NEUE SICHERHEITSSTANDARDS
[size=150]Wenn Retter Fehler machen[/size]
Man darf einen Fehler machen – aber nur einmal: Nach diesem Motto arbeitet Tirols Rettungsdienst am Fehlermanagement. Aus Krisen entstanden neue Sicherheitsstandards.
Von Elke Ruß
Innsbruck – Der Patient hat daheim einen Herzkreislaufstillstand, doch der Routenplaner im Notarztwagen findet die Adresse nicht. Endlich da, trifft das Notarzt-Team auf ein unerfahrenes Rettungswagen-Team, das an der schwierigen Beatmung scheitert. Im Platzmangel zwischen aufgeregten Angehörigen wird ein intravenöser Zugang hergestellt. Der Kühlbeutel mit einem Mittel für die Intubation ist unauffindbar, beim Wechseln auf den besseren Notarzt-Defibrillator gibt es ein Problem mit den Elektroden. Weil die Raumnot den Kontakt erschwert, wird fast ein falsches Mittel gespritzt.
Klingt wie in einem schlechten Film, ist aber so passiert – der Patient hat es zum Glück trotzdem geschafft. Der Fall aus dem Bezirk Kufstein war jedoch beispielhafter Anlass für eine Arbeitsgruppe und etliche Verbesserungen. „Ein Fehler darf passieren, aber möglichst nur einmal“, betont Notärztin Andrea Ganster. Wie sie bekennt, gebe es viele Möglichkeiten, wo etwas suboptimal läuft: „Wir arbeiten ja nicht im Spital, sondern oft im Straßengraben oder in engen Räumen.“
Die Konsequenzen aus der Fehleranalyse: „Wir machen jetzt jeden Tag einen Fahrzeugcheck: Was haben wir – und wo ist es?“ Weiters habe es Schulungen zum Gerätemanagement gegeben und ein Einzel-Beatmungstraining. Statt händischer Beschriftung gibt es für Spritzen nun farbcodierte Etiketten. „Gelb steht z. B. für Hypnotika, blau für Opiate“, erläutert Ganster. Da sich Medikamentennamen oft ändern, steht der Wirkstoff auf dem Etikett.
„In Produktion ist auch ein Spritzenbrett“, ergänzt Ganster. Denn mangels Ablage an Unfallstellen lagern Notärzte Spritzen oft in Hosen- oder Jackentaschen. Um Verwechslungen im Stress zu vermeiden, wird die Anordnung vom Teamkollegen mit Sichtkontakt laut wiederholt.
Wie Andreas Karl, der Geschäftsführer der Rettungsdienst-GmbH betont, wurden Farbcode und Spritzenbrett bereits tirolweit übernommen. Generell gilt Kufstein als Vorreiter im Risk-Management. Laut Qualitätsmanager Alois Schneider ist seit 2011 eine Datenbank aktiv, über die Retter auch anonym Fehler, Risiken und Anregungen melden können. Von 124 Eingaben im Jahr 2012 betraf ein Drittel Fehler. Bundesweit hat das Rote Kreuz ebenfalls so eine „CIRS-Datenbank“. Meldungen werden laut Karl von Experten bewertet, dann sind Vorfall und Analyse für alle Retter online abrufbar.
Adolf Schinnerl, der ärztliche Rettungsdienstleiter, versichert, dass jeder Notfall „nach den besten verfügbaren Möglichkeiten“ beschickt und versorgt werde. Sollte dennoch ein Verdacht eines Schadens für einen Patienten aufkommen, werde dies sofort gemeldet. Seit Gründung der Tiroler Rettungsdienst-GmbH 2011 habe es aber keinen gerichtsanhängigen Fall gegeben.
Einsätze in Tirol
2013 gab es in Tirol 15.908 bodengebundene Notarzt-, 134.204 rettungsdienstliche und rund 8000 Notarzthubschrauber-Einsätze.
Risk-Management: Die „Fehler“-Datenbank des drittgrößten Tiroler Rettungsbezirks Kufstein verzeichnete 2012 124 Meldungen, 38 betrafen echte Fehler. In der Kategorie Schnittstellen betrafen 20 Feedbacks die Leitstelle.
Tagung: Zum „Qualitätsmanagement in der prähospitalen Notfallmedizin“ läuft am 28./29. März eine Fortbildung am Grillhof in Vill.
Quelle: tt.com