ÖGARI unterstützt Ausbildungsverlängerung für SanitäterInnen

„Wir sehen die absolute Notwendigkeit zur Verlängerung und Vertiefung des Ausbildungsumfangs, der vor allem die klinischen und praktischen Kompetenzen von (Notfall-) Sanitäter:innen stärken muss.« erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Helmut Trimmel MSc (Sektion Notfallmedizin der ÖGARI).“

PRESSEGESPRÄCH am Montag, den 17. April 2023 um 10:00 Uhr
PRESSECLUB CONCORDIA
1010 Wien, Bankgasse 8

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230404_OTS0082/oegari-rettungsdienst-mit-zukunft

Was mir bei diesem Positionspapier und der ganzen Ausbildungsdebatte zu kurz kommt:

Hat jemand einmal die Machbarkeit der klinischen Ausbildung der neuen NFS überprüft und mit den Krankenanstalten abgestimmt? Es ist schön, mehr Stunden im Klinikalltag zu fordern, wir haben aber jetzt schon Probleme, genug sinnvolle Praktikumsplätze für NFS (NKV) zu finden - und ich verstehe gut, dass ein KH im Zweifel einer Pflegekraft oder Ärzten in Ausbildung den Vorzug gibt. Im Zusammenhang mit der aktiven Bewerbung von Pflegeberufen (die auch immer mehr und höherwertige Praktika brauchen) sehe ich hier große Probleme und kaum Lösungsansätze im Positionspapier.

Zusätzlich ist die Übergangsregelung da noch eine Verschärfung, da aktive NotfallsanitäterInnen (zB in Tirol über 700 laut dem zitierten Papier) nun entweder 30 ECTS (gemeinhin 750 Stunden) KH-Praktikum brauchen oder ihre Qualifikation verlieren. Wir haben nun also allein in Tirol bis 2030 entweder für 525.000 Stunden (750 x 700) KH-Praktika (von mir aus ein bisschen weniger, wenn man Reflexionszeit usw. einrechnet) zu sorgen, oder wir entziehen teilweise hochkompetenten Personen einfach haufenweise die Berechtigung und stufen sie auf RS zurück. Können/Wollen wir uns das leisten?

Oder übersehe ich was? Denn momentan kommts mir so vor, als würden BVRD, ÖGARI und andere einfach Worthülsen und Fantasiecurricula in den Raum werfen ohne Machbarkeit oder Sinnhaftigkeit zu überprüfen…

Das ist ein Positionspapier und noch lange kein Bundesgesetz.
Das es möglich ist auch RFP in deutlich höheren Stundenausmaß im Krankenhaus auszubilden haben uns bereits defacto alle Nachbarländer bewiesen.
Im Zuge des Überganges wird es sich auch ausgehen. Aber es wird sicher zu Rückstufungen kommen.
Weiters wird sicher nur ein Bruchteil der Ehrenamtlichen auf eine höherwertige Ausbildung aufschulen. Auch das haben wir in Deutschland schon gesehen - es gibt defacto keine ehrenamtlichen NFS.de. Früher gab es sehr sehr wenige ehrenamtliche RAs - die meisten davon haben nicht auf NFS aufgeschult.
Wenn man sich jetzt den Vorschlag zur Übergangsregelung des BVRD anschaut dann wird man sehen, dass diese Regelung für schätzungsweise 85-90% der EA NFS nicht realisierbar ist(5 Jahre Vollzeitäquivalent oder >8000h als NFS).
Hypothese : Vorschlag des BVRD kommt. Dann werden 90% der Aufschuler auf den neuen AB Stand Hauptamtliche sein. Und damit insgesamt natürlich weniger Leute und damit leichter realisierbar.

Soll es eigentlich auch eine Staffelung nach Kompetenzen geben oder schult der NFS genauso auf wie der NKI?

Trotzdem muss es möglich sein, einfache Arithmetik und Plausibilitätsüberlegungen einzufordern, wenn man das Positionspapier ernst nehmen möchte.

Und in Deutschland hat man nicht zuletzt aufgrund dieser Übergangsregelungen (Stichwort: Wer bezahlt diese Aufschulungen und die Lernzeit und/oder stellt sie überhaupt zur Verfügung?) und Ausbildungsverschärfung mitunter große Probleme, Rettungsmittel adäquat zu besetzen - wenngleich ich zugestehe, dass der deutsche RD an vielen Problemen krankt. Aber mein Punkt ist: Nur weil Nachbarländer ein Konzept umsetzen, ist es nicht automatisch nachahmenswert.

Nehmen wir das ernst:
Laut ÄLRD Tirol sind 300 der 700 NFS hauptamtlich. Das verringert das Problem um die Hälfte, ist aber immer noch ein gewaltiger Anteil Stunden (300 x 750 = 225.000) oder wir verlieren Qualifikationen in der Riege der Hauptamtlichen. Das sind wohlgemerkt auch 225.000 Dienststunden, die diese Personen (hoffentlich bezahlt) im Regeldienst fehlen. 225.000 Stunden durch 1700h Jahresleistung sind ca. 170 Vollzeitjahresäquivalente, die man nun besetzen (und vorher: ausbilden!) muss. Darüber lese ich nichts im Positionspapier und ich könnte solche Überlegungen noch lange weiterspinnen.

Ich finde das Positionspapier krankt genau an diesen Stellen: Es ist leicht, Dinge zu fordern, aber ich hätte gerne genau diese Konsequenzen abgedeckt, bevor wir weiter über Details der Ausbildung diskutieren.

Ich bin der Meinung das es durchaus möglich ist für solche Probleme Lösungen zu finden.
Nicht alles ist zu 100% ausgereift und bis zum allerletzten Problem durchdacht. Aber es muss sich etwas tun und es muss ein gescheiter Beruf für ganz Österreich geschaffen werden. Inklusive Übergangsregelungen.
Wir werden immer irgendwo Nachteile finden. Und es wird immer Argumente geben wieso alles so bleiben soll wie es ist. Und meine subjektive Wahrnehmung zu Deutschland ist, dass dort die Rettungsmittel genauso zuverlässig besetzt werden wie hier in Österreich. Nur hier eben je nach Bundesland mit 2xRS.

Aber um jetzt mal für mich zu sprechen. Ich mag meinen Job. Ich hoffe ich bin halbwegs fachkompetent und ich bilde mich laufend fort. Und wenn ich mit dieser Novelle kein gescheites Berufsbild bekomme weil wir es in Österreich im Gegensatz zu den Nachbarländern nicht auf die Reihe bekommen, dann -man entschuldige meine Wortwahl- scheiss ich drauf.

Es muss sich was tun - d’accord. Aber nicht zu jedem Preis. „Nicht zum allerletzten Problem durchdacht“ ist schon sehr mild dafür, dass ich als Laie mit 5min Nachdenken und Rechnen gravierende Mängel und Probleme ohne Lösungsansatz aufdecke. Ein Gesundheitsökonom fährt da noch ganz andere Stückerl - und zurecht. Und es macht mich fassungslos, dass anerkannte Fachgesellschaften hier so eindimensional denken.

Da stimme ich Dir zu 100% zu und mir geht es ähnlich. Aber gerade dann sollte Dir daran liegen, ein auf allen Ebenen (KH-Plätze, Ökonomie und alles was mir noch nicht mal eingefallen ist) funktionierendes Konzept zu fordern und nicht eindimensionale Worthülsen zu akzeptieren.

Zusammenfassend:

  • Ordentliches Berufsbild und Berufsschutz, ja klar.
  • Akademische Ausbildung für die oberste Ebene (FISU / merit cars / …), voll dafür.
  • Rechtssicherheit und moderne Kompetenzdefinition, absolut.
  • Qualitätssicherung auf allen Ebenen, dabei.

Aber nicht auf Kosten von:

  • Versorgungssicherheit (Übergangsphase!)
  • Finanzieller Effizienz und Effektivität (Kostenwahrheit!)
  • Brain drain durch Kompetenzverfall

Schönen Abend :slight_smile:

Also, das Ganze ist mal ein Positionspapier, kein Gesetzesentwurf, kein Finanzierungskonzept davon sind wir momentan noch weit entfernt.
Das Positionspapier soll eine Richtung vorgeben, in die es nach Ansicht des BVRD (mit Unterstützung der ÖGARI und so wie ich das verstanden habe auch der ÖGERN und der AGN) gehen soll.

Gegenfrage: Hat schon mal jemand wenn eine medizinische Leistung gekürzt wird (z.B in OÖ aktuell der HÄND) den daraus folgenden Mehraufwand für den RD überprüft?

Ich frag mal ganz provokant: Was hat z.B. ein NKV an FORMALER Qualifikation mehr vorzuweisen als ein NFS? 90h
Ja, an REALER Qualifikation liegen Welten dazwischen, aber am Papier bleibts bei 90h.
Und hier bei einer 30+30 ECTS (=1500h) Aufschulung für 90h eine separate Anrechnung umzusetzen halte ich schlicht und einfach für nicht praktikabel

Mir kommt es so vor, als würden sie sich für die kommenden Verhandlungen positionieren.
Ich denke man kann das Positionspapier durchaus als „Maximalforderung“ verstehen.
Jetzt sind das RK und die anderen HiOrgs am Zug, sich mit ihren Forderungen zu positionieren.
Vom RK wird sicher eine Art Minimaler Kompromiss kommen und dann wirds in die Verhandlungen gehen.
Spannend bleibt, wie sich die MA70 Positionieren wird. Das die auch mit einer mehrjährigen Ausbildung Liebäugelt ist ja kein Geheimnis.
Die Frage ist, ob sie den BVRD Vorschlag unterstützen werden, oder ihre eigenen Ideen aus der Schublade hervorkramen werden…

Sicher ist nur, dass uns ein paar spannende Monate bevor stehen.

Was aber in der ganzen Diskusion mal leider wirklich wieder zu kurz kommt, ist die grundsätzliche Frage, was „Rettung“ in Zukunft eigentlich sein soll?
Den best ausgebildeten Dipl. NFS Paramedic zu Husten, Schnupfen Heiserkeit zu schicken bietet natürlich viele Möglichkeiten im in Richtung Primäversorgung zu Hause, Comunity Care und entlastung der Notaufnahmen.
Das bedeutet natürlich einen hohen Personalaufwand.
Ihn im Gegensatz nur selektiv zu den „echten Notfällen“ zu entsenden mag verlockend klingen, löst aber das Problem der überschießenden Anzahl an Bagatelleinsätzen nicht. Diese dann weiterhin durch weniger Qualifiziertes Personal versorgen zu lassen verlagert das Problem auch weiterhin nur in die Notaufnahme und löst es nicht.

Ich finde es gut und wichtig, über den „Sani der Zukunft“ zu sprechen. Noch wichtiger wäre es meiner Meinung nach aber, über die Rettung der Zukunft zu sprechen.

Whataboutism bringt die Diskussion nicht weiter, weswegen ich auf das Scheinargument nicht eingehe, um das Thema nicht zu verschleppen.

Auch für „Maximalforderungen“ verlange ich von professionell agierenden Playern im System ein Mindestmaß (!) an Machbarkeitsanalyse und konkretem Plan im „Positionspapier“. Ansonsten braucht man sich über den „minimalen Kompromiss“ der HiOrgs ohne Ziel und Plan echt nicht beschweren - man hat ja selbst gezeigt, dass man es selbst eben nicht besser kann.

Vielleicht täusche ich mich ja, und es gibt diese Analysen. Aber dann würde ich mir dringend wünschen, dass diese offengelegt werden, um eben Leuten wie mir argumentativ das Wasser abzugraben :slight_smile:. Ansonsten werden das ziemlich kurze Verhandlungen im Ministerium („utopisch, unüberlegt, next“).

Ausbildung im Krankenhaus ist schwierig, die Praktika würden vielfach mit der Pflege funktionieren (wenn es genug Plätze gäbe) aber das ist ja keine wirkliche Ausbildung für das was gebraucht wird. Es geht ja drum klinisch etwas zu erkennen/sehen/nachvollziehen um es dann eigenverantwortlich umzusetzen.
Wenn man jetzt im Praktikum 1000 EKGs schreibt und das perfekt kann, ist man am Ende auch nicht sehr viel weiter wenn niemand einem erklärt was man da jetzt sieht und welche Entscheidung das zur Folge hat. Also ich glaub einfach ned das es geht, weil niemand wirklich Zeit hat jedes EKG dann auch noch dem Sani zu erklären. Weder die Pflege (die das oft gut kann) noch die Ärzte.

Und seltenere Skills wie Atemweg etc schaut es noch düsterer aus. Da müsste man das ganze Spital straffer organisieren damit das in der Zeit wirklich was wird.

Grundsätzlich ist es für mich etwas fragwürdig, wenn Sanitäter zunehmend ärztliche Tätigkeiten übernehmen sollen, aber die praktische Ausbildung weitgehend durch die Pflege geschehen soll. Einerseits ist das zwar logisch und nachvollziehbar, die Pflege ist es viel mehr gewohnt mit Struktur auszubilden, im ärztlichen Bereich ist das vergleichsweise in der Anfangsphase – und zwar für die „eigenen Leute“. Die Motivation, oder überhaupt die Idee, sich für Sanitäter zuständig zu fühlen ist da, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, eher exotisch. Dass das gegenwärtig aufgrund der Kürze eher „Grüß-Gott“-Praktika sind macht es nicht besser.

Einzelne Tätigkeiten (PVK legen, EKG schreiben etc.) lassen sich sicher gut und besser von der Pflege abdecken, sobald es aber in Richtung klinische Entscheidungsprozesse (Patientenassessment, Diagnosefindung, Indikationsstellungen, Follow-up) geht, ist es meiner Ansicht nach zwingend erforderlich, die praktische Ausbildung auch ärztlich zu bespielen und zu supervidieren.

Die Krankenhauspraktika funktionieren so lange gut, wie (ausschießlich) pflegerische Maßnahmen erlernt werden (dazu gehört mittlerweile auch Venflon legen). Sobald es um innerklinisch ärztliche Maßnahmen geht, funktioniert es, wenn sich im „eigenen“ Haus die Notärzte um die „eigenen“ Sanis kümmern, sonst kaum. Bestes Beispiel sind ja die NKI-Praktika: im schlechtesten Fall werden Praktika über die Pflegedirektionen zugesagt, die Ärzte wissen aber nichts davon und lassen die Sanis auch nicht intubieren.

Da zeigt sich wieder einmal, dass Sanitäter halt doch ein eigener Beruf ist.

Bei jedem NKI Kurs den ich kenne wird das Praktikum über die ärztliche Seite vereinbart und die Praktikanten gehen bei den Ärzten mit.
Da hab ich noch nie davon gehört das gröbere Probleme aufgetreten sind. Und ich hab schon einige NKIs in Ausbildung betreut.

Die Argumente von grissu und leibschüsselfahrer sind sicherlich berechtigt, wenn es irgendwann mal um die „Masse“ gehen sollte.
Praktisch deckt sich meine Erfahrung aber mit der von TomasdL.

Der NKVler und NFS laufen in der Ausbildung halt einfach mit der Pflege mit, weil die innerklinisch eh keine ärztlichen Tätigkeiten übernehmen.
NKI ist da schon was anderes, aber davon gibts nicht viele in Österreich. Bzw. werden jedes Jahr nur eine Handvoll ausgebildet und somit gibts da kaum ein Problem. Vor allem, wenn man sich die Praktikumszeit vorteilhaft legt und nicht gleichzeitig mit Famulanten da ist (bei kleineren Häusern).

Aber wir sprechen hier von einem Positionspapier mit einer Maximalforderung. Ich trau’ mich meine Hand ins Feuer zu legen, dass das in dem Umfang nicht kommen wird.
Ich denke man wird sich am Ende - wie so oft - am großen Bruder Deutschland orientieren mit einer niedrigeren Einstiegsstufe als den RS.de.

Gibt es eigentlich inzwischen Zahlen wie viele RS, NFS, NKx es in Österreich gibt? Aufgeschlüsselt nach HA Voll und Teilzeit? Das wäre doch mal ein guter Start um sich Übergangsszenarien auszudenken. Es wird ja auch dann noch eine Zeit dauern bis die ersten der „Ausbildung neu“ in freier Wildbahn anzutreffen sind, die nicht „Aufschuler“ sind.

Nein gibt es nicht. Da es keine Eintragung ins Gesundheitsberuferegister gibt.
Das ist im übrigen auch eine BVRD Kernforderung.

Das ganze wird daran scheitern, dass man die Vorteile eines neuen Systems nicht quantifizieren kann und damit kann man die Frage „Warum brauchen wir das“ nicht beantworten.
Das Argument „Bessere Ausbildung bringt besseren Output und löst damit alle Probleme“ hat in der Pflege auch nicht funktioniert.

Gut, keine zentrale Erfassung, ich weiß. Aber die verschiedenen Player werden ja wissen wie viel Personal sie mit welcher Qualifikation haben, und selbst wenn sie es nicht griffbereit in einer Exeltabelle haben, lässt es sich (ganz sicher) ermitteln. Da muss es ein gemeinsames Interesse geben, dass ganze gemeinsam vorwärts zu bringen. Ernsthaft zu behaupten, dass man nicht weiß wie viele Mitarbeiter welcher Qualifikation man beschäftigt, wäre peinlich. Stellt euch das mal in jedem anderem Unternehmen vor…
PS Ich bin eigentlich überzeugt, dass manche Landesverbände, Bezirksstellen, was auch immer sehr wohl auf Knopfdruck wissen was Sache ist.

Der Chefarzt vom nö RK hat beim ÖGERN-Symposium in Salzburg Zahlen genannt. Vielleicht hat die wer mitgeschrieben? Ich weiß sie nicht mehr genau, irgendwas zwischen 1.000 und 2.000 NFS und höher warens beim nö RK.