NEF Nachforderung für Reversbelassung

Hallo, ich hätte eine kleine Frage bzgl. der Reversbelassung in Wien.

Grundsätzlich hat ja der einsichts- und urteilsfähige Patient das Recht auf Unvernunft und wenn er nicht ins KH gefahren werden möchte, darf ich ihn ja nicht zwingen.

Hat der Patient etwas lebensgefährliches, wo lt. Algorithmus ein NEF nachgefordert werden muss, darf ich ihn ja logischerweise nicht reversbelassen, sondern muss auf den Arzt warten.

Gibt es aber auch Fälle, wo man nicht reversbelassen darf und ein NEF nachfordern muss, obwohl der Zustand des Patienten es eigentlich gar nicht erfordert und der Transport auch ohne Arzt erfolgen könnte (wie z.B. bei der Anwendung vom Heimlich-Handgriff)?

Evtl. beim Sturz mit Blutverdünner?

Wenn man es für erforderlich hält.
Es geht in dieser Hinsicht immer darum ob man den Patienten gut genug über die möglichen Konsequenzen seines Handelns aufklären kann.
Im Zweifelsfall kann nur ein Arzt vollumfänglich aufklären!

Ich handhabe das so:
Wenn ein Patient die Mitfahrt verweigert, eine Spitalsbehandlung jedoch dringendst erforderlich ist, da sonst höchstwahrscheinlich Folgeschäden entstehen hole ich mir ein NEF. Und wenn ich mir unsicher bin ob ich den Patienten ausreichend aufklären kann (wenn ich mich nicht gut genug auskenne mit einem Erkrankungsbild) hole ich mir auch ein NEF.
Konkretes Beispiel vor 2 Wochen: offensichtliche Unterarmfraktur(stufenbildung). Will partout nicht mit. → NEF
Letztes Jahr: Diabetes Erstmanifestation Übelkeit, Erbrechen Bauchschmerzen, BZ 400, kranker Eindruck, junger Patient. Verweigert auch nach mehrmaligem dringendem Anraten. → NEF

Thoraxschmerzen(kein schwerkranker Gesamteindruck unauff EKG) welche die Mitfahrt verweigern kläre ich zB über die Möglichen DD und Folgen auf. Wenn dann jemand immer noch wehement die Mitfahrt verweigert darf er mir einen Revers unterzeichnen. Idealerweise unterschreibt noch ein Zeuge.
Wie immer steht und fällt alles mit einer ausführlichen Dokumentation.

Key Points:

  • Man muss wissen wann der Patient UNBEDINGT ins Spital gehört
  • Man muss wissen was man bei standardproblemen aufklären muss
  • Man muss wissen was man NICHT weiß und wo die eigenen Grenzen liegen (!!!)
  • Dokumentation Dokumentation Dokumentation

Unterm Strich ist es eine Einzelfallentscheidung. Im Zweifelsfall rate ich neuen Kollegen zur NA Nachforderung!

Um auf das Beispiel st.p Heimlich Handgriff einzugehen : Hier würde ich mir kein NEF zur Aufklärung holen.

Edit: In Wien kannst du auch den Oberarzt anrufen und um Rat bitten. Bei jedem Anruf beim OA gilt: Vollständige Anamnese erheben. Konkrete Fragestellung überlegen.
Dann anrufen. Und das alles prägnant übergeben.

Das Thema hatten wir schon ein paar Mal hier im Forum.

Warum soll ich ein NEF blockieren für einen Patienten der keine Behandlung will?

Solange der Patient geschäftsfähig ist brauch ich ihm keinen Notarzt aufzuzwingen…

Wenn der Patient nicht will und geschäftsfähig ist, dann ist das so. Es gibt ganz klare Gesetze und Vorgaben wann ein Patient zwangsweise einer Behandlung zugeführt werden kann. Und zwar ausschließlich psychiatrische Themen. Da kommt kein Thoraxschmerz, MCi oder sonst was vor. Wenn der nicht will, dann bleibt der dort. Da kann kein NEF oder sonst wer was daran ändern.

Ich seh das eigentlich auch nicht so wild. Man kann eigentlich alle auf Tod, Funktionsverlust, Behinderung etc (ganz arg) aufklären, wenn die trotzdem ned mitwollen ist es ja wirklich deren Pech.

Da ist auch juristisch nichts drinnen. Die wesentliche Frage ist nur ob die Patienten entscheidungsfähig sind. Wenn ja isses easy, die Beurteilung ist im Zweifel halt schwer bzw sicherer ist man mit NA.

Ich würde auch kein NEF blockieren. Die Aufgabe des Notarztes ist auch nicht, medizinische Fachvorträge zu halten. Es reicht, den Patienten darauf aufmerksam zu machen, dass schwere Komplikationen und auch sein Tod möglich sind. Bei den meisten Reversen steht ja auch drauf, dass der Patient verstanden hat, dass er sterben kann und den Notruf wählen soll, wenn sich sein Zustand verschlimmert.

Wichtig ist nur Dokumentation und den Kollegen als Zeugen mitunterschreiben lassen.
Wenn der Patient offensichtlich beeinträchtigt ist (Alk, Drogen, Behinderung) würd ich die Leitstelle befragen und ggf. die Pol dazuholen.

Bei manchen Patienten reicht es auch, wenn der Notarzt vor Ort auf die Dringlichkeit ins KH zu fahren hinweist - leider ist es noch oft so, dass die Leute eher auf „einen Doktor“ hören, als auf einen Sani…

Letzteres ist aber nicht unser Problem. Der Notarzt ist für Notfallmedizin da, ned für Überzeugungsarbeit!

Schade das der Vortrag „Revers/Belassung und Fallstricke“ nicht online zum Nachschauen verfügbar ist…

Der ist halt auch nur für Wien gültig, da die die entsprechenden Gesetze auf Landesebene definiert haben.

Nein. Revers und Belassung hat genau nichts mit dem Landesgesetz zu tun.

Ich glaube, dass hier zwei ein bisschen extreme Positionen eingenommen werden.

In Bezug auf den Revers ist es selbstverständlich so, dass ich KEIN Notarztmittel brauche, wenn eine entscheidungsfähige Person eine - auch lebensrettende - Maßnahme ablehnt. Das steht so in zig juristischen Quellen.

In der Praxis ist es natürlich gschmeidiger, wenn sich der Notarzt den Revers geben lässt, und im Endeffekt dafür haftet, dass der Patient wirklich entscheidungsfähig war. Und der Notarzt braucht sich noch viel weniger rechtfertigen, warum er niemanden geholt hat, der das vielleicht besser beurteilen kann.

Wenn sich jetzt also die MA70 zwecks Verantwortungsreduktion für ihre Sanis dafür entscheidet, mehr NÄ in Dienst zu stellen, um Reverse entgegenzunehmen, dann finde ich das als Sani eine sehr angenehme Sache. :wink: