Traumaversorgung NFS (Fallbeispiel)

Folgendes Fallbeispiel: Ihr kommt zu einem Patienten nach Fußgänger vs. Pkw.
Ersteindruck: Der Pat. liegt am Rücken, scheint zu atmen. Ihr seht eine RQW am Kopf, nicht signifikant blutend.
Bei Annäherung hört ihr ein schnarchendes Atemgeräusch.
A: gefährdet, kein Erbrochenes
B: AF 6,Thx Exkursionen ob. Thx stabil
C: rad. Puls fadenförmig 120, Rekap. 4 Sek., Haut blass/ trocken, Abdomen ob. Becken verformt. Osch ob.
D: GCS3, Pupillen weit und träge reagibel.
Wie sieht eure weitere Versorgung bis zum Eintreffen des Notarztes aus?
Atemwegssicherung sprich Airwaymanagement
Schockbekämpfung
Immobilisierung

Bin zwar (noch) kein NFS aber hier mal mein Gedankengang:
→ Gefahrenzone? evtl. Crash Rettung aus Gefahrenbereich
Ich würde mich wahrscheinlich als 1. dem Atemweg widmen und mittels Esmarch Handgriff freihalten. Gleichzeitig würde ich mir frühestmöglich den Absauger und O2 richten lassen und sehen ob sich die Atemfrequenz verbessert. Ein Assistiertes Beatmen mittels Ambu und Maske würde ich wenn möglich vermeiden, da ich mir damit massiv die Aspirationsgefahr steigere. Falls ich einen Beckengurt am RTW zur verfügung habe, würde ich den nach einem Traumacheck und Erhebung der Vitalwerte anlegen um nichts zu Übersehen. Außerdem interessant wäre der Unfallhergang und Blutzucker. Danach würde ich mich um einen Zugang kümmern und je nach Blutdruck EloIso anhängen.

Die Notärztliche Therapie würde dann vermutlich aus einer Narkose und Intubation mit Esketamin, Rocuronium und Midazolam bestehen. Sicher auch nicht schlecht wäre Tranexamsäure.

Ich würde mal meinen Kollegen an den Kopf schicken.
HWS Fixieren + Esmarch . Anschl Wendl +Ass. Beatmung 100%O2, Absaugbereitschaft.
Danach ein Beckengurt
Immobilisierung wenn möglich in der Vakuummatratze.
Wärmeerhalt - Decke und rasch ins Auto.
Ein Zugang + Volumen tät ned schaden - Darf ich aber als NFS nicht.

Das war mal die reine Behandlung, also alles andere aussen vor

Ich würde wohl einen Güdeltubus setzen und wenn die AF dann bei 6 bleibt mit assistierter Beatmung unter 15l Sauerstoff beginnen.
Wenn sich die Sättigung bessert würde ich weiter zu C gehen und wegen der Kinematik einen Beckengurt anlegen - geht aber wohl nur wenn man zu dritt am Auto ist bei laufender Beatmung.

Zugang wäre gut, darf ich aber nicht.
Dann weiter mit D+E, Wärmeerhalt, Inline-Immobilisation hier eher mit Spineboard weil ich finde, dass man besser am Patienten arbeiten kann als in der Vakuum. Wird bei einer 2er Mannschaft auch nicht gut gehen. Im Zweifel lieber wenig richtig machen als viel falsch :wink:

Aus meiner Sicht kommt man um die assistierter Beatmung nicht herum. Allein schon zum Präoxiginieren vor der Intubation.
Zur Notärztlichen Versorgung kann ich wenig sagen. RR Abfall bei SHT sollte vermieden werden. Einleitung eventuell mit Rocuronium, Ketanest, Dormicum. Oder Fenta+Hypno. TXA ist ein guter Tipp.

Nunja einen Pupillenstatus würde ich zwar bei dem Patienten erst nach dem Boarding im Zuge einer neurologischen Untersuchung machen aber ok.
Mils, absaugbereitschaft
Ass. Beatmung, je nach Notwendigkeit Einlage Guedel und / oder Wendltubus
Hws orthese
Wärmeerhalt
Vorbereitung Anlage Beckenschlinge auf Vakuum Matratze
Umlagerung mittels schaufeltrage
Anlage Beckenschlinge
Absaugen Vakuummatratze
Boarding
Reassessment, abbuchen SR / Voranmeldung
Abfahrt
Neurologische Untersuchung (Pupillen, gcs, bz, einklemmungszeichen)
Monitoring (4kanal,spo2, nibp, etco2 Andenken)
2x IV Zugang
Reassessment
Ganzkörperuntersuchung
Übergabe SR/Notarzt

Mit welcher Frequenz würdet ihr beatmen?

Das ist einer der Fälle wo man 1) zuerst ganz laut nach dem Notarzt und einem Schockraum schreien sollte (aka in Wien sagen „dringend“) und sich 2) mit den eigenen Maßnahmen wirklich beeilen sollte und 3) auch schonmal fahren sollte wenn es der Patientenzustand erlaubt und die Versorgungszeit verkürzt würde.

Prioritäten sind:

  1. A: Ein Erfahrener zum Kopf (Gefährdung beheben, wenn die AF bei 6 bleibt gehört der vorsichtig assistiert beatmet, (mod.) Esmarch + 15l O2 werden in vielen Fällen aber auch eine Oxygenierung sicherstellen und sind deutlich einfacher)
  2. Das instabile Becken —> Beckengurt anlegen
  3. Wärmeerhalt!!!

Der Patient gehört in einen Maximalversorger (mit Neurochirurgie). Je nach lokalen Gegebenheiten (Unfall versorgt Hirnblutungen nicht mit etc) können solche Patienten von einem frühzeitigen Hubschraubertransfer in ein weiter entferntes Krankenhaus profitieren.

Generell: Der Patient sollte so schnell wie möglich vollimmobilisiert im voll geheizten RTW sein, alle weiteren Sani-Maßnahmen (iv Zugang, Infusion) sollte die definitive Versorgung im Schockraum nicht verzögern. ABER: Eine frühzeitige Versorgung durch einen kompetenten Notarzt bringt dem Patienten schon etwas, daher ist es wenig sinnvoll dem unmittelbar eintreffendem Notarzt davon zu fahren - dann sollte man eher die Versorgungszeit des Notarztes durch Anlage eines Zugangs etc verkürzen (Generell aber permissive Hypotonie, Verdünnen ist ebenso wie Auskühlen eine Todsünde!).

Während A sollte einer zum Kopf manuelle HWS Immobilisation + Esmarch, falls toleriert Guedel, bei Bedarf Absaugen
Während B 15l O2 per Beatmungsbeutel & assistierte Beatmung
Gleich nach C Beckengurt
Nach D Aludecke → Schockraumaviso Polytrauma mit SHT3&Beckentrauma im Schock → rasch auf Spineboard (da Zeitkritisch der Vakuummatratze vorzuziehen) + HWS Immobilisation (da kein isoliertes SHT ist diese noch immer indiziert) → ab ins Auto → Reassesment → Sobald Schockraum verfügbar → Transportbeginn, bis dorthin oder während dem Transport → Monitoring etablieren, i.v.-Zugang, Infusionstherapie entsprechend der permissiven Hypotonie bei SHT mit Ziel-RR 90sys. Regelmäßiges Reassesment insbesondere bei Veränderungen, bei Bedarf auf Veränderungen reagieren.
Falls ein Notarzt vor Transportbeginn oder während Transportes hinzukommt, wäre eine endotracheale Intubation wünschenswert - sofern dies rasch und ohne deutliche Verzögerung des Transportes möglich ist. Das bleibt aber dann sowieso NA Entscheidung.

Problematisch könnte das Szenario allerdings werden wenn lediglich ein 2 Personen-Team vor Ort ist. Da die assistierte BM-Beatmung unmöglich einem Laienhelfer (etwa Polizei/Feuerwehr) übertragen werden kann ist ein Transportbeginn zu zweit kaum möglich, da niemand mehr weitere Maßnahmen ergreifen kann bzw. den Patienten überwachen.

Ziel-RR 90 bei sht? Ich kenns mit 110-120 sys

Blöd dass man zumindest beim rk nö als NFS den beckengurt nur nach arztanweisung anlegen darf

PHTLS spricht von 80-90mmHg bei unkontrollierten Blutungen ohne SHT. Mit Polytrauma+SHT sollte der korrekte Zieldruck korrekter Weise heißen: größer 90mmHg

@atomization: 90 reicht für die organperfusion aus. Je mehr Druck umso schneller blutet man halt auch aus

Man merkt, dass sich die internationalen traumakurse auch stark unterscheiden können.
Am stilvollsten finde ich nicht den sys RR sondern das tasten des radialispulses als ziel

Verstehe ich jetzt nicht. Du verabreichst den Patienten Infusionen bis du einen Radialispuls spürst?

Genau

Bin mir ziemlich sicher, dass beim SHT höhere systolische Drücke (110-120) empfohlen werden um die cerebrale Perfusion zu gewährleisten.

Kurz nachgelesen, also international gilt beim Erwachsenen 90sys als Grenzwert zur Hypotension. Beim SHT ist die Hypotension zu vermeiden, weshalb in vielen Traumaguidelines (auch Neurotrauma) ein RR größer als 90 empfohlen wird. Andere Guidelines sprechen wieder von einem Normdruck von >120sys.
Ich nehme mal an für den durchschnittlichen RD-Einsatz wird es herzlich wurscht sein, mehr als 500ml bzw. max. 1000ml kristalloide Flüssigkeit werde ich sowieso nicht bis in den Schockraum verabreichen können, bei einer gleichzeitigen unkontrollierbaren (bspw. inneren) Blutung werde ich den Druck damit wohl auch kaum stabilisieren können, geschweige denn merkbar erhöhen.
Also wenn der Patient mit unkontrollierbarer Blutung im dekompensierten Schock ist und auch noch ein SHT hat, kann man wohl Wasser Marsch sagen und wird - so man überhaupt irgendwas bewirkt - damit keinen Schaden anrichten sondern maximal den RR über den 90sys halten, Werte von 120 oder mehr wird man damit wohl eh nicht erreichen. Mehr als 2l Infusionslösung wäre im Sinne des Sauerstofftransportes/Gerinnung/etc. sowieso eher wenig wünschenswert, wichtig wäre also Blut, denn nur das transportiert auch O2 - und das gibt es im Schockraum. Dann gilt es schnell die Blutung zu stoppen - dann kann man den RR mittels Blut wieder stabilisieren.

Sorry aber wer schockierte Patienten mit Volumen abfüllt macht echt was falsch. Damit füttert man die tödliche Trias 1) Gerinnungsstörung 2) Hypothermie und 3) Azidose.

Hypovoläme Traumapatienten brauchen Blutprodukte und keine Verdünnung!

Sorry aber wer hypotone Patienten hypotoner werden lässt macht auch was falsch. Organe brauchen auch einen gewissen Perfusionsdruck :wink:

Naja, ich würd jetzt mal behaupten, dass der Patient eine gewisse Zeit innerhalb der Goldenen Stunde besser mit einer eher niedrigen Perfusion ~90 fährt als wenn man ihn mit Infusionen flutet.