RD-26A02 'Blutdruckprobleme'

Hallo,

Hatte vor kurzen einen dubiosen Einsatz und würde mich um eure Meinung interessieren.[emoji4]

Einsatzort 10.Wien
Weiblich 77 Jahre

Bei Eintreffen im BO-Objekt kommen wir in einer massive „Messi-Wohnung“ wo wir von der Patientin sitzend erwartet werden.

Pat. gibt an das sie starke Beinschmerzen hat und Blutdruckschwankungen (von ihr gemessen mit Handgelenks-RR…), weiters gibt sie Panikattacken an, da ihr Gatte vor 2 Wochen hospitalisiert wurde (zufällig ebenfalls von uns, also war Wohnung und Pat. uns in gewisserweise bekannt)

Pat. wach und orientiert + Belastungsdyspnoe
SpO2: 91% Raumluft
Puls: 121 arrythmisch
BZ: 143 nicht Nüchtern
RR: 280/110mmHg (manuell gemessen!)
Neuro: FAST negativ, o.B.
Temperatur: 38.0°C

Medikation: Lisinopril, OAK vorhanden, restl. Psychopharmaka

Allergie: keine bekannt

Vorerkrankungen: Stroke 2005, Niereninsuffizienz 3°, Adipositas 3° [44.1 BMI], Herzinsuffizienz, PAVK, mehrfache stat. Aufnahmen wegen kard. Dekomp., NIDDM

Während der Erhebung der Werte und Anamnese führt Pat. geringe Bewegungen durch im Sitzen und es erfolgt seit dem eine Tachykardie zw. 140/min bis zu Spitzen von 210/min.
(lt. mehreren vorliegenden Befunden kein VHF bekannt)

Es wird eine RR-Kontrolle durchgeführt: über 300/80mmHg
(Beide Arme und zusätzliche Kontrolle von Kollegen)

Nachforderung NEF<<<

SpO2: 97% mit 2l über Nasenbrille
Puls weiter schwankend wieder zw. 150 bis 190/min

Währenddessen 5 minütige RR-Kontrollen mit Werten zw. 290-220mmHg Systole stark schwankend.

20min später Ankunft des NEF.

Nach rascher Übergabe an NA bereitet NFS PVK, EKG und Ampullarium vor.

NA misst 1. Mal palpatorisch den RR.
Kurz darauf das 2. Mal mit Stethoskop.
Gleich danach ein 3. Mal da lt. NA nicht gut hörbar…

Kurz darauf erfolgt die Anweisung an uns das Pat. hospitalisiert wird auf die nächste normale Interne-Notfallambulanz und keine weitere NEF-Intervention erforderlich sei.
Auf Nachfrage bei NA was er gemessen hätte, wurde uns gesagt das Pat. 175/110mmHg hätte.

Ohne weitere Maßnahmen (EKG, Medikation, Zugang,…) wurde kurz darauf der Einsatzort vom NEF Team verlassen.

Augenblicklich wurde der RR von uns abermals überprüft und ergab 240/110mmHg…

Nach schwierigen Transport aus Wohnung wurde Pat. in die nächstgelegene Notfallambulanz gebracht.

Hierorts wurde von diensthabenden Ärztin ausgegangen, nach Übergabe, das nach diesen NEF Einsatz ein EKG vorliegt, Zugang mit inkl. entsprechender Therapie verabreicht wurde, usw. was zu großen Diskussionen führte, da uns anfänglich nicht geglaubt wurde das NA keine Maßnahmen setzte.

Diensthabenden Ärztin begutachtet im Fahrzeug Pat. und führte ebenfalls eine RR Messung durch was 290/100mmHg ergab. Pat. wird zunehmend eingetrübter.

Es wurde ein Herzüberwachungsbett organisiert, wo wir direkt Pat. übergeben haben.

Was haltet Ihr von diesem Fall?
Wie hättet Ihr reagiert bzw. anderes Verfahren?

Freue mich auf eure Antworten und unseren Austausch. [emoji3]

Als KTW kann man schwer was anders machen.

Als RTW hätte diese Patienten erstmal eine entsprechende Diagnostik bekommen, da steht ein 12K EKG sehr weit oben auf der Liste. Dem Blutdruck würde ich nicht trauen, bei sehr adipösen Patienten ist er schwierig zu messen, das gleiche gilt für die Herzfrequenz.

Die Patientin hatte ja offenbar keine Symptome einer hypertensiven Krise, deswegen zweifle ich ehrlich gesagt ein bisschen an dem hohen Druck. Ich kenne auch symptomfreie hohe Drücke, aber so hoch? Es gibt nichts was es nicht gibt…

Interessant wäre das EKG insbesondere deswegen, weil ich die Tachykardie für weit problematischer halte, in dieser Kombination mit den Vorerkrankungen kann die Patientin leicht die Patschn strecken. Das wird dann ganz schnell eine akute Herzinsuffizient.

Also, ein EKG gehört her.

Habt ihr die Pulse zentral getastet? Oder ist das (schwankende HF) vom Pulsoxy?

Was tun?

Als NKV hätte ich der Patientin wenns es so rundherum passt Ebrantil geben können, da bin ich aber sehr zurückhaltend (dh gebe es wirklich nur in der Krise), weil man auch subakute Drücke eher über Stunden senken soll, außer es ist wirklich eine Krise. Und solchen schlecht eingestellten Patienten, die auch an einen hohen RR gewöhnt sind kann es ganz schlecht bekommen wenn man ihnen den Druck übermotiviert auf die gachn runter holt. Sollte man ned machen!

Der NA: Hat genauso die oben geschilderte RR Problematik, aber er kann noch mehr: Beta-Blocker stünden bei mir sehr weit oben auf der Liste, die sind auch nicht so einfach und haben einige KI (insbesondere HRST aber auch (und das wird von vielen anders/differenziert gesehen, aber in den Lehrbüchern sowohl für Pharma als auch für Innere steht es als generelle KI) Asthma und COPD, bestimmte Antidepressiva!!!). Wenn man sich zur Anwendung entschließt hat man jedenfalls ein Medikament das die hohe HF und den hohen RR gleichzeitig angeht (Und am besten wäre was kurz wirksames und gut steuerbares wie Esmolol).

Daneben liegt es nahe, dass die hohe HF vom Fieber kommt, dh dagegen könnte man (wsl die Lösung für Minimalisten) auch was tun, in Ö lieben wir das Novalgin: Also eine kleine Kurzinfusion, dann geht das Fieber runter und (nette „Nebenwirkung“) auch der Druck, die HF sollte mitziehen. Es gibt natürlich auch wieder KI, hier wird insbesondere die CNI das Problem sein. In der Notfallmedizin geht es halt oft nicht anders, ich könnte es nicht entscheiden, da fehlt mir noch die Erfahrung.

Es gibt sicher noch viele andere Lösungen, man muss kreativ sein.

Ein Überwachungsbett braucht die Patientin - sofern unkompliziert - eigentlich nicht. Man sollte halt das EKG anschauen und versuchen was gegen HF/RR zu machen. Erst wenn das nicht geht braucht sie „mehr“, wenn das eh geht schafft alles weitere auch eine Normalstation. Eine interne Ambulanz sollte das eigentlich selbst probieren, das ist eine klassische Patientin für den „Fast-Track“. Sie braucht zwar eine sofortige Intervention, aber die Chancen stehen ganz gut das man das Hauptproblem mit der einen schnellen Intervention beheben kann.

P.S. Das gleichzeitige RR Messen an beiden Armen (so verstehe ich euch an der Stelle wo ihr auf 300sys kommt) führt nach meiner Vorstellung von Herz-Kreislauf-Physiologie zu einem höheren RR. Aber wir haben eh grade den „Innere-Medizin“ Block, ich werd das nächste mal in der Vorlesung den Professor fragen ob das stimmt :wink:

Drauf beharren dass der Patient kritisch ist und man ihn ohne NA Begleitung nicht transportiert.

Notfalls über Funk ein anderes NA Mittel nachfordern, mit dem hinweis dass das eigene NA Mitel Maßnahmen verweigert hat.

Echt oarger Fall, rr>300 systole hab ich noch nie gesehen, die Dame hatte keine typischen Symptome?
Für mich klingt der ganze Fall auch etwas nach psychischen Problemen, was ja auch den rr erklären könnte.
Wie war die Dame sonst „drauf“?

Mit welcher Blutdruckmanschette wurde Messung vorgenommen? Stand eine entsprechend dimensionierte Manschette zur Verfügung? Denn bei einem BMI von 44 gehe ich davon aus, dass der Oberarm-Umfang entsprechend größer ist, als bei einem idealgewichtigen Patienten. Hat der Notarzt mit einer anderen Manschette gemessen oder hat er dieselbe verwendet wie ihr? Bei zu kleiner Manschette kann der Blutdruck falsch hoch gemessen werden (auch wenn eine Abweichung von mehr als 100mmHg Systole doch sehr unwahrscheinlich ist, wenn die Manschette noch auf den Arm passt, aber geringere Abweichungen sind durchaus möglich).

Danke für deine Antwort!

Ja, Puls wurde natürlich auch zentral gemessen, was leider auch den Wert von Pulsoximeter bestätigte.

Kurzer Nachtrag:

Lt. Herzüberwachung entwickelte die Pat. Ein hypertensives Lungenödem und landete dementsprechend auf der Cardiac Care Unit…
(Am BO waren keine pathologischen Atemgeräusche hörbar, auch von NA nicht)

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Ui. Dann wars eher nix psychisches ?

In unseren Fall war es eine normale Erwachsenen-Manschette…
Aber überraschenderweise konnte man sie (grad noch) am OA anbringen ohne viel Zug und ohne das sie selber aufging (Klett)
NA und diensthabenden Ärztin im KH verwendeten ebenfalls unsere Manschette da Ihre entweder immer aufging oder nicht passte.

Bei solch pathologischen Werten würde ich als allerletzte Option auf die Psychoschiene tippen, und die allerletzte Option wird in dem Fall niht von in der Präklinik gewählt. Da macht man es sich ein bissl gar einfach.

Das LÖ kommt für mich nicht so überraschend, ist eine logische Konsequenz. Wenn man mich raten hätte lassen, wie dann wohl der weitere Verlauf war, das wär mein erster Tipp gewesen.
Und wenn sich eine Patientin mit solchen Werten keine Überwachung verdient hat, dann weiß ich auch nicht, wer sich sowas verdient hätte. Der RR muss kontrolliert gesenkt werden, ohne IBP wär das schon wieder ein ziemlicher Kracher. Von der HF bis jenseits der 200 brauchen wir da gar nicht sprechen.

Ebenso würd ich eine solche Tachykardie keinesfalls aufs Fieber schieben und bei sowas dann mit einem Novalgin daherkommen, auch da macht man es sich zu einfach. (Außerdem wirds nix bringen, weil wie gesagt, wohl kaum vom Fieber). Und auch das ist eher was für die Klinik.

Und zum NA: Ja ist leider ein typischer Arzteinsatz in Wien geworden, wird erst am NACA 5 was gemacht, die paar Dinge die man haben muss, damit ein NA auch wirklich eingreift sind leider mittlerweile an einer Hand abzählbar geworden.

Also eine Untersuchung vor Ort ohne ein EKG in diesem Fall finde ich schon etwas ungewöhnlich. Hätte in diesem Fall mehrere Anlässe, eines zu schreiben: 1. Tachycardie - vor allem arrhythmischer Puls, 2. mehrere Risikofaktoren (Adipositas, Hypertonie, Alter, NIDDM) ,… 3. Psychopharmaka, die fast alle die qT-Zeit beeinflussen können und noch ein paar mehr falls diese nicht reichen würden …

Ein EKG finde in diesem Fall vor allem wichtig, da es zu notwendiger, medikamentöser Intervention führen kann (tachycarde Rhythmusstörung, MCI, …) und auch die Zielortwahl sowie eine eventuelle NA-Begleitung massiv beeinflussen würde.

Der gemessene RR von 175 / 110 mmHg würde mich als Notarzt nicht großartig beunruhigen - alleine deswegen hätte ich auch keine Intervention gesetzt. Wie bereits richtig berichtet, sieht man heutzutage von einer zu raschen Senkung des RR ab - max. 20% des Ausgangswerts und nicht unter 160 / 90 mmHg.

Auskultation von Lunge und Herz, so weit etwas hörbar gewesen wäre, erscheint für mich jetzt auch nicht als Luxus. Stethoskop hat man ja vom Blutdruckmessen sowieso schon in der Hand / um den Hals.

Hypertensives Lungenödem überrascht mich eher weniger (va. auch bei Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte) - ein CCU-Bett ist da auf jeden Fall gerechtfertigt.

Aus rettungstechnischer Sicht hätte ich den Einsatz auch nicht anders abgearbeitet - bei Zustandsverschlechterung während der Fahrt halt wieder den NA nachgefordert und ev. auf Rendevouz gefahren oder wenn schneller weiter ins KH mit Blaulicht. In Anbetracht des BMI der Pat. bin ich (und mein Rücken) inzwischen froh, als Notarzt die Pat. primär nicht über die Stiegen tragen zu müssen :wink:.