Rechtfertigender Notstand auch in Österreich denkbar...?

Lieber San-Druide,

der rechtfertigende Notstand wird auch übergesetzlicher Notstand genannt, und das macht klarer worum es hier geht:
das ist ein Werkzeug für den Richter/Staatsanwalt besondere Tatumstände zu berücksichtigen, unter denen ein Täter ein Rechtsgut bricht und dem deswegen eine strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Strafe droht.

Es ist hierfür immer im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit zu prüfen, sehr verwandt mit Notwehr/Nothilfe - da gibt es den Begriff des Notwehr-Exzesses, also eine Überschreitung der Verhältnismäßigkeit.
In dem Fall ist ganz normal zu bestrafen - und daher wird sich ein normaler Mensch nie gerne auf solches rechtliche Glatteis bewegen.

Dass Deutschland alle 1c Massnahmen darüber abwickelt ist eigentlich absurd und ein Affront für die RettAss/NoSan, die sich zu Recht sehr darüber beschweren. Aber es gibt dort wenigstens einige Jahre an Rechtspraxis, somit sind die Entscheidungsergebnisse etwas erwartbarer als in O.

Ein wesentlicher Punkt beim rechtfertigenden Notstand ist dieses Kriterium: „wenn in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war.“ Dafür wird die Justiz nicht deine persönlichen Maßtäbe heranziehen, sondern eben von einem „Normalbürger“ ausgehen mit gleichen Skills.
Nur wenn von diesem Normalo kein anderes Verhalten zu erwarten war wirst du frei gehen.

Ich kann daher nur jedem/jeder raten sehr genau zu überlegen was er/sie tut - und diesen Passus nicht als generellen Freibrief zu nehmen.

Auch die Tatbegehung durch Unterlassung ist so eine Sache - gerne bemüht als „du musst ja“. Das trifft nur dann zu, wenn du
a) eine Garantenstellung hast (als privater Dazukommender hast du die nicht, als RDler der im Dienst ist oder sich in Dienst stellt sehr wohl!)
b) die unterlassene Maßnahme zur Gefahrenabwehr zwingend notwendig war
c) die Abwendung der Gefahr einem „Normalbürger“ mit gleichen Skills zuzumuten war.

Als Maßstab für den Normalo wird hier der durchschnittlich mutige RDler mit vergleichbaren Qualifikationen heran gezogen werden.
Alles das über die Regelmaßnahmen hinausgeht qualifiziert mit Sicherheit keine Unterlassung, und somit „musst du NICHT“. Und kannst dich auch nicht auf eine solche Rechtsabwägung berufen.
Wenn deine AMLs leer sind, du aber „zufällig“ die Medikamente bei dir hast, gilt dennoch: der ärztliche Leiter deiner Einrichtung hat diese nicht freigegeben → kein Tatbegehung durch Unterlassung.
Der einzige Punkt bei dem der Chefarzt laut SanG nicht mitzusprechen hat ist die Infusion kristalloider Lösungen - ist diese unbedingt zwingend zur Gefahrenabwehr geboten, und du dafür qualifiziert, und würde der Normalo das auch so sehen (es ihm zumutbar sein), dann wäre hier ggf. eine Tatbegehung durch Unterlassung konstruiert bar. Das zeige mir in der Praxis, ich denke mir so ein Urteil wird es nie geben.