CPAP nach Boussignac

Anlässlich der Lehrmeinugsänderung beim ÖRK und der damit verbundenen Einführung des CPAP nach Boussignac mochte ich gerne eine (vorrangig technische) Diskussion zu diesem spannenden Thema anfangen.

Ein paar Punkte gehen mir da durch den Kopf:

  • ein durchschnittlicher Mensch atmet mit einem Atemzug ca. 500ml Luft in ca. 1sek ein, was einen (kurzfristigen) Luftstrom von ca. 500ml/s also 30l/min ergibt.
    unsere Druckminderer liefern üblicherweise max. 15l/min, den Rest den der Patient mit Systemen ohne Reservoir/Demandventil inhaliert ist also Umgebungsluft
    Das führt also bei diesem System zu einem FiO2 von knapp über 0,6, was für einen Patienten mit gravierender B-Problematik herzlich wenig ist. :open_mouth:
    Im Teillastfall, wenn ein so hoher PEEP nicht toleriert wird ist das FiO2 dementsprechend noch niedriger.

-Die Idee von CPAP ist ja, wie der Name schon sagt, einen durchgehenden Überdruck zu haben.
Wenn ich jetzt kein System habe, dass den Patienten in der Inspiration mehr Luftstrom anbieten kann als er gerade inhaliert, wird der Druck automatisch negativ sein. :question:

Freu mich auf eine Spannende Diskussion

Beim einatmen selbst denke ich, kommt kein „Unterdruck“ in den Alveolen / Bronchiolen zusammen. Druckgefälle ja, Unterdruck nein.

Bzgl. FiO2.
PEEP erhöht die Oxygenierung (verringerung intrapulmonaler Shuts, erhöhung der Gasaustauschfläche, bessere Resistance). Das Relativiert die 0,6 dann auch wieder.

Mal abgeshen davon, dass z.b. COPDler ja nicht unbedingt die enorm hohen paO2 haben sollten.

Aber ohne „Unterdruck“ (also 0 bis 1bar Absolutdruck oder 0 bis -1bar relativer Druck) kommt beim spontan atmenden Menschen keine Luft in die Lunge :wink:

Jain.
Der Unterdruck entsteht nicht in den Alveolen sondern außerhalb. Die Alveolen dehnen sich langsam nach (Compliance, vgl. Luftballon in Vakuumglocke). Das Druckgefälle vom Mund bis Alveole ist minimal (10kPa = 1mbar). Laut Amboss

Ich würde mir bei solchen „halboffenen“ Systemen oder wie man das nennt mir nicht viel Gedanken über Atemzugsvolumina oder FiO2 machen, da wird man in der Theorie weit von der Praxis abweichen, schätze ich mal. Abgesehen davon dass viele Leute bei akuter Atemnot nicht nur ihre 6-7ml pro kg Optimalgewicht ziehen sondern viel mehr (-> inspiratorisches Reservevolumen, das können auch gut mal über 2,5l pro Atemzug werden). So gesehen müsste sich dann ja auch je nachm AZV die FiO2 ändern.
Was erschwerend dazukommt ist, dass in der Präklinik kaum jemand Erfahrung damit hat. Da gibts Ärzte die in ihrer langen Notarzt-Laufbahn das noch nie verwendet haben. Oder der Notarzt der einen Patienten von der Normalstation abholt um ihn in ein KH zu bringen wo es noch ein freies Intensivbett gibt und der Kollege der Normalstation dann einen CPAP Maske für den SNAW-Transport braucht. Ich schick ihm eine normale (Einweg-)Maske die Mund und Nase umschließt und der Notarzt meint dann zu dem Kollegen auf der Normalstation dass „das keine CPAP Maske ist“. Wir verwenden die täglich, er nie. facepalm
So gesehen wird das präklinisch unweigerlich zu Reiberein führen.
Abgesehen davon ist auch die hämodynamische Wirkung von NIV nicht zu unterschätzen. Ein erhöhter PEEP führt zu weniger Vorlast (da die Lunge mehr Platz im Thorax einnimmt) und somit zu weniger Blutdruck. Das ist unter kontinuierlicher invasiven Blutdruckmessung und Noradrenalin über den Perfusor natürlich besser zu kontrollieren. Beides hat man im Rettungsdienst quasi nicht. Jedoch, für die geringe Zeit die der Patient im Auto verbringt, wird es vermutlich auch egal sein. Muss man halt den Nutzen/Schaden abwiegen.

EDIT: Ahja, erfahrungsgemäß braucht man dazu eine Sedierung, die wenigsten Patienten tolerieren das einfach so. Jeder der CPAP/DU schon selber bei sich ausprobiert hat, weiß warum.

Abgesehen davon dass ich nicht verstehe was du unter einer normalen Einwegmaske verstehst, gibt es Untersuchungen, dass das HMV bei 10mbar PEEP um 3,9% abnimmt (PiCCO), denke kaum, dass dies in der akuten Atemnot eine Rolle spielt bzw. nur bei wenigen Patienten.

Desweiteren gibts sehr viel Patienten die nach ausreichender Aufklärung oder durch eigene Erfahrung sehrwohl CPAP tolerieren. Durch gezielte Ja/Nein Fragen kann man auch die Beatmungseinstellungen recht schnell an den Patienten anpassen um ihm das ganze zu erleichtern. Einige moderne Respis senken auch schon den Druck während der Ausatmung ab um dem Patienten diese zu erleichtern.

Dann kann ich dir nur ein Praktikum auf der Intensiv empfehlen. Das würde deine Fragen klären bzw vor Augen führen.

Etwas zum technischen Aspekt - die Druckminderer liefern im Grund so um die 100-150L/min je nach Abnahme (ausser jene mit dem eingebauten Druckminderer in der Flasche von Linde) und die Flowmeter in den Auto haben meist nur eine Anzeige bis 15l/min aber eine O2-DIN-Kupplung die man mit eine entsprechenden Armatur nutzen kann.

Der Diskussion folge ich gespannt :slight_smile:

Danke, da arbeite ich 40h/Woche…

Wir reden hier aber von der Atemnot im Akutstadium, nicht vom Intensivpatienten.

Dann verwundert mich deine Fragestellung etwas, aber gut…

40h/woche? Ha! Da kann ich noch einen drauflegen! :mrgreen: :stuck_out_tongue:

Wie gesagt, ich kann die Akutsituation nicht oder wenig mit dem Intensivpatienten vergleichen, mir fällt auch präklinisch kein Beispiel über einen NIV Patienten ein der RR Probleme hatte, Sedierung noch eher, aber eher weil sie die Funktion/Situation nicht ganz verstanden haben.

Ich kann das schon ganz gut vergleichen. Der pathologische Zustand und die Physiologie dahinter unterscheidet nicht nach dem Ort. Und wie in vielen Fällen, werden die COPDler oder was auch immer die in der respiratorischen Azidose mit 190 pCO2 dahinschnaufen nicht viel verstehen von dem was man ihnen sagt.

Aber der Stresspegel in der Akutsituation der meist den Blutdruck hochhält.

Der Vorteil ist bei denen aber oft, dass sie mit NIV schon Erfahrungen haben.

Wer darf diese Maßnahme denn aller durchführen? NKI sind ja dann doch etwas rar gesät…

RS

Also wenn ich das richtig verstanden habe, ist das ein Flow-gesteuerter PEEP - woher weiß man als Anwender wieviel PEEP man dem Pat zuführt?
Gibts da eine Formel zum Ausrechnen, oder geht das nach dem motto „dreh ma halt einmal auf“

Hat schon jemand Praxiserfahrung mit dem System?

Man kanns ablesen. Dazu gibts ein Manometer. Leut Lehrmeinung wird aber immer mit 15l/min reingefahren. Ich vermute mal das Manineter wird gar nicht erst auf die Autos gepackt damit man nicht in versuchung kommt selbst zu denken.

15 Liter entsprechen 3 cm H2O induziertem PEEP laut

„Machbarkeitsstudie zum Einsatz des Vygon Boussignac CPAP im
Rettungsdienst“, 2017
archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z … df/ddh.pdf

Umrechnung nach mbar ist fast 1:1. Also 3cmH2O sind etwa 2,95mbar.
Wenn ichs grad richtig recherchiert hab.

Da dürfte die Wirkung dann auch eher durchs maximale Sauerstoffangebot durch eine (hoffentlich) dicht sitzende Maske kommen, als durch den tatsächlichen Druck. Quasi eine FiO2-Optimierung/Steigerung. Bezogen auf die mir bekannten Druckminderer, die bis max 15l gehen. Das wäre dann quasi eine Sauerstoffmaske deluxe