Hallo liebe Kollegen,
ich habe eine Frage bezüglich Hausärzten und die Weisungsgebundenheit von Sanitätern an diese.
Das ein Sanitäter, egal welcher Kompetenz, prinzipiell an Anweisungen der Ärzte gebunden ist, ist mir schon klar. Aber wie wir wahrscheinlich alle wissen, sind Hausärzte nicht unbedingt die besten Notfallmediziner und der ein oder andere Sanitäter hat wesentlich mehr Erfahrung in akuten Notfällen, auch wenn das Kompetenzspektrum eines Arztes natürlich ein anderes ist.
Aus der Praxis weiß ich, dass Hausärzte oft relativ „komische“ Anweisungen geben. Ich wollte einmal fragen, wie ihr das seht: Handelt man strafbar, wenn sich über gewisse hinwegsetzt? Oder besser gesagt: Wenn ich aufgrund einer Anweisung des Arztes die Hilfeleistung unterlasse? Damit ihr wisst was ich meine, möchte ich euch zwei Beispiele nennen. Das Erste habe ich selbst erlebt, vom Zweiten weiß ich, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat.
1.)
Wir werden ohne Blaulicht zu einem V.a. Angina Pectoris gerufen. BO: Die Praxis eines Hausarztes. In der Info am Datenterminal: „Sitzend“. Im guten Glauben an die ärztliche Kompetenz haben wir den Tragsessel ausgepackt und sind in die Praxis in den ersten Stock marschiert. Darauf hin kommt die Arzthelferin her, drückt mir den Befund der Untersuchung inkl. EKG in die Hand, zeigt uns den Patienten und verschwindet wieder. Da ich bei einer akut aufgetretenen AP prinzipiell einen Notarzt nachfordern würde, lasse ich mich nicht abwimmeln und laufe ihr nach um vielleicht kurz zu erfahren wo denn der Herr Doktor steckt und was dem Patienten so fehlt. Während ich auf den Arzt warte, verlade ich den Patienten auf unseren Tragsessel und begutachte ihn gleich. Was mir auffällt: Eine leichte Belastungsdyspnoe, die Haut ist etwas schwitzig aber rosig und warm, ansonsten oB. Als der Arzt zu mir kommt meinte er bitte einmal ohne Blaulicht auf die medizinische Ambulanz - und war so schnell wie er gekommen ist wieder verschwunden. Ich versuche das EKG zu entziffern, lasse es als RS ohne EKG-Schulung aber gleich wieder bleiben. Eine ST-Erhebung, das einzige was ich erkennen würde, ist zumindest nicht drauf. Darauf hin bringen wir den Patienten ins Auto. Währenddessen erzählt uns der Patient noch von einem leichten Thoraxschmerz. Im Auto entschied ich mich den Patienten auf die Liege umzulegen und RR und SpO2 zu checken, beides war in Ordnung.
Jetzt war ich in der Zwickmühle: Dem Arzt vertrauen? Oder doch den Notarzt nachholen? Ich erhob noch einmal den Patientenzustand ohne Geräte und entschloss mich dem Hausarzt zu vertrauen. Der Patient sah nicht so aus, als ob er jeden Moment versterben würde - aber ganz geheuer war mir dabei doch nicht.
Nun ja, was ist dabei heraus gekommen? Das kann ich euch dank dem nicht vorhandenen Qualitätsmanagementsystems im Rettungsdienst leider nicht sagen. Der Patient kam zumindest lebend und ohne Verschlechterung des Zustandes in der Klinik an.
Was meint ihr dazu - auf den NA bestehen oder zumindest blau ins Krankenhaus fahren? Was, wenn der Zustand des Patienten schlechter gewesen wäre?
Beispiel 1 ist noch relativ harmlos. Jetzt wird’s lustig (wenn auch nicht so detailliert, da ich wie bereits erwähnt nicht selbst dabei war).
2.)
Ein Patient kommt mit Herzbeschwerden in die Ordination des Hausarztes und erleidet direkt am Behandlungstisch einen Atem-Kreislauf-Stillstand. Der 10 Minuten später eintreffenden RTW-Besatzung zeigt sich folgendes Bild: Der reanimationspflichte Patient liegt auf der Krankenliege, und der Arzt steht daneben und tut nichts. Kein EKG, kein Defi geklebt. Er meinte, die RTW-Besatzung muss nicht mehr reanimieren, er hat bereits wirkungsloser weise L-Adrenalin gespritzt. Ein paar Minuten später trifft der Notarzt ein und weist der Mannschaft vor Ort natürlich sofort an mit der Wiederbelebung zu beginnen. Der Patient wird ins Krankenhaus gebracht und verstirbt dort.
Meine Frage an euch: Hättet ihr trotzdem zu reanimieren begonnen? Macht man sich als Sanitäter der unterlassenen Hilfeleistung strafbar, wenn man es nicht tut? Man muss schon ziemlich viel in der Hose haben, um gegen die Anweisung eines Arztes zu handeln - aber der Arzt konnte in diesem Fall meiner Meinung nach gar keine Aussage treffen ob es sich noch lohnt zu reanimieren oder nicht.
Mich würden eure Meinungen zu den zwei Fällen interessieren. Die Diskussion bezüglich Ausbildung und Ausstattung auf RTWs bitte bleiben lassen, das hilft den Patienten vor Ort relativ wenig.
Liebe Grüße
SanG