OGH: Notfallsanitäter auf Portiertätigkeit verweisbar?

Artikel im VersicherungsJournal: https://www.versicherungsjournal.at/versicherungen-und-finanzen/ogh-entschied-notfallsanitaeter-auf-portiertaetigkeit-verweisbar-22004.php

Also schön langsam wird es Zeit für eine Reform des Sanitätergesetzes…! Besonders der Notfallsanitäter muss umfassend reformiert werden.

„17.5.2022 – Als Notfallsanitäter verfügte der Kläger über besondere Notfallkompetenzen; seine Tätigkeit sei aber nicht mit der des diplomierten Krankenpflegepersonals vergleichbar, entschied der Oberste Gerichtshof. Im Vordergrund stünden manuelle Arbeiten, es handle sich nicht um einen höheren, nichtkaufmännischen Dienst. Damit liegt keine Berufsunfähigkeit vor.

„Vielmehr stünden bei der Tätigkeit eines Notfallsanitäters manuelle Arbeiten sowie die Unterstützung des Notarztes im Vordergrund. Das Setzen notfallmedizinischer Maßnahmen sei nur eingeschränkt vorgesehen, auch wenn es eigenverantwortlich erfolge.
Der Kläger habe im vorliegenden Fall zwar besondere Notfallkompetenzen und es handle sich, wie er selbst in der Revision betont, um eine verantwortungsvolle und sozial wertvolle Tätigkeit. Die Beurteilung der Vorinstanzen halte sich aber dennoch im Rahmen der Rechtsprechung, so der OGH.“

Die OGH-Entscheidung 10ObS32/22m vom 29. März 2022 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20220329_OGH0002_010OBS00032_22M0000_000/JJT_20220329_OGH0002_010OBS00032_22M0000_000.html

Ja, das ist heute die Runde gegangen und hat viel Empörung verursacht.

Man muss verstehen, wie Gerichte funktionieren um diese Entscheidung zu verstehen.

Der OGH kann nur basierend auf dem Gesetz entscheiden. Das SanG2002. ist hier der Knackpunkt. Dieses differenziert sich doch klar vom Gesundheits- und Krankenpflegegesetz. Der Sanitäter (auch NFS) ist de jure kein Gesundheitsberuf. Es ist ein „Anlernberuf“. Es ergab sich sogar einmal in einem Arbeitsrechtsstreit die Frage, ob ein Sanitäter als Arbeiter oder Angestellter zu bewerten ist. Es überwiegt die manuelle Arbeit, weniger die „intellektuelle“ Leistung, so die damalige Rechtsprechung.

Das Problem im SanG ist, dass es keine eindeutige Unterscheidung zwischen Sanitäter und Notfallsanitäter gibt. Auch ist die Ausbildungszeit eine sehr kurze gegenüber einem Lehrberuf oder einem Studium. Die Ausbildungen und definierten Tätigkeiten unterscheiden sich zwar, aber es gibt de jure keinen Qualitativen unterschied. Dies ist auch der Grund warum NFS und RS in fast allen Kollektivverträgen exakt ident (schlecht) entlohnt werden können.

DGKP hingegen führen ein Staatsdiplom. Und dies ist quasi „akademisch“ zu bewerten. Die Ausbildungszeit (auch wenn diese zu über der Hälfte aus Praktika besteht) ist 3 x so lange wie beim NFS. Der neue „Gehobene Dienst“ ist seit 2018 akademisch (BSc Healthcare/Medical Sciences). Es gibt hier eine eindeutige Differenzierung zwischen DGKP und PFA (in Stunden) und dies spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Entlohnung wieder.

Genau diese Trennung zwischen RS und NFS gibt es aber im SanG nicht. Es gibt nur eine „Kompetenzerweiterung“ des Sanitäters. Am Ende ist man aber Sanitäter. Der NFS hat da eben eine Zusatzausbildung und darf „mehr“. NFS ist aber kein eigenes Berufsbild und hat deshalb auch keinen Berufsschutz. De jure ist der Sanitäter oder NFS ein „Anlernberuf“. Etwas was jeder machen kann. So wie auf der Baustelle. (Ist leider so).

Ebenfalls sieht das SanG. nur ganz spezifische Tätigkeiten vor. Anders als beim DGKP. Im Vordergrund steht beim NFS die Assistenz eines Notarztes und nur in absoluten Ausnahmefällen die eingenverantwortliche Tätigkeit. (Das SanG. spricht hier von „Notfällen“, in welchen das erlaubt ist).

So etwas, wie in Wien die MA70 (also quasi Paramedic) oder auch in NÖ gemacht wird, ist im SanG. nicht vorgesehen.
Die richtige / konservative Interpretation des SanG. sieht man in OOE. Dort hält man sich nicht an das maximal Mögliche sondern an das explizit Erlaubte. Man dehnt das Gesetz nicht wie es andere HiOrgs machen sondern nimmt es literal.
Den Erkäuterungen zum SanG. ist auch zu entnehmen, dass der Gesetzgeber das exakt so wollte. Damals wollte man keinen „Paramedic“. Man wollte dem Sanitäter, welcher bis dahin ein Hilfsarbeiter war (MTF-SHD Gesetz) eine Berufsbezeichnung mit klaren Kompetenzen geben. Das wurde geschafft.

Und genau aus diesem Grunde entschied sich der OGH im Vorliegenden Urteil so. Das Recht gibt hier nicht mehr her.
Ich bin der Meinung, dass der Kläger im vorliegenden Fall nicht hervorgestrichen hat, dass er mit 30 Jahren Praxis einen doch massiven Erfahrungsschatz hat (Wir alle wissen dass ein RS oder NFS erst über die Jahre wirklich gut wird).

Dennoch, dieses Urteil zeigt uns allen auf, wie unsere Rechtsstellung wirklich ist.

Fazit.
Das SanG2002 gehört dringend reformiert und der Sanitäter als eigenständiger Gesundheitsberuf mit einem Diplom versehen.

Just my2cents.

:laughing: :laughing: :laughing: :laughing:

Ja, das habe ich auch als ziemlich daneben empfunden.
Aber wie gesagt, das SanG. gibt das so her und die Richter richten sich am OGH nach dem Recht. Die Beweiswürdigung wurde in der 1. Instanz erledigt. Und vermutlich war da auch ein schwacher unmotivierter Anwalt am Werk.

Dennoch, es ist nun einzementiert, dass wir keinen Berufsschutz haben. Das bringt man nicht mehr weg.

Mal schauen ob die ÖGERN oder der BVRD da jetzt mal eeeeeetwas aktiver werden oder wieder nur ihre „Statements“ auf der Homepage veröffentlichen.

Aber EXAKT der Umstand den wir hier erleben ist der Grund warum ich so wie es aktuell ist, niemals in dem Bereich arbeiten würde. Auch nicht wenn wir etwas wie die MA70 bei uns hätten. Der „Job“ ist so wie er aktuell im Gesetz steht eine totale Sackgasse. Ich finds halt sehr schade um die Leute die den Job machen, sich des Umstandes nicht bewusst sind und dann vor dem Nichts stehen sobald was ist.

Jetzt müssten ALLE laut werden und auf ein neues SanG drücken.
Vor allem sollte diese Geschichte beim Symposium mit BM Rauch dringend angesprochen werden.
… sofern BM Rauch auch dafür Zeit hat. Für die Fiaker setzt er sich ja ordentlich ein. Die haben anscheinend eine bessere Lobby als wir.

sarkassmus aus

Ich habe nicht das Gefühl, das wir ÜBERHAUPT eine Lobby haben. Ich würde mir eine MA70 geführte Initiative wünschen. Aber ich hab da eher den Eindruck die sind froh, wenn sie ihr eigenes Süppchen kochen können und ihnen keiner von Oben reinpfuscht. Die gesamtheitliche Entwicklung des österreichischen Rettungsdienstes scheint absolut keine Priorität zu haben.

Haben wir auch nicht.
Wir haben Trägerorganisationen, die nicht wollen, dass sich was verändert. Und ein sehr starkes und vernetztes ÖRK welches unbedingt die Freiwilligkeit so behalten will wie es ist. Man glaubt heute noch, dass Rettungsdienst etwas ist wie ein Gesangsverein.

Es geht hier um viel Geld. Das RK will so viele Aufgaben mit so wenig Aufwand wie möglich machen.
Ich erinnere an die Volksbefragung Wehrpflicht. Diese hat das RK gekippt indem Sie eine massive Kampagne für die Beibehaltung der Zivis im RD lancierte. Man hat damals argumentiert, dass der Rettungsdienst ohne Zivis nicht mehr machbar wäre. Stimmt natürlich nicht. Aber die Bevölkerung hat das geschluckt.

Es MUSS ein neues System her. Es kann so nicht weitergehen. Und ja, die MA70 könnte die Initiative ergreifen. Und ich glaube dort ist man sich seiner Stellung durchaus bewusst und auch „kampfeslustig“.

In diesem Verfahren ging es darum ob die „4 monatige“ Ausbildung zum NFx in den „Berufsschutz“ fällt oder nicht. Sprich ob es eine erlernten Beruf (wie zb eine 3 jährige Lehre) ist oder nicht.
Dies hat Konsequenzen bei der Frage ob man eine Berufsunfähigkeitspension bekommt oder auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen wird.
Der OGH hat halt festgestellt, dass es für eine NFx Ausbildung keinen Berufsschutz gibt wie zb für eine Lehre oder einen Diplomkrankenpfleger.

Ah, ja. Danke. Wir können alle lesen…

So besch***** das auch für uns ist, und zu Recht für Empörung sorgt…

ca 7 Monate Ausbildung (+/-) vs. 36 Monate Ausbildung ist halt tatsächlich ein Argument…

Wir wissen alle dass wir mehr als 7 Monate Ausbildung haben. Also ich für meinen Teil hab nach dem RS ein Jahr als San2 mit einem Praxisanleiter am RTW verbracht, bevor ich zur NFS Einstiegsprüfung zugelassen wurde.
Ist nichts anderes als damals beim RettAss, wo es 3200h Ausbildung gab und 1600h ein „Annerkennungsjahr“ waren.
Da war man a bissl knieweich bei der Ausarbeitung, da hätte man auf einfache Weise ein bissl mehr rausholen können.

Aber ja, das Gesetz wurde aufgrund der Ehrenamtlichkeit stark beschnitten und jetzt wird’s von jenen Hiorgs die die größte Anzahl an EAs haben nicht einmal umgesetzt.

Die Conclusio muss sein, dass die Ausbildung vorallem ab den NKs stark erweitert wird ohne Rücksicht auf das Ehrenamtlichenwesen.

Die Ma70 hat sich auch zu meinem Unverständnis die letzten Jahre zu stark zurückgehalten. Ich denke da spielt ein bissl der Gedanke mit, ja ned an zu Ecken.
Ich meine die Auslegung der NKs, Analgesie, verlängerte Module usw. kratzt schon am Rand der gesetzlichen Möglichkeit.

Aber jetzt sind ein paar u.a. RDL, AKL etwas angepisst und die Hoffnung lebt dass am 22.6 bei der AK ned die Schlaftablette vom BVRD sondern wer anderes das Wort erhebt und auch auf anderen Ebenen Druck gemacht wird.

Das würd ich halt nicht als Ausbildungszeit sondern als Berufserfahrung zählen. Sofern man nach dem traurigen Urteil des OGH überhaupt von Beruf sprechen kann, ohne sich strafbar zu machen.

? wer soll das sein?

Ich nehme an Rettungsdienst- und Akademieleitung

Ah. Danke.
Dann erschließt sich mir allerdings nicht, warum die „angepisst“ sein und grade jetzt die Initiative ergreifen sollten.

Das Urteil trifft sie ja nicht im geringsten als Gemeindebedienstete? Und der Zustand des österr. RD ist ja nicht erst seit gestern so wie er ist.
Allerdings wäre das Urteil wohl ein guter „Einstiegspunkt“ für eine öffentliche Diskussion. Zumindest hätte man jetzt evtl. noch etwas „Corona-Bonus“.

MA70 hatte 2017 ihren Vorschlag beim ÖGB eingebracht, ist halt untergegangen und in der Schublade verschwunden.

fgv.at/files/pdf/2017_Rettungswesen-NEU.pdf

Was ist eigentlich aus dem NKI+ Lehrgang für die 70er Fisus gewordenen?
Von dem hört man garnix mehr

Einige haben den ersten Lehrgang abgeschlossen. Aber ohne Konsequenz. Aktuell gibt es Gespräche mit einer Hochschule um einen Bachelor Professional Lehrgang zu starten.
Ich weiß keine Details und auch nicht wie das ohne gesetzliche Grundlage gehen wird.

Damit schließt man halt wie beim DGKP all die NFS aus, die keine Matura haben… und das sind dann schon eine Menge.