch beim Thema Einsatzfahrt (was, wann, wie, wo) und vielen anderen Themen im Grenzbereich.

Schlussendlich kann man einem sowieso aus fast allem einen Strick drehen, wenn man es darauf anlegt - und dann noch Pech mit diversen Stellen, die dazu ihre Meinung/Entscheidung treffen, hat.
Das soll/darf aber, meiner Meinung nach, nicht dazu führen, dass meine Handlungseinstellung so beeinflusst wird, nur noch 100% sichere Entscheidungen zu treffen, da das dann tatsächlich zu untragbaren Zuständen führen würde (permanente NA-Nachforderungen, Einsatzfahrten ohne Rotüberfahrten, etc.).

Halte ich für ein schönes Schlusswort, ich denke Hick-Hacks kann mit PN ausmachen, vielleicht dann wieder zurück zum ursprünglichen Teil des Themas, ja?

Folgendes Foto hat mich eben erreicht, wir haben’s wohl in eine Fortbildung der JUH geschafft :slight_smile:

Und sorry fürs threadwarming, mich hat’s sehr gefreut und ich halte es für ein gutes Beispiel, dass hier durchaus spannende und relevante Problematiken diskutiert werden! Danke euch allen!
Bildschirmfoto vom 2020-10-05 21-20-36.jpg

Leider eine komplette falsche Information. Eine Vorführung gemäß SPG oder UBG ist eben nicht möglich!

Ein berauschter Zustand ist keine psychische Krankheit. Denn diese ist Vorraussetzung.

Nein, ist sie nicht. Kann es auch gar nicht.
Es kann auch kurzfristige psychische Ausnahmesituationen geben (z.B. Suizidgefahr nach Verlust eines Angehörigen), die keine psychische Erkrankung darstellen.
Da soll eine Einweisung nach UBG nicht möglich sein?

Der Pat. muss schlichtweg „Entscheidungsfähig“ sein.
D.h. er muss seine Situation und die Folgen einer verweigerten Behandlung verstehen können. Ist das gegeben ist er Reversfähig → auch alkoholisiert.
Ist das nicht gegeben, muss die Polizei hinzugezogen werden, welche dann vmtl. den Amtsarzt einschalten wird.

In einer akut lebensbedrohlichen Situation ist in diesem Falle auch eine Zwangsbehandlung möglich.

Mal abgesehen davon glaub’ ich, kann man dem Halmich schon glauben wenn er etwas juristisch bewertet…