Ich habe mir das ganze auch angeschaut und obwohl ich dagegen bin, hinterher alles zu zerpflücken (Wenn man schon vorher wüsste, was man alles hinterher weiss, hätte man jeden Samstag 6 Richtige im Lotto), muss der, der sich mit seinen Einsätzen von Kamerateams begleiten lässt, auch gefallen lassen, daß das, was da gezeigt wird, kommentiert wird.
Dieser Patient hatte offensichtlich ein Schädelhirntrauma mit GCS3, Pupillendifferenz, Verlegung der oberen Luftwege, Thorax stabil, Becken stabil, WS-Trauma (bei GCS3-Patienten nach Trauma MUSS von WS-Trauma ausgegangen werden) nicht bekannt, Kreislaufsituation nicht bekannt ( ).
Der NA sagt im Interview noch etwas von „Schädelbasisfraktur“, wie er darauf kommt, ist mir nicht klar, hat auf die Versorgung aber eigentlich keinen Einfluss (ausser, dass die Möglichkeit eines HWS-Traumas dadurch höher erscheint).
Wegen Schädelhirntrauma und ansteigendem Hirndruck wird die Indikation zur Intubation gestellt, zur Stabilisierung der Kreislaufsituation werden 2 großlumige Zugänge gelegt.
Patient wird dann in einer Art KTW (in Leipzig haben sie einen Porsche Cayenne als NEF. Warum haben sie in Magdeburg dann RTWs, die kleiner sind, als das?) in einen Schockraum gebracht.
Was ich NICHT oder SO NICHT gemacht hätte:
- Patienten mit erhöhtem ICP (Hirndruck) zu hyperventilieren, ist ok. Dazu muss man aber verhindern, daß die Patienten husten, pressen. würgen, sich gegen die Intubation wehren oder gegen die kontrollierte Beatmung arbeiten.
Sonst erhöht man den Hirndruck massiv.
Zur Hyperventilation gehört auch die Kapnographie, die Messung des exspiratorischen CO2, UND die Messung des Blutdrucks.
Ohne beides ist Hyperventilation keine „kontrollierte Hyperventilation“ und kann mehr schaden, als nutzen.
Der CPP (Cerebral Perfusion Pressure/Perfusionsdruck des Gehirns) ist MAP (Mean Arterial Pressure/arterieller Mitteldruck/MAP: 2x diastolisch + 1x systolisch durch 3) minus ICP (Intracranial Pressure/Hirndruck).
Der normale CPP ist um die 70 mmHg.
Aus einem Blutdruck von 80/60, unter dem man normalerweise synkopiert, ergibt sich, dass ein MAP von 2x 60 + 80 durch 3: 66, 6 minus 5: etwa 60 mmHg die unterste Grenze ist, die man für den CPP toleriert.
Bei einem Schädelhirntrauma mit Symptomen wie hier, geht man von einem ICP von über 40 aus.
Das heisst, um einen CPP von 60 zu haben, müsste der MAP mindestens 100 sein, das wäre bei einem Blutdruck von 150/75 der Fall.
Darunter wäre der CPP Null (0) und das Gehirn wäre tot.
Also hyperventiliert man den Patient.
Hyperventilation verengt die Gehirngefässe (deshalb kollabieren Hyperventilierinnen), senkt dadurch das zerebrale Blutvolumen, das Gehirn „schrumpft“, der ICP sinkt, CBF (cerebral blood flow/zerebraler Blutfluss) und damit CPP steigen, der MAP muss nicht so hoch gehalten werden und alles freut sich, alles lacht.
Aber nicht so schnell, kleiner NA:
Dem entgegen steht, dass massive Hyperventilation ihrerseits den CBF (und damit CPP) senkt (s.o.) und venöse Abflusshindernisse (Husten, Pressen, Würgen, PEEP, Stiff Necks) den ICP erhöhen (deshalb sollen nicht intubierte, nicht hyperventilierte SHT-Patienten kein Stiffneck mehr angelegt bekommen).
Zur Hypervetilation intubierte Patienten benötigen deshalb Kreislaufmonitoring (MAP IMMER über 60) und Kapnographie. Der arterielle PCO2 ist normal 40 mmHg, zum Hyperventilieren senkt man den auf 30 - 35 mmHg, nicht darunter. Die Geräte berechnen das aus der ausgeatmeten CO2-Konzentration von (normalerweise) 5%
(Manche zeigen auch diesen Wert an. Zum Hyperventilieren senkt man den auf etwa 4%).
Hypoventilation erhöht den Wert.
Was ich deshalb anders gemacht hätte:
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Nicht nur „5 mg Dormicum“ zur Intubation. Dieser Patient wehrt sich gegen die Intubation und man sieht noch bis zur Übergabe in den Schockraum, daß er gegen das Gerät atmet. Ich hätte ihn mit (jeweis ausreichend) Propofol und Fentanyl eingeleitet und je nachdem, was man dabei hat, mit Sicherheit mit einem nicht-depolarisierenden Relaxans (Tracrium) relaxiert.
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DAVOR hätte ich ein Kreislaufmonitoring angeschlossen und DANACH (zusätzlich) eine Kapnographie. Den MAP hätte ich dann über Volumengabe gesteuert (zumindest hätte ich das versucht), das AMV über die Kapnographie (dieser nicht-sedierte Patient hatte wahrscheinlich einen Blutdruck von 250/100 bei Übergabe. Den hätte ich mit Propofol und Fentanyl + Dormicum normalisiert).
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Die beiden großlumigen Zugänge hätte ich 1. beschickt und 2. nicht mit Deckeln verschlossen, sonst sind sie 1. sinnlos und 2. nicht zu gebrauchen, wenn man sie braucht.
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Einen Patienten bei Tageslicht mit dieser insuffizienten Analgosedierung mit Hilfe eines grauen Plastikeinmalspatels auf dem Laryngoskop, der, wenn er dann mal leuchtet, so hell ist, wie die 6-Volt-Beleuchtung eines alten VW Käfers, in einem Straßengaben zu intubieren, halte ich für fast unmöglich.
Diesem Patienten hätte ich einen Esmarch-Handgriff zur Behebung der Atemwegsverlegung zukommen lassen und ihn unter kontrollierten Bedingungen im Fahrzeug intubiert, unter Berücksichtigung der Kreislaufparameter und der Kapnographie und unter Einsatz suffizienter Medikamente zur Einleitung der Narkose.
Hätte es gleich passieren müssen, hätte ich ihn auch im Straßengraben „geschnorchelt“. Aber erst nach Anschluss des Monitoring und ausreichender Narkoseeinleitung.
Die Kleidung hätte ich der Person erst im Auto aufgeschnitten.
Danach hätte ich dem Materialbeschaffungs-Stewart (früher: Materialwart) gesagt, er soll diese grauen Plastikspatel wegschmeißen.
Dass man das im Straßengraben gemacht hat, weil ein Kamerateam nicht mit in diesen Mini-RTW passt, wage ich nicht zu denken.
Das wäre unethisch und hochgradig strafbar.