Fallbeispiel - Sturz Bewusstseinstrübung

Ihr habt Nachtdienst als NFS-NKV mit zwei RS Kollegen auf einem ländlich gelegenen RTW Stützpunkt.

Nach einer entspannten Übergabe und Fahrzeugcheck werdet ihr gegen 20:00h das erste Mal alarmiert:

Einsatz RD-17D4 Sturz-Bewusstseinstrübung (ALS-Gelb, kein NEF mitalarmiert)

Einsatzort: ein Bauernhof, etwa 15min Fahrzeit entfernt

75j m B+ A+ Vater ist auf den Hinterkopf gestürzt

Vor Ort erwartet euch der Sohn des Patienten und führt euch in ein Schlafzimmer. Dort findet ihr den Patienten im Bett liegend vor.

A: frei

B: AF leicht erhöht bei ~20, keine Zyanosezeichen, Auskultation o.B. SpO2 schlecht messbar, aber c.a. bei 90%

C: Haut blass und Trocken, Puls 100bpm peripher schwach tastbar, Rekapzeit kleiner 5s, RR 100/70

D: Der Patient ist wach und fixiert euch, antwortet aber auf sämtliche Fragen nur mit “Ja”

Pupille rechts größer als links (laut Sohn bereits bekannt), bds. lichtreagibel

GCS: 11 (Augen: 4, Antworten: 3, Motorik: 4)

E: kleine Beule am Hinterkopf, sonst keine Auffälligkeiten

Wie würdet ihr weiter vorgehen?

Bin zwar nur RS aber wenn ich so früh dran bin rate ich mal mit :slight_smile:

Zucker?
RS sollen versuchen ob doch noch mehr möglich ist als “JA”, also ZOPS, Fast und Sampler.

Parallel NKV Fremdanamnese mit Sohn in getrenntem Raum. Sampler + besondere Aufmerksamkeit auf Vorerkrankung, Demenz, Medikamente, wurde Sturz beobachtet, war Pat bewusstlos…

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D hätte ich noch gerne ein BE-FAST und ZOPS

Die RS sollen mal die VP fertig machen (BZ, EKG, Temp)

Rekap geht noch genauer, unter 5sec ist mir zu unspezifisch. Rekap zentral / peripher ? Wie sind die Schleimhäute / Zunge

In der Zeit wo die RS das machen würde ich als NKV mit dem Sohn reden. SAMPLER. Wie war der Ufhg genau?

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Der Patient war wach, reagierte aber lediglich ungezielt auf Schmerzreiz? Könntest du das näher beschreiben wie der Patient reagierte? (z.B Grimmasieren?)

Sonst würde ich initial mal volles Trauma-Programm fahren mit allem was dazu gehört bis entweder A: der NA da ist und gegenteiliges anweist oder B: ich selbst genug Zeit hatte um die Situation besser einschätzen zu können.

Aber die GCS 11 in Kombination mit Sprachautomatismus schätze ich als eher gefährlich ein. Interessant wäre ein Check ob nonverbale Kommunikation mit dem Patienten möglich ist um herauszufinden ob er eine schwere Broca-Aphasie oder eine Global-Aphasie hat.

Höchstrelevant halte ich auch Fremdanamnese mit dem Sohn um zu erfahren, ob er sich in der Zeit zwischen Unfall und Eintreffen RD neurologisch verschlechtert hat.

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D hätte ich noch gerne ein BE-FAST und ZOPS

BE-FAST und ZOPS

ZOPS: keine adäquaten Antworten. Entweder der Patient antwortet gar nicht, oder es kommt nur “Ja” zurück.

Balance: Aufstehen/Aufestzen aus eigener Kraft ist nicht möglich
Eyes: Patient fixiert die Sanitäter. Da er keine Adäquaten Antworten möglich sind, wissen wir nicht ob Sehstörungen vorliegen.
Face: Patient hat einen neutralen Gesichtsausdruck. Keine hängenden Mundwinkel. Zähne zeigen auf Aufforderung nicht möglich.
Arms: Bewegt die Arme spontan eher ungezielt. Zusammendrücken/Hochhalten auf Aufforderung nicht möglich.
Speech: Entweder “Ja” oder gar keine Antworten. Die Wenigen Worte die er von sich gibt scheinen allerdings nicht “verwaschen” zu sein.

Der Patient war wach, reagierte aber lediglich ungezielt auf Schmerzreiz? Könntest du das näher beschreiben wie der Patient reagierte? (z.B Grimmasieren?)

Schmerzreiz an der Schulter → Grimmasiert, dreht sich weg und beugt Arme

Interessant wäre ein Check ob nonverbale Kommunikation mit dem Patienten möglich ist um herauszufinden ob er eine schwere Broca-Aphasie oder eine Global-Aphasie hat.

Sehr guter Einwand! Haben wir leider nicht versucht, ist uns in der Nachbesprechung aber auch aufgefallen.

Rekap geht noch genauer, unter 5sec ist mir zu unspezifisch. Rekap zentral / peripher ? Wie sind die Schleimhäute / Zunge

Rekap wurde nur peripher gemessen und liegt im Bereich von etwa 2-3 Sekunden. Die Schleimhäute sind blass-rosig. Mundtrockenheit oder außergewöhnlich hoher Speichelfluss sind nicht feststellbar.

Die RS sollen mal die VP fertig machen (BZ, EKG, Temp)

BZ liegt bei 280mg/dl, EKG: zeigt eine Sinustachykardie mit einer Frequenz von 100bpm, Temperatur liegt bei 36,5C

Parallel NKV Fremdanamnese mit Sohn in getrenntem Raum. Sampler + besondere Aufmerksamkeit auf Vorerkrankung, Demenz, Medikamente, wurde Sturz beobachtet, war Pat bewusstlos…

Höchstrelevant halte ich auch Fremdanamnese mit dem Sohn um zu erfahren, ob er sich in der Zeit zwischen Unfall und Eintreffen RD neurologisch verschlechtert hat.

Symptome: Bewusstseinstrübung nach Sturz.

Allergien: Penicilin

Medikamente: Eliquis, Atorvastatin, Insulin

Patientenvorgeschichte: Diabetes Mellitus Typ II, Hüftoperation vor c.a. einem Jahr

Last Ins/Outs: Mittagessen normal eingenommen und ausreichend Getrunken. Stuhl/Harn keine Auffälligkeiten

Ereignisse: der Patient ist heute gegen Mittag beim Arbeiten im Stall ausgerutscht und mit dem Hinterkopf am Boden aufgeschlagen. Da er neben der Beuele und Schmerzen am Hinterkopf keine weiteren Verletzungen hatte, hat er keine medizinische Hilfe in Anspruch genommen und weitergearbeitet. Vor etwa zwei Stunden sei er plötzlich “komisch” geworden und zunehmend eingetrübt.

Risikofaktoren: keine

Also die akute Verschlechterung, nach dem Sturz, mit der Information der Blutverdünnung würde für mich reichen, einen NA nachzufordern, sowie einen zügigen Abtransport Richtung Klink mit Neurochirurgie, mittels NAH (da ländliches Gebiet) in die Wege zu leiten.
Vor dem Abtransport noch ein vollständiger Trauma-Check sowie ein Basismonitoring und O2 über Maske, falls die O2 Sättigung unter 90% fallen sollte.
Bei weiterer GCS/Neruologischer Verschlechterung weiße ich meine Kollegen an, nötiges Material für eine RSI vorzubereiten. Wenn möglich Redenz-Vous mit NA.

Mich würde vorher noch “B” wegen der bekannten Diabetes und der Hyperglykämie genauer interessieren. Riecht der Atem nach Aceton? Liegt evtl. eine Kußmaul-Atmung vor?

Sonst würde ich noch um einen Zugang + VEL ergänzen.

Nein.

(Beitrag muss mindestens 20 Zeichen lang sein)

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schließe mich den vorrednern an.

erster verdacht: SHT höhergradig, lässt sich schwer verifizieren deshalb maximalversorger mit Bildgebung, ideal mittels NAH

CAVE: VP passen nicht so ganz zur Blutung (Stichwort Cushing Reflex)

BZ beunruhigt mich nicht, da vermutlich Typ 2 DM, da sind wir vom hyperosmolaren Koma noch weit weg.

Wenn möglich noch ein orientierendes EFAST mittels POCUS, da hier eine potentielle Blutung nicht übersehen werden darf.

DD: PAE (Rechtsherzbelastung auskultatorisch?), AAA (vorbekannt?)

Zusammengefasst: offensichtlich wäre hier ein neurologisches Problem, passt aber nichtso ganz. gibts irgendwelche Anhaltspunkte für Intox (organophosphate bzw cholinerges toxidrom? Benzos?)

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Es gibt keine Hinweise, dass der Patient mit Pflanzenschutzmittel o.ä. hantiert hätte. Aber gute Idee.

In dem Setting aus meiner Sicht Transport zum nächsten CT. Das geht offensichtlich, der Patient ist stabil.

Dann könnte man der Neurochirurgie mit Bildern vorstellen, je nach Befund steigen die ein oder auch nicht. Das Alter + Eliquis ist nicht gerade einladend…

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Ich würde den Patientenzustand zu diesem Moment des Fallbeispieles nicht als stabil bezeichnen bzw. trifft die Definition die ich bezüglich eines stabilen Patientenzustandes kenne, nicht auf diesen zu, denn dieser verschlechtert sich zunehmend (zumindest in meiner Wahrnehmung des Fallbeispiels).

Auch wenn ich mit dem Rest deines Vorschlages voll mitgehe und dieser ja auch im Einklang mit dem von mir verfassten steht.

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A+

B+

C+

D~ weil Problem, aber ned so das man jetzt sofort intubieren müsste oder so.

Wennst ne Stunde fahren würdest schaut die Welt anders aus, aber (hamma no ned gefragt) der Weg ins nächste Krankenhaus ist wahrscheinlich ned mega weit. In meinen Augen ein Fall von Load & Go, du kannst (bis auf BZ) präklinisch NICHTS tun. Also freut euch am stabilen (oder transportfähigen) Zustand, gönnts ihm einen Venflon und eine Infusion…

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Danke für den Hinweis @zeillerkommentar

Nächster Maximalversorger ist mit ~20min Fahrzeit erreichbar.

Da wir hier in einem Forum sind und doch des öfteren besondere Einsätze besprochen werden, fürchte ich ja, dass es noch einen Twist im Plot gibt. :wink:

Wenn wir das weglassen, muss man halt sagen, dass die Klinik, die Anamnese und vor allem das Eliquis sehr deutlich für eine Hirnblutung sprechen, auch wenn nicht alle Vitalparameter ganz klar in das Bild passen.

In meinem Rettungsdienstbereich ist die Policy, dass solche Patient:innen ins nächstgelegene Krankenhaus mit Möglichkeit zum CT kommen und es ist ausdrücklich nicht gewünscht, sie direkt auf eine Neurochirurgie zu transportieren. Ich habe mir da einmal den Hintergrund erklären lassen und der sei, dass viele Patient:innen sowieso nicht sofort operiert werden müssen.

Zum Fallbeispiel: Ich würde den Patienten rasch und angekündigt solo ins nächste geeignete KH bringen. Ob Unfallambulanz oder Schockraum soll mir am Telefon der diensthabende OA sagen.

Ich denke nicht, dass ein NA hier präklinisch eine RSI machen würde, so lange der Patient gute Schutzreflexe hat (außer NAH, weil schlechte Interventionsmöglichkeit am Transport).

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Dazu passend: Auf Netflix gibt es gerade eine Doku-Serie, die über das Londoner Trauma-Netzwerk berichtet. Es kommt sehr wenig Präklinik vor, aber ich fand die Darstellung/Aufbereitung der innerklinischen Versorgung sehr spannend und gut gemacht. Kein Vergleich zu dem fachlichen Schrott, der meist aus Deutschland kommt. In den letzten beiden Folgen kommt zwei Mal ein SHT vor, das nicht operiert wird.

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Ich musste die “Doku” nach nicht mal einer Folge abschalten.

Für eine Doku wirds mir schon arg überdramatisiert und das Ganze hin und her gespringe mittels Schnitt machens unnötig mühsam zu folgen.

Da wir schon beginnen abzuschweifen, @Tragsesselmeister bitte um Auflösung.

Jawoll.

Aufgrund der Anamnese haben wir uns relativ schnell - trotz der etwas untypischen Symptomatik - auf die Verdachtsdiagnose SHT/Hirnblutung geeinigt.

Der Patient erhielt von uns 6L Sauerstoff, einen Zugang, sowie 500ml VEL und wir strebten einen zügigen Bodengebundenen Transport in den etwa 20min entfernten Maximalversorger an.

Sicherheitshalber würde ein NEF auf Rendez-vous dazugeholt. Vom Notarzt erfolgte außer der gabe von Antiemetika nur eine zusätzliche telefonische Vorankündigung an das Schockraum Team. Eine Intubation im Fahrzeug wurde kurz überlegt, aber aufgrund des unveränderten Patientenzustandes nicht durchgeführt.

Und der Twist?

Es gibt keinen Twist :wink:.

Das im Schockraum angefertigte CT konnte die Hirnblutung tatsächlich kurz nach Ankunft bestätigen. Der Patient würde danach auf die Intensivstation verlegt. Wie es dann weiterging konnte ich aber nicht erruieren.

Ich habe das Fallbeispiel hauptsächlich deswegen vorgestellt, weil es zeigt wie schnell sich eine vermeindliche Bagatell-Kopfwunde unter Antikoagulation zu einem kritischen Problem entwickeln kann (und ich das so auch zum ersten Mal in Echt erlebt habe).

Ich danke euch jedenfalls fürs fleißige mitraten. Es waren durchaus einige gute Ideen und DDs dabei an die ich selbst noch nicht gedacht habe.

Alle unwichtigen Details zu diesem Fall entsprechen zur Wahrung der Patientenprivatsphäre natürlich nicht der realität.

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Danke.

Kommt vor allem recht häufig vor sowas. Ich kann gar nicht mehr zählen wie oft ich in den lokalen Altenheimen war nach Bagatellstürzen und die Leute zu den ärgsten Nachtstunden ins nächste KH kutschiert habe.

Gewesen ist nie was, aber wenn man belassen hätte und es hätte sich so entwickelt wie in deinem Beispiel wärs wohl nicht so angenehm gewesen für uns Sanis.

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