Man hilft ja, wo man kann, vor allem jungen Kollegen und ich möchte dabei erwähnen, wie toll ich es finde, sich mangelndes Wissen einzugestehen und nachzufragen, nichts ist schlimmer als Rettungsrambos die denken, sie hätten die Weisheit mit dem Löffel gefressen und wissen eh alles und im Endeffekt kommt nur patientengefährndendes Arbeiten dabei raus.
Zu deiner Frage: So einfach ist es leider nicht, man muss hier leider um einiges differenzierter Denken. Wenn A dann B gibts im RD leider sehr selten.
Allein zu den Beispielen fallen mir tausend Möglichkeiten ein und nachdem ich auch nicht der Weisheit letzter Schluss bin meinen Kollegen wahrscheinlich noch viel mehr. Aber das soll ja jetzt auch keine „Wer weiß am meisten“-Competition werden, da wären wir wieder bei den Rettungsrambos. Eine kleine Auswahl mag ich dir trotzdem mitgeben.
Grippaler Infekt: Interne. Najo. Wenns wirklich nur das ist, why not. Dann hast aber vielleicht deinen grippalen Infekt im Pensionistenheim mit DK in situ, ists vielleicht ein Harnwegsinfekt, den hätt dann die Uro gern gesehen. Muss man dran denken. Dann ists vielleicht Omma Brömmelkamp aus dem Heim, 80a, Dement, du denkst dir nix dabei, dass sie bewusstseinseingetrübt ist, FA auch „jaja, is immer so“, nach der Harnausscheidung fragt wie immer (erleb ich leider selten viel zu oft, dass das niemanden interessiert) niemand. Und schon liegt die gute Dame septisch auf irgendeiner Notaufnahme im Wartebereich ab. Muss man dran denken.
Welche Ursachen ein Drehschwindel im neurologischen Formenkreis haben kann, möcht ich jetzt gar nicht vortanzen. Eine großflächigere Verbrennung, und besonders dieses Verletzungsbild wird gern mal als zu „leicht“ angesehen, macht den Dermatologen nicht wirklich glücklich. Weißt du welches Spital einen art. Verschluss behandeln kann, sprich welche Chir. Abt. auch eine Gefäßchirurgie dabei hat?
Du siehst, deine vielen „Standard-Sachen“ können enorm viele Fallstricke beinhalten. Und ich habe mich tatsächlich sehr oberflächlich an das Thema herangewagt, ich hätte noch so viel mehr schreiben können.
Wie begegnen wir nun dem Problem?
- Die Sichtweise: Geh nie von „Standardsachen“ aus, das engt den Blick ein, man übersieht was (Stichwort Confirmation Bias, googeln!).
- Die Anamnese, der Status: Ausführlichst. Und zwar bei jedem Patienten. Einerseits resultiert das aus 1). Andererseits übt man Fragen, Abläufe usw. für den Patienten, bei dem es wirklich mal drauf ankommt, dass man genau diese Frage stellt, genau diese Untersuchung macht, etc.
- Und daraus resultierend: Fortbilden, nachfragen (eh schon super gemacht), üben! Nervig sein, andere, die mehr Wissen und Erfahrung haben fragen. Nicht zu stolz sein dafür, nicht denken man kann es eh. Die Medizin hat keinen Platz für Ego. Nie denken, man steht am oberen Ende der Wissensleiter. Egal wie gut man von anderen oder sich selbst eingeschätzt wird. Wenn man das denkt ist man ziemlich sicher auf der linken Seite des Dunning-Kruger-Effekt-Diagramms. Auf der rechten Seite hab ich noch niemanden erlebt.
Und immer dran denken: Auch die besten brauchen für einen guten Einsatz keine 10 Minuten sondern viele viele Jahre.
Viel Spaß am Lenkrad