Gericht Lehrmeinung oder ????

Hallo ich wollte einmal fragen ob wer weiss wie das ist (war mal eine Diskussion im Dienst)
zählt vor Gericht die Lehrmeinung der jeweiligen Organisation oder zählen die wissenschaftlichen neuesten Erkenntnisse?

weil lt. SanG ja folgendes steht:
§ 4.(1)Sanitäter haben ihre Tätigkeit ohne Ansehen der Person gewissenhaft auszuüben. Sie haben das Wohl der Patienten und der betreuten Personen nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zu wahren.
§ 50. Abs. 1 des SanG. geschrieben steht Sanitäter sind verpflichtet, zur 1.Information über die neuesten berufseinschlägigen Entwicklungen und Erkenntnisse und 2.Vertiefung der in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten.

Ich glaube, dass es so pauschal gar nicht beurteilbar ist.

Grob kann man wohl sagen, dass wenn du der Lehrmeinung folgst und damit gegen den wissenschaftlichen Stand verstößt dir wohl nichts passieren wird. Auch nicht wenn du entgegen der Lehrmeinung dem wissenschaftlichen Stand folgst. Abgesehen von organisationsinternen Konsequenzen.

Wobei „wissenschaftlicher Stand“ ja auch nicht wirklich definiert ist. Die AHA Richtlinien sind in Europa vmtl. nicht viel Wert, die der ERC aber schon.

Bei Leitlinien und Studien wird wohl die Evidenzkkasse ausschlaggebend sein.

Zusätzlich auch deine persönliche Ausbildung. Wenn ein RS von der Lehrmeinung abweicht ist das was anderes als ein NKI mit einschlägigen ALS, EPALS Kursen.

Ein RS der im Brotberuf Intensivpfleger ist wird da wieder was komplett anderes sein.

Das lässt sich nie pauschal beantworten.
Strafprozess / Zivilprozess. Gibt es einen Geschädigten oder um Prävention.
Die Richterbank ist auch wiederum Abhängig vom Vorwurf, vom Einzelrichter über Richter und Fachkundige Beisitzer bis zum Geschworenengericht. Aber fix ist, es kommen mehrere Sachverständige zu Wort, Gutachten, Gegengutachten usw. Ich würde empfehlen entweder weiter im RD zu sein oder sofort damit aufzuhören. :mrgreen:

Das ist die alte Leier die alle alten RK-Lehrsanis immer wieder verbreiten.
Das Wort Lehrmeinung steht nichtmal im SanG.

Was auch egal ist. Die Lehrmeinung der Organisation ist eine verbindliche Weisung an den Mitarbeiter.
Wenn du nach Lehrmeinung handelst, haftet die Organisation für Schäden am Patienten.
Wenn du von der Lehrmeinung absichtlich abweichst, haftest du selbst dafür, dass du nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft arbeitest.

Als NFS hast du halt das „Problem“, dass es für sehr viele Dinge keine Lehrmeinung mehr gibt und du selbst dafür verantwortlich bist dich fortzubilden.
Bei uns wurde im NFS damals z.B. noch die Carotismassage unterrichtet. RK typisch ohne große Erklärungen, Kontraindikationen, etc…
In den letzten 10 Jahren wurde das aber nicht mehr unterrichtet.
Mit dem was ich heute weiß, bin ich inzwischen schon sehr wählerisch bei wem ich das noch anwende und bei wem nicht.

Ich war ja auch schockiert, dass jetzt nicht mal mehr die Kontraindikationen der Hersteller(!) als Kontraindikationen auf den Arzneimittellisten gelistet werden.

Kompetenzüberschreitungen ohne Patientenschaden sind insofern kein Problem, da es eben keinen Kläger gibt.
Wenn Du als RS jedoch ausserhalb der Lehrmeinung stehst, welche für Dich verbindlich ist!!! und der Patient deshalb Schaden erleidet, bist Du alleine vor dem Strafrichter. Die Organisation für welche Du fährst haftet hier nicht, da es sich um grobe Fahrlässigkeit handelt.

Deine Organisation sollte SOPs haben, wonach Du handeln musst. Es gibt da Organisationen, welche für alles eine SOP haben (MA70) und welche, die lediglich die SOPs für die AML1&2 herausgeben (das RK). Bei zweiterem solltest Du „lege artis“ arbeiten. Und Du musst nachweisen, dass Du das was Du machst auch kannst. So lange Du die Medizinprodukte entsprechend der Unterweisung einsetzt und auch nur solche verwendest, welche die Organisation freigegeben hat, bist Du safe.
Bei Prozeduren wie beispielsweise der von Dir beschriebenen Carotismassage bei AVRT (welche richtig ins Auge gehen kann…) musst Du den Nachweis der Unterweisung durch die Organisation erbringen. Wenn sowas schief geht und in einem Insult endet, solltest Du hier gut aufgestellt sein.

Warum wiederholst du alles was ich eh schon geschrieben hab, sogar mit Zitat?

Und wie im anderen Thread geschrieben gibt es auch bei der MA70 nicht für alles eine SOP. Das ist schlicht unmöglich.

Und ja. Inzwischen weiß ich warum die Carotismassage vll. nicht bei jedem Pat. angewendet werden sollte. Aber nur weil ich mich selbst dazu informiert habe und nicht, weil ich es anständig beigebracht bekommen hätte damals. Das war der Punkt den ich klar machen wollte.

Zu den Inhalten der Ausbildung hat das RK heute noch keine Dokumentation.

Mach es Dir einfach. Alles was in der aktuellen Auflage des LPN-NOTSAN steht ist „lege artis“ und sollte Teil Deiner Ausbildung gewesen sein.
Der LPN-NOTSAN ist Deine Versicherung. Alles was da nicht drinsteht (sofern es keine separate Freigabe Deiner Organisation gibt) darfst Du nicht.

Der Entscheidungspfad ist also einfach:

  1. Steht es im LPN-NOTSAN?
    → JA - Durchführen
    → NEIN - Punkt 2

  2. Gibt es eine Sonderfreigabe meiner Organisation?
    → JA - Durchführen
    → NEIN - Lass es sein.

Vor Gericht zählt die Lehrmeinung mWn wenig bis nichts. Das ist reine Vorgabe deiner Orga

Schönes Beispiel: LTS-D, RK sagte Cuffdruckmessung verboten, Hersteller sagt bei Verwendung Cuffdruckmessung
kannst dir ausmalen was dann der Richter sagt.

Äh… Ich weiß grad nicht ob du das ernst meinst oder hier irgendwie trollen willst… Wann wurde der LPN-NotSan als Grundlage für den österreichischen Rettungsdienst definiert? Und in welcher Auflage? Weiß das RK OÖ davon schon?

Aha? Weil? der ist weder Lehrinhalt noch sonst was…

Es gilt für NFS die Lehrmeinung für RS und die zusätzlichen SOPs je Organisation für die NFS (AML1+2, etc). Nicht mehr und nicht weniger. Wenn Du sich daran hältst bist du sicher. Alles andere hängt vom Richter ab.

Nein es gilt was im SanG steht, darauf basierend deine AML, und das MPG, welches natürlich deine Einschulung auf Devices fordert. Und noch einige andere Gesetze, das sollte man beim Berufsmodul lernen.

Nein, das ist leider Nonsense. Wenn NFS nach RS Lehrmeinung (welche es in manchen Organisationen gar nicht gibt) arbeiten würden, dann wäre Ihre Ausbildung ad-absurdum geführt. Ich finde in der Lehrmeinung RK keine Vorgehensweise für ein EKG oder NIV oder das Legen eines Venflons. Der LPN-SAN und der LPN-NOTSAN basieren auf der SAN-AV und wurden von führenden Medizinern und Chefärzten der Organisationen geschrieben. Das ist das, was die SAN-AV medizinisch hergibt. Es geht im Recht immer darum „lege artis“ zu arbeiten. Die beiden Bücher definieren „lege artis“ im Sanitätsbereich.

P.S. Der LPN-NOTSAN ist bei vielen RK LVs Lehrinhalt und es wird daraus unterrichtet. Die MA70 unterrichtet daraus, der SMD unterrichtet daraus, Adiuvare unterrichtet daraus, der ASB unterrichtet daraus, das RK unterrichtet daraus. Bei ASB und RK ist es leider Abhängig vom LV, aber die meisten NFS, die ich kenne hatten den LPN-NOTSAN als Unterrichtsmaterial sogar im LV OÖ nutzt man den LPN-NOTSAN, und das bedeutet schon was.

Wer nach LPN-Ö arbeitet, arbeitet wie im Jahr 2005 und somit komplett fahrlässig.
Das Buch war schon bei Erscheinen (2018) katastrophal veraltet bzw. viel zu wenig umfangreich.

Beispiel: such mal nach Sepsis - wirst nix finden

Es ist der Minimum Standard. Und es ist nunmal das, was wir haben.
Schau, das ist eine rechtliche Frage. Die Frage war, wann wirds brenzlig. Die Antwort: Wenn Du ausserhalb der Lehrmeinung, LPN-NOTSAN und SOPs stehst. Die Ansicht, dass man alles machen darf, so lange man keinen Patienten schädigt, wie viele hier glauben und vermutlich auch praktizieren ist rechtlich gesehen nicht haltbar.

Können wir vielleicht einmal den Begriff „Lehrmeinung“ hier sinnvoll verwenden? Ich denke, dass da einige aneinander vorbei reden.

„Lehrmeinung“ ist das, was in einem Kurs gelehrt wird. Selbstverständlich hat jede Schule (in DE) oder Organisation (in AT) eine Lehrmeinung. Sonst würden sie ja nichts lehren können.

Für die Qualifikation RS hat sich beim ÖRK halt ein eigenes Lehrwerk eingebürgert, das praktischerweise die ganze Lehrmeinung für diese Ausbildungsstufe in einer Mappe schön übersichtlich enthält. Ist bei anderen Organisationen auch anders.

Ab der Qualifikation NFS gibt es selbstverständlich auch eine Lehrmeinung. Nur besteht die halt meist aus einem großen Informationskonvolut bestehend aus Lehrbuch, Skripten zu Vorträgen und (hoffentlich) Referenzen auf wissenschaftliche Empfehlungen.

Manche Organisationen schaffens dann auch noch, unabhängig von dem, was sie lehren, sowas wie medizinische Handlungsanweisungen zu formulieren. Manche halbwegs übersichtlich in SOPs, manche etwas undurchsichtiger mittels irgendwelcher Rundschreiben, wer was tun oder nicht tun darf.

Soweit ich das bisher mitgekriegt hab, sagen alle anerkannten österreichischen Juristen, die sich mit dem Rettungswesen beschäftigen, dass du auf der sicheren Seite bist, solange du das machst, was deine Organisation sagt, dass du tun sollst.

Dieses „was die Organisation sagt“ ist halt bei manchen Organisationen einfacher herauszufinden als bei anderen. :wink:

Spannend wirds dort, wenn nicht klar definiert wird, was aus der „Lehrmeinung“ jetzt tatsächlich von welcher Qualifikation (selber) umzusetzen ist. In der ÖRK-RS-Mappe steht drinnen, dass Frakturen mit Fehlstellungen und MDS-Problemen schnellstmöglich reponiert werden müssen. Die einen leiten daraus ab, das selbst machen zu müssen, die anderen, schnell auf die nächste Unfall zu fahren.

Korrektur bzgl AsB: Beim ASB wird nicht der LPN-Notsan verwendet, sondern Mensch-Körper-Krankheit für den Rettungsdienst, sowie das BLS Buch und ITLS Buch.

Abhängig vom Bundesland kommen noch PALS, ACLS, Recht für Sanitäter (von Halmich) sowie das ASB eigene Pharmakologiebuch dazu.

AbEr eS GiLt dOcH DeR LpN-NoTsAn!!11elf

Da wäre natürlich die Frage, welche gültige Lehrmeinung einer HiOrg verstößt so drastisch gegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass daraus ein ursächlich nachweisbarer Patientenschaden entsteht, der zu einem Gerichtsverfahren führen könnte.
Ganz ehrlich, ich habe meine Zweifel und halte das für ziemlich konstruiert.

Wie schon im Thread erwähnt ist ein zu hoher Cuffdruck beim Larynxtubus schlecht.
Die Luftmenge die mit der beigelegten Cuffspritze reingeblasen wird ist DEUTLICH zu hoch.
Der Cuffdruckmesser ist (zumindest bei uns) nicht am RTW. D.h. wenn ich mal eine halbe Stunde damit reanimiere kann das sehr wohl Auswirkungen auf das Outcome haben.

Ich persönlich finde es sehr befremdlich, dass bei den Medikamenten kaum mehr Kontraindikationen in den Algos sind.
Nicht mal die KIs der Hersteller (siehe Ebrantil).

Den Off-Label Use von Midazolam nasal kann man glaub ich gut mit dem wissenschaftlichen Stand argumentieren. Beim weglassen der KIs bin ich mir da nicht so sicher. Aber die Chefärzte werden schon wissen was sie tun. Sie müssen ja den Kopf dafür hinhalten.