Ersthelfer und Konsequenzen

Morgen,

ich hoffe ein rechtkundiger Kollege kann mir einige Fragen beantworten.

Wie verhält es sich mit Kompetenzen, wenn ein Sanitäter als Ersthelfer zu einem Patienten kommt?
Zählt das SanG, d.h. er darf im Rahmen seiner Ausbildung Zugänge legen, intubieren etc?
Wie schauts dann mit der Intubation für NKIs aus, die keine schriftliche Ermächtigung vom Chefarzt haben?
Oder rennt der rechtfertigende Notstand und man „darf“ alles machen, was man sich zutraut?
Welche Konsequenzen kann man erwarten, wenn was schief läuft?

Danke

Ich stell mir die Frage, wie du als Ersthelfer intubieren willst ohne die Handsoff Zeiten massiv zu verschlechtern! Ersthelfer machen CPR und Ende!

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einhändig pumpen und mit da anderen hand kopf reklinieren und mit den zehen den tubus reinpflanzen

kurz: du musst alles machen was du kannst und darfst!

bist du zb in wien nki und fährst dann in kärnten RD, so musst du auch dort dein wissen und können anwenden. unabhängig davon ob es das RK freigegeben hat oder nicht.

das ist ja das verrückte mit notärzten die rtw in ihrer freizeit fahren. sie bleiben trotzdem notärzte.

Das ist so nicht ganz richtig.
Die Allgemeinen Notfallkompetenzen NKA und NKV kann und darf ich jederzeit anwenden §11 SanG. Nur muss ich mich an die Arzneimittelliste der Organisation halten für die ich gerade tätig bin.
Die Besondere Notfallkompetenz NKI § 12 SanG benötigt eine schriftliche Ermächtigung durch den für die ärztliche Versorgung zuständigen Vertreter der jeweiligen Einrichtung gemäß § 23 Abs.1 SanG.
Das heißt der NKI der Wiener Berufsrettung muss, falls er beim RK in Kärnten fährt, die schriftliche Freigabe des RK Chefarzt einholen um die Besondere Notfallkompetenz Intubation und Beatmung anzuwenden.

so die theorie. bei einem akuten notfall kann er sich dann aber nicht drauf ausreden. sprich er wird rechtlich eher ein problem bekommen wenn er sie nicht angewandt hat, als wie wenn er sie angewandt hat.

Aber wenn er beim RK fährt, ist er kein Ersthelfer!

Gesendet von meinem PLK-L01 mit Tapatalk

Das ist eine ganz einfach zu beantwortende Frage:

Du musst im Prinzip gar nichts anwenden, es reichen die absoluten Basismaßnahmen (Hands-only CPR, B-lose in SSL, etc). Es „reicht“ bedeutet, dass man nicht Gefahr läuft sich der unterlassenen Hilfeleistung (§95 StGB) schuldig zu machen. Meiner Meinung nach sieht es genauso aus wenn man die Verletzung selbst verursacht hat (§94 StGB). Und praktisch wird niemand draufkommen ob du mehr machen hättest können. Was sinnvoll ist ist nochmal eine ganz andere Diskussion.

Auf der anderen Seite „darf“ man alle Maßnahmen anwenden, die man sicher beherrscht. Die Indikation sollte natürlich auch bestehen. Diese Maßnahmen werden (rein aus Beweisfragen) eher nur die sein, die man im Rahmen seiner Tätigkeit bei einer HiOrg ausüben darf. Da ist man einfach auf der sicheren Seite.

Viel mehr würde ich absolut nicht empfehlen. Sehr viele Maßnahmen sind auch wirklich gefährlich, besonders wenn man sie ohne Unterstützung/Assistenz durchführt.

Was mich ein bisschen verwundert sind die unstrukturierten Postings auf eine Frage, die für eine richtige Antwort zu wenig Informationen bietet.

Was darf ein Ersthelfer rechtlich. Hier steht die große Frage im Raum, was gibt der vermeintliche Patient von sich und ist diese Willensäußerung beachtlich? Wo (Territorialbegriff) ist der Ort der ersten Hilfe. Erst dann kann eventuell über den Schluss der Geschäftsführung ohne Auftrag, dem StGB usw. Schritt für Schritt eine Antwort gefunden werden. Selbstverständlich müssen auch noch geklärt sein, ob der Ersthelfer in einer aufrechten Ehe und oder in einer Verwandtschaftsbeziehung zum Patienten steht oder sogar die Obsorge für ihn hat. Sind spezielle Rechtsnormen anzuwenden (SanG. ÄrzteG. usw.).

Ich gehe ja bei einem Rettungseinsatz hirarchisch und strukturiert vor, so nach dem Motto: es ist mir nun ein wunderschöner Druckverband gelungen, jetzt habe ich genug Zeit für den Herzstillstand;

Interessante Sichtweise. Wir können nicht jeden Fall abdecken, aber grundsätzlich hast du Recht. Es ist komplizierter.

Meine allgemeine Aussage ist dennoch zutreffend, eine Einwilligungsproblematik tritt hinzu wenn es sich um eine wachen Patienten handelt.

Die speziellen Rechtsnormen sind hier nicht anzuwenden weil irrelevant: Das SanG nicht weil der Sani nicht im Dienst ist und die Erste Hilfe nicht im SanG normiert ist. Das ÄrzteG im Prinzip auch nicht, da steht nur die Pflicht des Arztes drinnen Erste Hilfe zu leisten, aber wie/wo/was steht nicht drinnen.

Stimmt so eben nicht. ÄrzteG. §2(2) in Verbindung mit §199, hier geht es um mögliche Strafbestimmungen für Handlungen durch Nichtärzte.

Jo eh…

Nur sieht man unter Juristen die „Erste Hilfe“ Leistung nicht als Ausüben des Arztberufes.

Im SanG steht auch drinnen das die Wiederbelebung mit Defi (§9) eine Tätigkeit des RS ist und das die Ausübung der „San-Tätigkeit“ (ohne Sani zu sein) mit Strafe bedroht ist (§ 53). Deswegen sind nicht alle Ersthelfer und Co mit Strafe bedroht wenn sie BLS machen.

Das findest du ein absurdes Beispiel. Jo eh, aber du würdest dich wundern wie kreativ „Hobby-Juristen“ oft mit dem Recht umgehen :wink:

Summa summarum: Ich sehe hier kein Problem, wir reden von Erster Hilfe und nicht von anderen - durchaus problematischen - Fällen.

(Und P.S. Egal was du noch so findest oder glaubst zu finden, die Notstandsproblematik kannst du nicht ausklammern und die sticht hier alles. Man muss nur am Boden bleiben und wirklich nur die indizierten Dinge machen, dann ist man safe).

steht das echt so im SanG, dass dieses nur für den im dienst befindlichen sani gilt?

was aber leicht zu umgehen wäre, weil man sagen könnte, dass der sani sich bei einer ersten hilfe leistung quasi in den dienst stellt.

Also primär gilt erst einmal „nur“ der §95 StGB, welcher jeden zur Ersten Hilfe verpflichtet. Dieser Paragraph selber schreibt noch überhaupt keinen Umfang usw. vor, sondern sagt nur das Erste Hilfe zu leisten ist. Wenn es jetzt darum geht z.B. ein NFS - NKA/NKV/NKI ist mit seiner Frau DGKP mit Fachweiterbildung Intensiv / Anästhesie unterwegs und hat im Auto Intubationsbesteck usw., dann kann im Nachgang die Frage aufkommen, weshalb sie die ihnen möglichen Maßnahmen nicht angewendet haben. Wenn er nur seinen ÖNORM - Verbandskasten mit hat, dann machen sie BLS und dem Gesetze ist genüge getan.
Ansonsten ist die Ausführung von Don.pedro korrekt, dass man von der universellen zur speziellen Rechtsnorm geht. Eine interessante Frage wäre aber wie sieht es mit einem Sanitäter aus mit ruhender Berufszulassung der zu einem Patienten mit Herz - Kreislaufstillstand kommt. Als Sanitäter ist er verpflichtet alle zwei Jahre eine Rezertifizierung mit dem Defibrillator zu machen, als „normaler“ Bürger braucht er das nicht. Jetzt war er Zivi und hat danach nichts mehr mit der Rettung zu tun, nach zwei Jahren kommt er zu dem Herzkreislaufstillstand und dort ist ein Fred easyport als vollautomatischer Laiendefibrillator, hierfür ist aber seine Berechtigung nach den Richtlinien des SanG im Sinne seiner ehemaligen Organisation abgelaufen, weshalb er sich wegen einer Vernachlässigung seiner Fortbildungspflicht angreifbar machen würde. Als „normaler“ Bürger darf er das Gerät aber so oder so anwenden, wie sieht es dann aus. PS. Die Frage deshalb, weil ein LV auf Fred easyoport als Defi auf den SEW umstellt. :unamused:

Da sind wir am Kernproblem der Kommunikation angekommen (findet sich auch im ABGB in der Irrtumsproblematik - wer, was, wie gemeint hat).
Die Frage war für mich eindeutig nach den Konsequenzen einer erweiterten ersten Hilfe und nicht nach den Folgen aus typischen Hilfstätigkeiten die in .at in einem 16H Kurs gelernt werden gestellt.

Notstandsproblematik (ich lasse den Begriff mal so stehen) ist dass „dünnste Eis“ wo gibt.
Es wird für einem medizinischen Laien und generell präklinisch schwer erkennbar sein dass es sich hierbei um eine ultimo Ratio Handlung gehandelt hatte, alle anderen, gelindere Tätigkeiten, hätten das Leben nicht retten bzw. eine mögliche schwerwiegende Defektheilung nicht verhindert.

Es gilt der Grundsatz no Risk - no fun! :wink:

Ich glaube wir reden aneinander vorbei. Und ich sehe noch immer nicht wieso wir hier spezielle Rechtsnormen brauchen.

Ich bin erstaunt wie viele Meinung es hier gibt, ich kann nur wiedergeben was so an (Ost-)Österreichischen Universitäten im allgemeinen und in der Schwerpunktausbildung Medizinrecht an der Uni Wien im speziellen so gelehrt wird. Und da hab noch niemanden gefunden der ein Problem hatte.

Und ich mein, wisst ihr wovon ihr redets? Das passt ja nicht zusammen, weil es geht hier nicht um Verwaltungsrecht.

Die Notstandsproblematik (Das ist ein juristischer Fachterminus, den kannst du ruhig so stehen lassen) behandelt ja eine ganz andere Frage:

Es geht um die Abwägung von Rechten und Pflichten, im allgemeinen sagt man im Verwaltungsrecht (wir sind hier im VStG), dass es eine Kollision von Rechten und Pflichten in einer Situation ist, aus der man sich oder einen anderen nur durch eine Handlung retten kann, die sonst eine Verwaltungsübertretung darstellt. Dabei darf die Notlage nicht selbst verschuldet sein und die Handlung muss (ex ante) das einzig zumutbare Mittel sein. (VwGH 85/01/0172)

Ich bin ja offen für Quellen oder besser noch Rechtssätze, aber bis jetzt hätte noch nix dergleichen gehört. Man muss sich ganz grundlegend dogmatisch mal fragen, in welchen Materien man sich bewegt: Weder SanG noch ÄrzteG regeln irgendwie die Erste Hilfe, das ÄrzteG regelt die Berufsausübung und Berufspflichten (ja § 48 und § 57 ÄrzteG) und (quantitativ wichtiger, 3/4 vom Gesetz) die Ärztekammer und alles drumherum. Das SanG regelt die Ausübung des SanitäterBERUFES und die Ausbildung.

Der Berufs kann bezahlt oder unbezahlt ausgeübt werden, die allgemeine Definition eines Dienstverhältnisses findet Anwendung (Weisungsgebundenheit, Aufsicht, etc), die Unterscheidung erfolg über die Bezahlung. Aber der Telos ist ganz klar, alle machen die selbe Arbeit und haben die selben Pflichten, die einen werden halt bezahlt.

Das kann man auch so stehen lassen, aber eigentlich ist das eine Nicht-Aussage die hier in der Diskussion völlig bedeutungslos ist. Es ist ganz klare und unmissverständliche Judikatur, dass es auf die ex-ante Sicht ankommt.

Wenn also ein maßgerechter Mensch auch zu dem Schluss gekommen wäre, dann passt es.

P.S. Ich finde es sehr interessanter, wie sich alle auf das Verwaltungsrecht stürzen. Ich hätte da gar keine Sorgen, denn die Abwägung Leben/Gesundheit gegen eine bloße Verwaltungsnorm ist nicht problematisch. Viel problematischer ist die zivilrechtliche Haftung (strafrechtliche schwimmt nur mit, ist nicht so problematisch), denn eines ist klar: Wer weitergehende Tätigkeiten ausführt, haftet als Sachverständiger (§ 1299 ABGB). Das ist für Sani-Kompetenzen noch harmlos, den Sorgfaltsmaßstab eines maßgerechten Sanitäters erfüllt man schon irgendwie. Wenn jetzt aber jemand meint, nach dem PHTLS, ACLS oder ETC Kurs kann er den Thorax entlasten, weil er hat das ja gelernt dann ist das zwar legitim, aber auch bisschen gefährlich. Denn bei eindeutig ärztlichen Tätigkeiten gilt der Facharztstandard als Haftungsmaßstab - und das ist halt ein Problem wenn man kein Arzt ist. Nicht weil es nicht möglich wäre, aber ich würd die Thoraxpunktion nicht das erste mal bei der „Ersten Hilfe“ am echten Patienten ausprobieren. Bei allem anderen (Medis zb) wird einem der Nachweis, dass man die Anwendung sicher beherrscht nur dann sicher gelingen, wenns auf einer AML steht.

Kurzfassung: Maßnahmen die ich als Sanitäter aufgrund meiner Ausbildung gemäß SanG setzen darf, darf ich als Sanitäter auch in meiner Freizeit als Hilfsmaßnahmen setzen. Ich muss sie natürlich nur soweit setzen, soweit sie mir zumutbar sind - also soweit ich sie aufgrund des zur Verfügung stehenden Materials und der personellen Kapazitäten auch setzen kann.
Bei allen Maßnahmen welche darüber hinaus gehen - die mir auch als Sanitäter nicht erlaubt sind, begebe ich mich auf das Gebiet des Notstandes - und ja da wird das Eis dünn - insbesondere wenn ich diese Maßnahme nie wirklich erlernt habe (z.B. Thoraxentlastungspunktion, Notkonotomie, etc.). Zwar wird mir wohl nichts passieren, so lange alles gut geht - wenn nicht wird es sehr problematisch.

@ RedTiger, Zeillerkommentar: Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Alles andere ist juristisch unwissenschaftliches Gerede.

Die Angst mancher Kollegen, dass Sie strafrechtlich verfolgt werden könnten, weil Sie zu einem Notfall dazukommen und nicht (!) intubiert, etc haben, ist doch relativ fern eines normalen Lebenssachverhalts.
Weil es hier auch vermischt wurde: qualifizierte Erste Hilfe ist nicht mit Sanitätshilfe zu verwechseln. Von einem Sanitäter außer Dienst wird erwartet, dass er eine richtige SSL zusammenbringt und niemanden einfach auf den Bauch dreht (um das jetzt überspitzt zu formulieren).
Daran anschießend vielleicht noch die strafrechtliche Definition des entschuldigenden Notstandes für alle zum nachlesen:
ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? … e=Notstand
Dies ist vor allem in Fällen eines § 110 StGB Tatbestandes wesentlich.

Bei § 110 bitte auch den 2. Absatz lesen, außerdem gibt es die mutmaßliche Einwilligung. Dh wenn ich den Patienten faktisch nicht fragen kann, dann darf man (wird eng gesehen) zumindest für lebensrettende/lebensverlängernde Maßnahmen mit der Zustimmung rechnen. Das gilt aber nur in Notsituationen und nicht wenn man den Patienten selbst in die Lage gebracht hat (zb bei einer OP bei der Aufklärung den zweiten Eingriff vergessen, der Patient ist aber schon narkotisiert. Ganz wichtiger Unterschied!).

da hat offensichtlich wer den Wahlfachkorb Medizinrecht am Juridicum besucht („strafrechtliche Haftung der Heilberufe“ bei Prof Tipold?)