Unkooperative Patientin nach Überdosis

Liebes Forum!

Ich bin mit meiner Mannschaft letzte Woche in eine sehr schwierige Situation geraten und bitte Euch um Beurteilung.

Wir fahren einen NKTW, 2 RS und ich als NKV.
Wir werden zu einem 25B06 gerufen (für die nicht in Wien fahrenden, das ist „Psychiatrie - Unbekannter Zustand“).
Berufer ist die LPD. Diese wurde von der psychischen Betreuerin der Patientin gerufen.

Am BO angekommen sind 2 Polizisten und wir 3 Sanis in der Wohnung.
Die Patientin ist klar, bei bewusstsein, voll zurechnungsfähig und ohne Sachwalter. Sie ist Amtsbekannt, da Sie öfter an Psychosen leidet.
Sie war am Vortag beim Gastroenterologen da Sie seit längerem massiv harten Stuhl mit Schmerzen hat. Dieser hat Ihr Metamizol 500 mg(Novalgin) Tabletten verschrieben.

Nach längerem Hin- und Her hat die Patientin zugegeben 20 Stück davon genommen zu haben. Die leeren Blister lagen im Müll. Ebenfalls hat Sie einige Haloperidol Tabletten genommen, welche Sie zu Hause hatte. Laut Patientin nur um Ihre Schmerzen zu betäuben. Sie verneint nachhaltig und vor allem auch glaubwürdig dies in Suizidaler Absicht getan zu haben.

Nach Rücksprache mit der VIZ und einigen Diskussionen fährt die Patientin mit ins AKH. Dort wurde ein Überwachungsbett auf der 6D gebucht.
Dort angekommen wird die Patientin bei der Triage übergeben, Administrativ angemeldet und mit dem Klinikeigenen Rollstuhl von uns (leichte Gangunsicherheiten) zu einem Überwachungsbett gefahren.
Die Patientin ändert vor dem Bett Ihre Meinung und will nun doch nicht aufgenommen werden.

Nun beginnt unser Dilemma.

Die Patientin will nach Hause fahren. Eine Fachärztin nimmt sich dem Fall an und erklärt der Patientin, dass die eingenommene Dosis potentiell lethal sein kann und macht Ihr unmissverständlich klar, dass Sie über nacht versterben könnte und dringend überwacht werden muss. Die Patientin ignoriert dies und geht hinaus auf den Parkplatz. Dort angekommen sprechen wir, die Fachärztin sowie Pfleger der Station nochmals auf Sie ein. Sie ist klar und bestätigt gegenüber uns allen, dass Sie verstanden hat, dass Sie sterben könnte, Sie aber nicht im KH bleiben will, da Sie sehr schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit (Psychatrie in den 90ern) mit Netzbett etc. hatte.

Nun mischt sich der Oberarzt ein und erklärt, dass Sie nicht Patientin des Hauses sei, und wir, der Rettungsdienst uns um die Sache zu kümmern hätten. Unser Einwand, dass es bereits eine Übergabe gegeben hat sieht er als nicht stichhaltig an und die Ärzte ziehen sich zurück.

Die Patientin wartet auf dem Parkplatz auf ein Taxi. Wir reden nochmals auf Sie ein. Sie verweigert jegliche Behandlung und steigt ins Taxi ein.

Was hätten wir besser machen können?

Ganz ehrlich was hättet ihr anders machen können. War die Patientin zurechnungsfähig? Wenn ja steht es ihr frei zu gehen - ein KH ist keine JVA somit kann man sie nicht zwingen zu bleiben.

Ja, Sie ist halt jetzt tot. - Und es beschäftigt mich halt schon, weil ich mich indirekt verantwortlich fühle. - Ja, weiss dass das nicht stimmt. Aber würde halt gerne aus meinen (eventuellen) Fehlern fürs nächste mal lernen.

So wie du die Situation geschildert hast, sehe ich bei euch keinen Fehler.

Es wurde ein Überwachungsbett gebucht, die Patienten wurde ordnungsgemäß angemeldet und auch eine Ärztin hat die Patientin bereits begutachtet bzw. sie über die möglichen Konsequenzen aufgeklärt- sie war zu diesem Zeitpunkt in meinen Augen sehr wohl Patientin des Krankenhauses!

Daher find ich die Reaktion vom Oberarzt sehr „spannend“…

Hatte sie bereits eine Ambulanz- oder Aufnahmezahl?

Bitte sofort ins FSB einmelden. Normalerweise über euer ABZ.
Das gehört aufgearbeitet vorallem die Herangehensweise des KH.

Gerne auch PN.

Unbedingt einen CIRS Fall erstellen.
Falls du beim WRK bist übers hausinterne CIRS, sonst oder auch zusätzlich ins CIRSmedical der Ärztekammer.
Gerade diese „der Patient ist schon im Krankenhaus, aber wir (also das KH) fühlen uns nicht dafür verantwortlich“ Mentalität gehört dringend aufgearbeitet.

Und Du bist Dir sicher das die Patientin auf dem Bestattungskalender steht? Seltener Name, Geburtsdatum?
Da kommt viel zusammen bei dem Fachkräfte gefragt sind. Zurechnungsfähigkeit? Unterbringungsgesetz? Recht auf Unvernunft. Was ist mit der stattgefundenen Übergabe?
Ich würde Dir raten dich an Deinen Vorgesetzten zu wenden, das Qualitätsmanagement, das CIRS Team soweit das bei deiner Organisation vorhanden ist. Die Patientenanwaltschaft fällt mir noch ein. Bedenke aber Deine Schweigepflicht. Und wenn möglich halte das Sanforum auf dem Laufenden

Das RK interne CIRS leitet das an das FSB der Ma70 weiter. Entweder so oder direkt ins FSB. Die Ma70 ist für die Bettenvergabe und den RD in Wien zuständig, also sollte es auch dort landen, als Single Point of Contact in so Fällen. Natürlich kann man sich selbständig an die Ärztekammer oder Patientenanwaltschaft wenden, die primäre Aufarbeitung sollte zwischen RD und MedUni in dem Fall passieren.

Naja ich sehe aber auch vom KH keinen großen Fehler (außer blöden Sprüchen von einem OA)…die Dame war zurechnungsfähig und wollte keine Behandlung. Ende der Geschichte.

@Medizinalrat: wie kann ich als nicht Gmoa’ler ins FSB (dierekt?) einmeldem?

@bgld144: Dünnes Eis. Eine ganze Packung Novalgin nimmt man nicht "aus Versehen ".
Da ist schon ein selbstgefärdendes Verhalten da.
Wenn sie jetzt freiwillig mit dem RD ins KH mitfährt ist erst mal alles gut. Wenn sie es sich dort dann anders überlegt steht für mich nicht "das Recht auf Unvernunft " , sondern „akut selbstgefärdendes Verhalten“ im Vordergrund. Ich würde hier eine Unterbringung gegen ihr Verlangem für durchaus gerechtfertigt erachten. Also eine Vorstellung beim Amtsarzt sollte auf jeden Fall erfolgen.

Das UBG ist generell so ein schwieriges Thema. Aber vielleicht sollte man es an der geäußerten oder eben nicht geäußerten suizidalen Absicht fest machen. Ein AlkIntox ist auch sicherlich selbstgefährdend. Trotzdem hab ich es noch nie erlebt dass ein Alkintox der auf Revers heim geht zwangseingewiesen wird.

Natürlich sieht er die Übergabe als nicht stichhaltig an, dem ist das Hemd halt auch näher als der Rock. Hilft halt nix. Die Patientin hatte bereits Kontakt mit dem spitalspersonal und wurde von euch mündlich übergeben. Zudem befindet sie sich auf spitalsgelände. Damit kann er sagen was er will, ich wär eingestiegen und gefahren.
Natürlich ist das jetzt für mich ein leichtes, das zu sagen, aber ich würd mir da keinerlei Vorwürfe machen. Du hast alles richtig gemacht und Patienten dürfen unvernünftig sein.

Für die Weitergabe von Patientendaten mal fix nicht! Die Forenregeln verlieren bei PN nicht ihre Gültigkeit!

Maximal Mail-Adressen könnt ihr tauschen und selbst davon würd ich abraten. Man weiß hier nie, wer der andere tatsächlich ist. Und dafür gibt’s den Dienstweg, wo es dann auch Datenschutzrechtlich für euch bedenkenlos.

Das ist mir schon klar. Patientendaten wären auch keine notwendig um den Fall einzumelden.
Ja direkt an das FSB oder über den Dienstweg. Aber nicht über irgendwelche Patientenanwaltschaften oder die Ärztekammer.

Field Safety Board unter Angabe der R oder T Nummer wäre angebracht.

Ja, der Name ist relativ eindeutig.
Die Dame ist bei der Bestattung Wien gelandet.

Kann ich nicht sagen, weiss ich nicht. Die administrative Übergabe habe ich nicht gemacht.

Soweit ich weiss, meldet CIRS das an die MA70 ins FSB.

CIRS Fall wurde erstellt.

Danke, hilft der Dame halt nichts mehr.

Ich hadere mit mir halt. Und ich glaube der Zivi, der mit uns mit war ebenfalls. Es war schon eine sehr schwierige Situation, die ich echt keinem Wünsche. UBG war auch im Gespräch und die Fachärztin, die sich Anfangs mit uns bemüht hat die Dame im Haus zu halten war sich allerdings sehr Sicher, dass der Amtsarzt beim verneinen der Frage, ob Sie das in suizidaler Absicht gemacht hat keine Unterbringung anordnen würde. Aus meiner Praxis weiss ich das auch. Der Patient muss das schon sehr exakt formulieren bzw. muss eine eindeutige Beeinträchtigung vorliegen. Die Dame war klar, nüchtern, nicht Besachwaltet und Herr Ihrer Sinne. Sie hat verstanden was wir Ihr sagten.

Danke für die anderen Kommentare. Hilft mir schon weiter.
Bitte nicht böse sein, wenn ich das Board hier nun für meine psychische Hygiene verwendet habe.

Aus dem was du hier geschildert hast, sehe ich nichts was du dir vorwerfen könntest. Du hast die Dame der Stelle zugeführt die adäquat und zuständig ist und die haben dann dort so gehandelt wie sie gehandelt haben. Ich verstehe das dir das nachhängt, aber die Entscheidung des KHs liegt außerhalb deines Einflussbereichs. Fühl dich dafür nicht verantwortlich, traurig ist das Schicksal der Dame sowieso. Und wenn dich die ganze Geschichte sehr beschäftigt wende dich an das PEER Team.